Die reformierte Bedarfsplanungsrichtlinie will das Ungleichgewicht im Versorgungsangebot ausgleichen. Betroffen sind alle Arztgruppen vom Hausarzt bis zum hoch spezialisierten Humangenetiker.
Je spezialisierter die ärztliche Leistung, desto größer ist deren Planungsbereich.
Zur bedarfsgerechten Versorgung der gesetzlich Versicherten und mit dem Ziel, den Anstieg der Arztzahlen in überversorgten Gebieten zu verhindern, hat der Gesetzgeber im Jahr 1993 die Bedarfsplanung eingeführt. Drohte vor 20 Jahren noch eine Ärzteschwemme in Deutschland, fehlen nun in ländlichen Gebieten die Hausärzte. Bei den Fachärzten haben wir dagegen größtenteils eine Überversorgung. Zum 1. Januar 2013 ist die sogenannte Bedarfsplanungsrichtlinie mit dem Ziel reformiert worden, die hausärztliche Versorgung möglichst lokal darzustellen. Je spezialisierter die ärztliche Leistung (beispielsweise Radiologie oder Strahlentherapie) ist, desto größer ist der regionale Planungsbereich für diese Arztgruppe.
Ärztegruppen
In die neue Bedarfsplanung werden nun die hausärztliche Versorgung, die fachärztliche Versorgung und bisher nicht geplante Arztgruppen einbezogen. Die Basis für Bedarfsplanung ist der Versorgungsbedarf der Bevölkerung sowie der Einzugsbereich der jeweiligen Arztgruppen.
Die Arztgruppe der hausärztlichen Versorgung umfasst in erster Linie Hausärzte sowie Fachärzte für Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte sowie Ärzte ohne Gebietsbezeichnung. Die Verhältniszahl beträgt einheitlich 1:1.671, also ein Hausarzt auf 1.671 Einwohner. Zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung gehören Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten, Urologen und Kinderärzte. Der Planungsbereich umfasst die kreisfreie Stadt, den Landkreis oder die Kreisregion.
Zur spezialisierten fachärztlichen Versorgung gehören Anästhesisten, Radiologen, Fachinternisten sowie Kinder- und Jugendpsychiater. Der Planungsbereich ist die Raumordnungsregion. So sollen beispielsweise ein Anästhesist auf 46.917 Einwohner und ein Kinder- und Jugendpsychiater auf 16.909 Einwohner kommen. Der Ebene der gesonderten fachärztlichen Versorgung gehören Arztgruppen an, die bislang nicht beplant waren, beispielsweise die Humangenetiker und die Transfusionsmediziner. Damit unterliegen nun alle Arztgruppen ausnahmslos der Bedarfsplanung. Schon jetzt lassen sich aus den unterschiedlichen gesetzlichen Neuerungen erste Konsequenzen erkennen.
Entwicklung der Praxiswerte
Die Praxiswerte werden sich zukünftig sehr heterogen entwickeln. Spätestens jetzt sollte jeder Arzt seine individuelle Strategie zur Sicherung und Steigerung seines Praxiswertes festlegen und fortschreiben. Auch wenn die einzelnen regionalen Änderungen heute noch nicht im Detail feststehen, Passivität wird auf jeden Fall bestraft werden. Der Druck auf die innerstädtischen fachärztlichen Praxen wird dabei besonders groß sein, da die Praxisübergabe durch den neuen § 103 Abs.3a Sozialgesetzbuch V (SGB V) nicht gewährleistet ist. Das wird an dieser Stelle zu sinkenden Praxiswerten führen.
Erschwerte Sitzverlegung
Insbesondere die Sitzverlegung hausärztlicher Vertragsarztsitze wird deutlich erschwert. Durch die kleinteiligere Planung in sogenannte Mittelbereiche ist der Aktionsradius deutlich eingeschränkt. Das gilt unverständlicherweise nicht für die Großstädte. Aber auch hier gilt eine mittelfristige Veränderung als wahrscheinlich.
Zusätzliche Vertragsarztsitze
Durch die kleinräumigere Bedarfsplanung bei den Hausärzten könnten in einigen Stadtgebieten neue Vertragsarztsitze entstehen. Expansionsfreudige Hausarztgemeinschaften sollten diese Möglichkeiten zum Ausbau der regionalen Marktbeherrschung nutzen. Dies wird den Trend verstärken, dass hausärztliche Praxen insgesamt größer werden.
Politische Einflussnahme
Erstmalig erhält die Politik in den neu zu bildenden Landesgremien die Möglichkeit, auf die regionale Bedarfsplanung Einfluss zu nehmen. Diese Einflussnahme sollte auch von Beraterseite genutzt werden, um vorhandene Lücken in der Versorgung zu ermitteln und durch eine sinnvolle Neuvergabe von Vertragsarztsitzen zu schließen. Insbesondere größere Verbünde können so indirekt ihren Einfluss geltend machen.
Preisfindung
Was kostet zukünftig beispielsweise ein strahlentherapeutischer Sitz? Diese Frage stellt sich auch für alle anderen bisher freien Arztgruppen. Eine exakte Preisfindung wird sicherlich eine Zeit dauern. Einige gut informierte Kanzleien haben für ihre Mandanten rechtzeitig vor dem Moratorium noch Vertragsarztsitze auf Vorrat gesichert. Demzufolge dürfte auch ein dementsprechendes Angebot auf dem Markt vorliegen.
Gestaltungsmöglichkeiten zur Nachbesetzung
Nicht nur Autos, sondern auch Praxen können jetzt stillgelegt werden. Der Zulassungsausschuss kann zukünftig die Übertragung eines Vertragsarztsitzes ablehnen, wenn aus Versorgungsgründen dieser nicht mehr erforderlich ist. Der abgebende Arzt muss zwar abgefunden werden, fraglich sind jedoch die Höhe der Abfindung und die Abwicklung der Dauerschuldverhältnisse. Dieses Szenario ist bisher noch nicht eingetreten. Der erste Fall wird von allen Seiten mit Spannung erwartet.
Infografik: Einwohner pro Hausarzt
Auf einen Hausarzt sollen 1.671 Einwohner kommen
Infografik: Arztdichte in Deutschland
Arztdichte in Deutschland zum 31.12.2012 (Einwohner je berufstätigen Arzt)
Infografik: Anteil der jüngeren Ärzte
Anteil der unter 35-jährigen Ärzte an allen berufstätigen Ärzten
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Kompaktwissen Gesundheitswesen „Neue Bedarfsplanung in der vertragsärztlichen Versorgung“, ca. 70 Seiten, Print (Art.-Nr. 36771), E-Book (Art.-Nr. 19220)