Unternehmensnachfolge und Mediation - 12. Februar 2013

Wenn zwei sich streiten …

Firmengründer überlassen ungern der nachfolgenden Generation ihr Lebenswerk. Dadurch entstehen oft familiäre Probleme, die die Existenz des Unternehmens gefährden können. Wird die Nachfolge mediativ begleitet, kann nahezu jeder Konflikt zur Zufriedenheit aller gelöst werden.

Unternehmer, Handwerker und selbstständige Freiberufler lassen das als Lebenswerk geschaffene Unternehmen meistens nur ungern los. Die Motive sind unterschiedlich. Häufig soll der zur Übergabe anstehende Betrieb der Alterssicherung dienen. Die Scheu – gerade des Mittelstands – vor Beraterhonoraren zur rechten Zeit führt am Ende oft zu Prozesskosten und Steuerbelastungen, die weit über den Kosten liegen, die bei einer frühzeitigen Gestaltung anfallen würden. Die Folge sind

  • unnötige Abflüsse an Steuern,
  • Zahlungen unter Familienmitgliedern,
  • Rechtsstreitigkeiten sowie Differenzen über die Kompetenz der Nachfolger.

All das gefährdet nicht nur den Fortbestand des Unternehmens, sondern im Durchschnitt auch zehn Arbeitsplätze pro Betrieb. Erfolgt die Übergabe erst nach dem Erbfall, profitiert in der Regel der Fiskus von der menschlichen Scheu, frühzeitig Nachfolgeregelungen über den eigenen Tod hinaus zu treffen.

Rechtlich komplexe Materie

Soll das Unternehmen zu Lebzeiten übergeben werden, sind nicht nur die schwierigen Fragen der Unternehmensbewertung und -überleitung der Geschäftsführung zu lösen. Hinzu kommen meist auch familiäre Konflikte. Eltern müssen zwischen mehreren Kindern eines für geeignet erklären. Die Nachfolgeregelung soll also nicht nur den Familienfrieden sichern, sondern auch überraschende Liquiditätsabflüsse – sei es für Steuern, Abfindungsleistungen oder einen Erbausgleich – vermeiden. Die Regelung der Unternehmensnachfolge ist also eine wirtschaftlich und rechtlich komplexe Materie: Berührt werden das Erb- und Gesellschaftsrecht und nicht zuletzt auch das Familienrecht sowie die persönlichen Beziehungen aller Beteiligten. Nachfolgeregelungen sind streitanfällig, wenn sich deren Motivation dem Erben nicht erschließt. Der Tod bedeutet dann nicht ein Ende, sondern führt oft zu jahrelangen Erbstreitigkeiten.

Testamentsvollstreckung

Gelegentlich wird versucht, derartige Probleme durch Testamentsvollstreckung zu lösen. Sie ist bei Unternehmen möglich und auch sinnvoll, wenn die Erben zur Nachfolge noch nicht geeignet sind. Oft bestimmt der Erblasser einen guten Freund, seinen Steuerberater oder einen Rechtsanwalt zum Testamentsvollstrecker. Nur ungern vertraut er sein Vermögen jüngeren Personen an, denen es an der eigenen Erfahrung fehlt. Folglich ist der Testamentsvollstrecker oft deutlich älter als der Erblasser. Sofern er ihn überhaupt überlebt, droht der Testamentsvollstrecker dann im betagten Alter von seiner Aufgabe schlicht überfordert zu sein oder er erlebt die Volljährigkeit seiner Mündel gar nicht mehr.
Die Wahl des richtigen Beraters ist also ebenso sensibel wie das Thema selbst. Neben fachlicher Qualifikation im Erb-, Familien-, Gesellschafts- sowie Steuerrecht ist zudem unternehmerische Kompetenz, jedenfalls aber Einfühlungsvermögen in die Ängste und Sorgen der Beteiligten gefordert. Auch muss der Berater den nötigen Abstand zu allen Beteiligten wahren, damit sich niemand hintergangen fühlt. Das betrifft vor allem den gesetzlichen Erben, dem oft ein zumindest zeitweiser Verzicht auf seine Rechte zugunsten anderer abverlangt wird. Der Hausanwalt oder familiäre Steuerberater kann das als Testamentsvollstrecker weder fachlich noch menschlich bewältigen. Ihm fehlt in der Regel der nötige Abstand zu allen Beteiligten.

In Deutschland stehen jährlich

140.000

Arbeitnehmer vor einer ungewissen Zukunft, weil ihr Unternehmen im Fall eines Generationswechsels vor dem Verkauf oder einer Schließung steht.

