Digitaler Belegfluss - 27. Februar 2020

Workflow ohne Medienbruch

von Sven Ott

Um die Prozesse bei den Mandanten zu optimieren, sollte man Kooperationen mit anderen Beratern und/oder System-Partnern eingehen. Denn als Einzelkämpfer steht man bei der digitalen Transformation auf verlorenem Posten.

Das Thema Digitalisierung und Prozessoptimierung sowie das Schlagwort „digitale Transformation“ sind in den Unternehmen derzeit allgegenwärtig. Die Auswirkungen auf Strategien, Geschäftsmodelle und Prozesse sind in den Unternehmen so umfassend, dass diese zu grundlegenden Veränderungen führen. Um diese Auswirkungen nutzen zu können, müssen die Unternehmer ihre Prozesse im Betrieb hinterfragen, und es muss der Wille vorhanden sein, diese Vorgänge zu verstehen und sie zu verändern. Die Unternehmen müssen sich in vielen Fällen digital neu aufstellen. Diese notwendigen tief greifenden Veränderungen sind in vielen Firmen noch nicht angekommen. Auch sind viele Unternehmer mit den Angeboten für die Umsetzung am Markt schlichtweg überfordert. Ein weiterer Hinderungsgrund für die Unternehmen sind die für den unternehmerischen Verwandlungsprozess zu erwartenden hohen Investitionen. Es entstehen hier Kosten für Soft- und Hardware sowie die Schulung der Mitarbeiter, die oft gescheut werden, obwohl es Möglichkeiten öffentlicher Förderungen gibt.

Netzwerke bilden

Für uns als Steuerberater sind die Veränderungen in der kaufmännischen Organisation der Unternehmer am besten zu greifen. Diese Veränderungen können durch den steuerlichen Berater nur auf der Basis einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Mandanten erarbeitet werden. Um sich diesen neuen Aufgaben stellen zu können, müssen auch wir als Steuerberater unsere Tätigkeiten und Ansätze in der Zusammenarbeit mit den Unternehmern sowie die Möglichkeit von Kooperationen beziehungsweise die Bildung von Netzwerken überdenken.

Vorteile von Kooperationen

Ich bin davon überzeugt, dass es nur im Rahmen von Kooperationen möglich ist, die Unternehmer bei der Digitalisierung des Belegflusses zu beraten, sie bei der Optimierung der IT-Infrastruktur zu begleiten und bei der Einführung der für das ­Unternehmen passenden Software zu unterstützen. Verfolgt man diesen Ansatz, ist es möglich, den Mandanten schneller, effizienter und wettbewerbsfähiger zu machen. Der digitale Belegfluss ist nicht nur für größere Unternehmen relevant. Im Gegenteil: Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen besteht großes Potenzial, die Prozesse zu optimieren beziehungsweise alte Zöpfe abzuschneiden und neue Workflows einzuführen. Die Zeit zur Veränderung drängt. Gleichwohl aber wäre es meines Erachtens ein Fehler, alle Prozesse auf einmal zu ändern. Jedenfalls aber ermöglicht es die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern, bei den Mandanten die Prozesse zu optimieren.

Fachgruppe digitaler Belegfluss

So wurde dann bei einem Gespräch mit einem IT-Haus in Freiburg aus einem Impuls heraus die Fachgruppe digitaler Belegfluss gegründet. Allerdings wollten wir die Kooperation beziehungsweise das Netzwerk nicht nur auf die Zusammenarbeit mit einem IT-Haus beschränken. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, auch weitere Steuerberatungskanzleien in die Fachgruppe miteinzubeziehen. Denn wir waren der Meinung, dass wir durch einen gemeinsamen Auftritt und einen gemeinsamen Austausch unser Know-how in diesem Bereich bündeln könnten. Dabei mussten wir aber die Erfahrung machen, dass es auch heute noch teilweise sehr schwer ist,  Kooperationen mit anderen Steuerberatungskanzleien einzugehen. Nach längerer Suche aber gelang es, ein Netzwerk von vier gleich ausgerichteten Steuerkanzleien sowie einem  DATEV-System- und Lösungspartner aufzubauen. Durch diesen Zusammenschluss ist es nun möglich, für unsere Mandanten ein Beratungsportfolio von Druckerdienstleistungen über Managed Printing Services bis hin zur Gestaltung individuell passender digitaler Workflows abzubilden.

