Manuelle Kassenführung - 15. Dezember 2016

Weg von der offenen Ladenkasse

Im bargeldintensiven Betrieb führen schwere formelle Fehler in der Kassenführung zu Mehrsteuern. Dies kann die Schadensersatzpflicht des steuerlichen Beraters auslösen. Diese Risiken, die durch die manuelle Kassenführung entstehen, sollten ausreichen, um auf die manuelle Kassenführung zu verzichten.

Die Einzelaufzeichnung erfasst den einzelnen Geschäftsvorfall. Sie ist der Gegensatz zur Gesamt­summe, die im Kassenbericht als ausgezählte Tageslosung erscheint. Einzelaufzeichnungen werden in der elektronischen Kasse automatisch durch die Aufzeichnung der Barerlöse und unbaren Erlöse erstellt. Fehlende Einzelaufzeichnungen indizieren eine fehler­hafte Kassen­füh­rung, wenn keine Ausnahmeregelung greift (siehe unten). Werden pflichtwidrig keine Einzel­auf­zeich­nungen geführt, so ist die Kassenführung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 158 Abgabenordnung (AO). Die Einzelaufzeichnung bei Barerlösen betrifft den Geschäftsvorfall gemäß Nr. 16 GoBD. Die Pflicht dazu ergibt sich aus § 238 Handelsgesetzbuch (HGB). Jeder bar bezahlte Geschäftsvorfall muss sofort erfasst werden. Das sind umfangreiche Daten, also keine Strichlisten (vgl. G. Achilles, Kassenführung – Bargeschäfte sicher dokumentieren, S. 33f., DATEV-Fachbuch). Kassenberichte verursachen schwerere formelle Fehler durch fehlende Einzel­auf­zeich­nungen. Bei der offenen Ladenkasse (OLK) wird nur die Tages­lo­sung ausgezählt und im Kassen­bericht notiert. Der Kassenbericht enthält keine Einzelaufzeichnungen. Die Tageslosung wird mangels Einzelaufzeichnungen im sogenannten Kassenbericht als Summe, also summarisch erfasst. Im Kassenbericht erfasst wird die Gesamtsumme der baren Einnahmen, die durch Auszählung der Barerlöse ermittelt worden ist.

Wegfall der Grundlage

Der Kassenbericht ist vor 60 Jahren durch Auslegung der GoB entstanden, indem Einzel­auf­zeich­nungen im Einzelhandel bei geringwertigen Barerlösen und einer Vielzahl von unbekannten Kunden als unzumutbar angesehen wurden (BFH vom 12.05. 1966, IV 472/60, BStBl III 1966, 371, 373). Damals waren Registrierkassen wenig verbreitet. Heute sind elektronische Kassensysteme und PC-Kassen üblich. Wegen dieser Entwicklung und der damit vollständig veränderten Situation sind die GoB heute meiner Meinung nach dahin auszulegen, dass im bargeldintensiven Betrieb Einzelaufzeichnungen zumutbar sind. Einzelaufzeichnungen waren nur unzumutbar, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine OLK erfüllt waren. Das setzte Barerlöse im Einzel­handel voraus. Außerdem mussten Waren von geringem Wert pro Geschäftsvorfall betroffen sein. Gemeint sind einstellige Centbeträge (BFH vom 07.02.2008, X B 189/07, n.v.). Diese Wertgröße als Tatbestandsmerkmal konnte der Bundesfinanzhof (BFH vom 16.12.2014, X R 42/19, BStBl II 2015, 519) ungeprüft lassen, da die Geschäftsvorfälle mit einer PC-Kasse erfasst und gespeichert worden waren. Heute sind diese Ausnahmen von der Pflicht zu Einzelaufzeichnungen im Einzelhandel bei Barerlösen mangels Waren mit derartigen Mikrowerten selten.

Pflicht zu Einzelaufzeichnungen

Der Kassenbericht ist unzulässig bei Einzelaufzeichnung.

Der buchführungspflichtige Unternehmer muss Einzelaufzeichnungen über seine Barerlöse führen. Das sind keine freiwilligen Aufzeichnungen (BFH vom 16.12.2014, X R 42/19, BStBl II 2015, 519). Es reicht daher nicht aus, nur die Gesamtsumme der Barerlöse zu erfassen.
Der nicht buchführungspflichtige Unternehmer muss die Belege für die Barerlöse aufbewahren. Es reicht nicht aus, nur die durch Kassensturz ermittelte Summe ohne Belege im Kassenbericht zu notieren (unter anderem BFH vom 13.03.2013, X B 16/1). Nötig sind chronologische Einzel­auf­zeich­nun­gen mit Belegen über die baren Erlöse. Der Kassenbericht ist unzulässig, wenn Ein­zel­auf­zeich­nungen existieren (BFH vom 16.12.2014, X R 42/19, BStBl II 2015, 519). Tatsächlich getätigte Einzelaufzeichnungen sind nie unzumutbar. Bewirtungsquittungen müssen mit der Re­gis­trier­kasse erstellt werden. Damit liegen Einzelaufzeichnungen vor. Gemäß § 22 Umsatzsteuer­gesetz (UStG) müssen bei verschiedenen Steuersätzen getrennte Aufzeichnungen geführt werden. Zwei Geschäftskassen mit jeweils einer Gesamtsumme für Erlöse zu 7 Prozent und 19 Prozent ersetzen keine Aufzeichnungen nach § 22 UStG. Mit dem sogenannten Kassengesetz wurde zum 1. Januar 2017 die Pflicht zu Einzelaufzeichnungen eingeführt (§ 146 Abs. 1 AO). Diese Rechtspflicht besteht ohnehin bereits bei elektronischer Kassenführung. Auch bei manueller Kassenführung entspricht dies meines Erachtens der geltenden Rechtslage.