Vermeidbare Konflikte

Im Umgang mit Nachfolgeregelungen und Erbfolgen herrscht bei allen Beteiligten Unsicherheit über die richtige Kommunikation in der Familie. Der Übergeber scheut den Gedanken, sich aus dem aktiven Leben zurückzuziehen, und konfrontiert Erben und Nachfolger überfallartig mit einem festgeschriebenen Testament und schwer verständlichen juristischen Regelungen. Potenzielle Nachfolger fordern aber zumeist mehr oder minder deutlich ihre Beteiligung und Mitbestimmung bis hin zum Zeitpunkt der Nachfolgeregelung. Nicht selten bereitet sich der Sohn durch Studium und Ausbildung ehrgeizig auf die Unternehmensnachfolge vor. Wenn der Vater diesen Ehrgeiz dann als hinderliche Verbissenheit wertet, tut er das aus Sorge um sein Lebenswerk. Die Kompetenzprobleme zwischen Vater und Sohn – beide beanspruchen den Königsthron – werden so zur Ersatzlebensaufgabe und beschäftigen häufig sogar die Gerichte.

Schiedsgerichtsbarkeit

Die meisten Testamente und Gesellschaftsverträge enthalten Schiedsverfahren oder Schiedsgutachten über Bewertungsfragen. Diese Verfahren sind häufig schneller als ordentliche Gerichtsverfahren, können bei schlecht formulierten Schiedsklauseln aber auch wesentlich länger dauern. Ihr Vorteil ist, dass sie Öffentlichkeit vermeiden. In jedem Fall sind auch sie streitige Verfahren – mit Gewinnern und Verlierern. Ergo können auch sie keine Generationskonflikte auflösen.

Problemfeld Familienbetrieb

Aus Sicht eines Mediators treffen bei der Unternehmensnachfolge im Familienbetrieb zwei unterschiedlich agierende Systeme aufeinander: einerseits die nach emotionalen Erwägungen handelnde Familie und andererseits das eher rational bestimmte und geführte Unternehmen. Daraus entstehen zahlreiche Widersprüche, die im schlimmsten Fall die Unternehmensnachfolge scheitern lassen. Im Betrieb selbst sind die Familienmitglieder meist auch Mitarbeitende im Unternehmen. Der Vater als Chef ist und bleibt eben immer sowohl Vater als auch Chef. Sohn und Tochter sind – zumindest in den Augen vieler Eltern – auf ewig immer auch die Kinder, die nun im Unternehmen eigenständig Verantwortung übernehmen sollen. Da ist eine Reihe von Fragen zu klären:

  • Wie plant der Vater mit seinen ehemaligen Chefbefugnissen umzugehen?
  • Dürfen die Kinder seine Rolle als Seniorchef infrage stellen, seine ursprünglichen Entscheidungen revidieren und/oder das Unternehmen völlig neu ausrichten?
  • Soll der Senior den Kindern in deren Entscheidungen hineinreden oder gar ihre Kompetenzen beschneiden?
  • Welche Auswirkungen wird dieses Spannungsverhältnis auf das soziale Miteinander in der Familie haben?

Erfolg versprechender Lösungsansatz

In derartigen Konstellationen muss man schon im Vorfeld beide Aspekte miteinander verbinden. Einerseits sind die Interessen beider Systeme zu berücksichtigen und andererseits ist die Seite des Übernehmers sowie der Belegschaft miteinzubeziehen – zumindest mit Blick auf deren Sicherheits- und Informationsbedürfnis. Einen Lösungsweg bietet hier die mediativ begleitete Unternehmensnachfolge. Mit der Unterstützung eines erfahrenen Mediators werden alle konfliktbeladenen Ebenen und Punkte wie

  • die Motive des Übergebers, 
  • die familiären Interessen oder 
  • die Belange des Übernehmers sowie der Arbeitnehmer 

unter Einbeziehung der rechtlichen und steuerlichen Aspekte behandelt. Sie werden von den Parteien des Mediationsverfahrens so bearbeitet, dass am Ende eine gemeinsam – unter Hinzuziehung der jeweiligen Fachexperten – durchdachte und wirtschaftlich sinnvolle Lösung steht, der sich alle gleichermaßen verpflichtet fühlen.