Erster Schritt: Ist-Aufnahme

Damit der Unternehmer ein bestimmtes Ergebnis erreichen kann, muss er zunächst wissen, wo er steht. Aus diesem Grund haben wir in der Kanzlei eine Ist-Aufnahme der Prozesse bei den Mandanten in unser Beratungspaket aufgenommen. Am besten kann man eine solche Ist-Aufnahme in Bereichen mit vielen Vorgängen, wie etwa der Buchhaltung, darstellen. Durch verschiedene Studien wurde nachgewiesen, dass hier mehr Zeit bei der Suche nach Dokumenten verloren geht als in anderen Unternehmensbereichen. Das verschlechtert die Produktivität und führt bei den Angestellten zu Verstimmungen. Zum Teil müssen Unternehmen sogar Gesetzeskonflikte fürchten, weil Daten nicht oder nur mangelhaft auffindbar sind. Der Rechnungseingangsprozess im Unternehmen ist hier ein gutes ­Beispiel, da dieser Workflow in jedem ­Unternehmen vorkommt und in der Regel mehrere Personen mit einem Dokument ­beschäftigt sind. So kommt eine Rechnung – ob digital oder analog – ins Unternehmen, wandert vom Empfang in die Buchhaltung, wo sie geprüft und erfasst wird. Die Buchhaltung schickt die Rechnung dann zur sachlichen Prüfung in die Fachabteilung, wo sie dann freigegeben wird. Das ­Dokument kommt also zurück in die Buchhaltung, wo im Idealfall die Buchung ­vorgenommen wird. Von hier wandert die Rechnung dann ins Archiv und wird bei einer Steuerprüfung erneut hervorgeholt. Im Rahmen unserer Befragungen und Analysen der Prozesse haben wir festgestellt, dass ein einzelner Beleg in der Regel mindestens acht Mal in die Hand genommen wird und dass von dem Beleg in vielen Fällen noch unzählige Kopien im Unternehmen erstellt werden. Dieser Prozess ist nur ein Beispiel dafür, wie ein digitaler Belegfluss helfen kann, die Abläufe im Unternehmen zu beschleunigen und die Effektivität zu ­steigern.

Zum Teil müssen Unternehmen sogar Gesetzeskonflikte fürchten, weil Daten nicht oder nur mangelhaft auffindbar sind.

Exkurs: Alleine geht es nicht

Nach Einführung der Ist-Aufnahme hatte allerdings die Analyse unserer eigenen Prozesse in der Kanzlei sehr schnell ­ergeben, dass wir die Mandanten mit Blick auf die oben skizzierten Anforderungen an neue Technologien nicht allein unterstützen können. Nicht zuletzt deshalb machten wir uns schon sehr früh intensive Gedanken über neue Kooperationsmöglichkeiten.

Zweiter Schritt: Prozesse visualisieren

Im Rahmen unserer Tätigkeit erfassen wir nun gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern im Unternehmen alle projektrelevanten Unterstützungsprozesse. Dabei geht es nicht nur um die einzelnen Arbeitsschritte, sondern auch um damit verknüpfte Dokumente und Daten und die damit verbundenen IT-Systeme und -Tools. Die Ergebnisse der Befragungen und der Beobachtungen werden danach durch uns visualisiert. Diese visualisierten Prozesse werden mit den Unternehmern sowie den am Prozess beteiligten Mitarbeitern ­besprochen. Wir stellen dann in einem Termin einen visualisierten Vorschlag zur Verbesserung der Prozesse im Unternehmen vor, und es wird gemeinsam versucht, eine optimale Lösung für das Unternehmen zu finden. Wir begleiten unseren Mandaten dabei auf dem Weg zum Projektziel sowohl ­organisatorisch als auch bei der Kommunikation.