Branchenzugehörigkeit

Der BFH (BFH vom 12.05.1966, IV 472/60, BStBl III 1966, S. 371, 3739) hatte Branchen aufgezählt (zum Beispiel Supermärkte, Gaststätten, Restaurants und so weiter), in denen Einzel­auf­zeich­nun­gen unzumutbar seien. Das gilt nicht mehr, weil sich die GoB sich gewandelt haben. Zudem müssen die genannten Unternehmen die Steuersätze zu 7 Prozent und 19 Prozent aufzeichnen (Eggert hat im DATEV magazin 04/16, S. 22 auf diese nötige Trennung der Entgelte hingewiesen). Schon deshalb sind Supermärkte und so weiter nicht von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit.

Zivilrechtliche Schadensersatzpflicht

Jede OLK mit Kassenberichten ist extrem fehleranfällig. Sie ist ohne Einzelaufzeichnungen fehlerhaft. Die Risiken durch die manuelle Kassenführung mit Kassenberichten sollten für kluge Berater und ihre Mandanten ausreichen, um auf die manuelle Kassenführung zu verzichten. Der steuerliche Berater muss beachten, dass seine Schadenersatzpflicht durch fehlerhafte Kassen­be­richte ausgelöst werden kann. Jede systemisch fehlerhafte Kassenführung, natürlich auch bei der Kassenführung mit einer elektronischen Registrierkasse, ist für ihn als Berater riskant, wenn er vertraglich die Einrichtung der Kassenführung übernommen hat. Ist die manuelle Kassenführung mit Kassenberichten unzulässig, so hat er die dadurch fehlenden Einzelaufzeichnungen als schweren formellen Fehler verursacht. Fehlen die Belege über Barerlöse, Einlagen, Entnahmen und Betriebsausgaben, so erfolgt die steuerliche Beratung quasi im Blindflug (vgl. BFH vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Dann entsteht meines Erachtens ein Schadensersatzanspruch des Mandanten auf Erstattung der Mehrsteuern. Diese Schadensersatzpflicht kann auch durch die Evidenzhaftung eintreten.
Bei einem Dauermandat muss der Berater auf evidente Fehler hinweisen (Hölscheidt, DATEV magazin 04/16, S. 19). Das gilt auch, wenn er nur eine sogenannte Deklarationsberatung erbringt. Wenn er die Kassenberichte des buchführungspflichtigen Schaustellers nicht beanstandet, muss er meines Erachtens zivilrechtlich die Mehrsteuern tragen. Er hat selbst (beziehungsweise durch seinen Sachbearbeiter) die Schadensursache gesetzt, indem er fehlerhaft Kassenberichte ak­zep­tiert hat, obwohl Einzelaufzeichnungen zwingend sind. Deshalb muss er die Mehrsteuern ersetzen, die durch die von ihm zu vertretenden schweren formellen Fehler entstanden sind. Er hat die Mehrsteuern verursacht, weil er die evident fehlerhafte Kassenführung nicht beanstandet hat. Das gilt meines Erachtens selbst dann, wenn im schriftlichen Beratungsvertrag vereinbart ist, dass sich seine Verantwortung nicht auf die Grundaufzeichnungen bezieht. Wegen des Dauer­man­dats muss er auf den evidenten Fehler der Kassenberichte hinweisen, wenn Einzel­auf­zeich­nun­gen zwingend sind. Das muss schriftlich erfolgen, und die Belehrung muss schriftlich zur Handakte genommen werden. Ob danach die fehlerhaften Steuererklärungen ohne Einzel­auf­zeichnungen vom Berater ohne aufklärenden Hinweis beim Finanzamt eingereicht werden dürfen, erscheint extrem zweifelhaft und ist zu verneinen.

Fazit

Jede Kassenführung mit Kassenberichten ohne Einzelaufzeichnungen ist der Weg zu schweren formellen Fehlern und Mehrsteuern.

Die Kassenführung mit Kassenberichten ohne Einzel­aufzeichnungen ist in den allermeisten Fällen der Weg zu schweren formellen Fehlern und Mehr­steuern. Kassenberichte ausschließlich mit der Gesamtsumme der ausgezählten Tageslosung verursachen nicht nur einen Imageschaden beim Steuerberater. Der Mandant wird die Mehrsteuern als durch den Beratungsfehler verursacht erkennen, weil sein Berater nicht auf Einzelaufzeichnungen mit Belegen bestanden hat. Jede Kassenführung mit Kassenberichten ist wegen der fehlenden Einzelaufzeichnungen mit einem schweren formellen Fehler belastet und damit fehlerhaft. Bei bargeldintensiven Betrieben ist deshalb nur die elek­tro­nische Kassenführung praktikabel. Sie erstellt automatisch mit jeder Registrierung die Einzel­auf­zeich­nung und speichert sie für die Auslesung.

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Zum Autor

HP
Hermann Pump

Ehemaliger Richter am Finanzgericht Münster und Lehrbeauftragter für steuerliches Verfahrensrecht an der Universität Osnabrück; freier Mitarbeiter eines Steuerberaters; Interessenschwerpunkte sind die Kassenführung und die Umsatzsteuer; behandelt diese Themen in Vorträgen und Aufsätzen

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