Vorteile der Mediation

Der Mediator ist in der Sache neutral. Er hat keine Meinung zu den Themen und macht in der Regel auch keine eigenen Lösungsvorschläge. Getreu dem Motto: Die gemeinsame Arbeit verpflichtet, eine gemeinsam gefundene Lösung anschließend auch einzuhalten. Denn jeder wird sich darin mit seinen eigenen Interessen wiederfinden. Es entsteht also eine Win-win-Situation, von der alle profitieren. Es gibt keine Verlierer wie bei streitigen Verfahren vor Gericht oder in den Schiedsverfahren. Eine gemeinsam erarbeitete Lösung ist für niemanden eine Blamage. Und ein Gesichtsverlust – wie bei einem verlorenen Prozess – bleibt aus.
In der Mediation werden auch die Generationskonflikte angesprochen und in der Regel dauerhaft beigelegt. Der Ehrgeiz der Eltern, bei mehreren Kindern alle vermeintlich gleich zu behandeln, ist häufig der verdeckte Konfliktherd. Diese Haltung ist gut gemeint, aber je nach Begabung, dem Einsatz im Unternehmen sowie den finanziellen Möglichkeiten ein Ding der Unmöglichkeit. Am Ende bleibt als Ultima Ratio in vielen Fällen nur der Verkauf des Unternehmens sowie die gleichmäßige Aufteilung des Erlöses auf alle Kinder. Die Mediation zeigt hier, wenn alle Erwartungen und Motive geklärt sind, neue Wege auf.

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Ein Fallbeispiel

Einem Vater mit drei Kindern gehört ein in den letzten Jahren auf 15 Mitarbeiter angewachsener Handwerksbetrieb. Zwei Kinder arbeiten nicht im väterlichen Betrieb. Ein Sohn übernahm aber schon frühzeitig die Buchführung sowie die Organisation, was im Wesentlichen zum Wachstum des Betriebs beigetragen hat. Nun soll die Nachfolge geregelt werden. Der im Betrieb arbeitende Sohn besteht auf Übergabe des Unternehmens an ihn und die Berücksichtigung mit einem größeren Anteil; schließlich habe er den Erfolg des Betriebs erst möglich gemacht. Der Vater möchte alle Kinder gleich behandeln und jedem einen genau gleichen Anteil hinterlassen. Besagter Sohn soll zwar die Firma übernehmen, aber seine Geschwister auszahlen. Die Sache eskaliert. Der Steuerberater der Firma schlägt ein Mediationsverfahren vor.

Offenlegen der Probleme

In der Mediation wird deutlich, dass die Auszahlung der Geschwister unweigerlich zum wirtschaftlichen Exitus des Unternehmens führen würde. Ein Verkauf kommt für den Vater, der den Betrieb schon von seinem Vater übernommen hat, gar nicht infrage. Eine klassische Pattsituation, in der jeder nur verlieren kann. Ein erfahrener Mediator wird das Augenmerk der Parteien darauf lenken, was hinter ihren Positionen steckt. Die Kinder, die nicht in der Firma arbeiten, fühlen sich schon immer vom Vater übergangen oder ungleich behandelt. Sie glauben, dass der im Betrieb arbeitende Sohn vom Vater bevorzugt wird. Dieser Sohn wiederum fühlt sich aufgrund des jahrelangen Einsatzes für die Firma nicht entsprechend gewürdigt; er sieht es keineswegs ein, seine Geschwister für deren vermeintliches Nichtstun auch noch mit einem erhöhten Anteil zu belohnen. Der Vater hingegen ärgert sich darüber, dass seine Absicht, alle gleich zu behandeln, nicht verstanden wird und erwägt – eigentlich entgegen seiner innersten Überzeugung –, nun doch zu verkaufen, um so den familiären Streit zu beenden.

Auflösen der Konflikte

Im Rahmen der Mediation folgt nun eine Aussprache über diese Positionen. Am Ende werden die Motive sowohl des Vaters, der nie ein Kind vorziehen wollte, als auch die aller Kinder deutlich von den anderen verstanden. Gegenseitiger Respekt und Anerkennung – auch hinsichtlich der Lebensleistung des Vaters – sind die Folge. Das macht schließlich einen Lösungsweg auf der Sachebene erst möglich. Der Betrieb soll erhalten bleiben, der Vater bekommt monatliche Bezüge, die bei seinem Tod – und erst dann – auf die Geschwister zu gleichen Teilen übergehen. So lange verzichten sie auf eigene Zuwendungen. Unternehmen und Familienfrieden sind gerettet.

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Zu den Autoren

Birgit Hülsdünker

ist Rechtsanwältin sowie Mediatorin mit Schwerpunkt Wirtschaftsmediation in Essen. Sie verfügt über mehrjährige Erfahrung im Coaching von Vorständen und Projektteams und ist als Dozentin für die Fernuniversität Hagen im Studiengang „Master of Mediation“ tätig.
www.mediation-huelsduenker.de

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Christian Lentföhr

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Arbeitsrecht; Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB und zertifizierter Berater Steuerrecht für mittelständische Unternehmen (DASV e.V.)

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