Dritter Schritt: digitale Prozesse

Vor unserem Zusammenschluss zur Fachgruppe ergab die Analyse in den Unternehmen häufig, dass im Betrieb unterschiedliche Software-Berater mit unterschiedlichen Ansätzen arbeiteten. Das war das Hauptproblem. Aufgrund andersgearteter Herangehensweisen, vor allem aber nicht abgestimmter Ergebnisse kam es in den Unternehmen sehr oft zu Effizienzverlusten. Und fast zwangsläufig führten unterschiedliche Software-Lösungen in den Betrieben zu nicht mehr zu vermeidenden Medienbrüchen. Daher verfolgen wir jetzt nicht nur den Ansatz, Prozesse zu optimieren, sondern in den Unternehmen einen vollständig digitalen Belegfluss zu implementieren. Ziel ist ein Workflow, der vom Belegeingang bis zur Übertragung zum Beispiel der Jahresabschlussinformationen an die Kreditinstitute ausschließlich digital erfolgt.

Vierter Schritt: Infrastruktur optimieren

In Richtung der digitalen Transformation verfügen die meisten Unternehmen mit Blick auf Soft- und Hardware bereits über gute Voraussetzungen. Es muss also nicht zwingend sehr viel Geld investiert werden. Ziel unserer gemeinsamen Beratung der Mandanten ist es, aus den vorhandenen Mitteln das maximal mögliche Optimierungspotenzial herauszuholen. Dabei sind für viele spürbare Verbesserungen häufig nur kleine technische Anpassungen erforderlich. Sollte die vorhandene Infrastruktur aber doch nicht den Anforderungen genügen, suchen wir mit den Partnern der Fachgruppe nach Lösungen für den Mandanten, um etwa den Software-Einsatz zu ­optimieren.

Workshops und Fachkongress

Der Zusammenschluss der Steuerkanzleien dient auch dazu, für die Unternehmen Workshops im Bereich der digitalen Prozesse im Rechnungswesen in der Praxis anzubieten. Hier stehen die Mitglieder der Fachgruppe den Unternehmern zu den Themen Scannen, Zahlungsverkehr, Archivierung, Kassenführung und Controlling unter anderem mit DATEV Unternehmen-Online zur Verfügung. Mitarbeiter sind der Garant für den unternehmerischen Erfolg – wenn sie motiviert sind und mit dem Unternehmer an einem Strang ziehen. Das bedeutet auch, dass sie die IT-Systeme sowie die Hard- und Software-Anwendungen akzeptieren und auch gerne nutzen. Deswegen bieten die Mitglieder der Fachgruppe gemeinsame Workshops für bestimmte digitale Prozesse an, um hier ein besseres Verständnis sowie einen effizienten Einsatz zu ermöglichen. Auch legen wir bei den Workshops für unsere Mandanten großen Wert darauf, dass es hier zu einem regen Austausch zwischen den Unternehmern und deren Mitarbeitern kommt.

Schließlich bieten wir mit der Fachgruppe digitaler Belegfluss auch einmal im Jahr einen Fachkongress Belege an, bei dem wir versuchen, den Unternehmern die Berührungsängste mit der Digitalen Transformation zu nehmen.

Fazit

Mit der Fachgruppe digitaler Belegfluss können wir unseren Mandanten einen einheitlichen Ansatz bieten, um deren Prozesse zu optimieren. Aber nicht nur die Vereinheitlichung der Prozesse ist von Vorteil für die Unternehmer. Durch unsere verschiedenen Netzwerkpartner können wir die Mandanten auch bei der Optimierung ihrer Infrastruktur beraten. Gerade hier ist der intensive Austausch der im Netzwerk beteiligten Partner nicht zu unterschätzen. Nicht zuletzt aber liegt das besondere Augenmerk der teilnehmenden Kanzleien und Mitglieder der Fachgruppe auf dem digitalen Belegfluss – dem rechtssicheren digitalen Austausch von Rechnungs- daten, Buchungssätzen und weiteren buchhalterischen Dokumenten. 

Zum Autor

SO
Sven Ott

Steuerberater, Certified Rating Analyst in der Kanzlei RUFundSCHLENKER in Emmendingen sowie Mitbegründer der Fachgruppe Digitaler Belegfluss.

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