DAC6-Compliance - 20. Dezember 2019

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Aufgrund des Umfangs, der Komplexität und um möglichen Geldbußen zu entgehen, sollten die Unternehmen einen entsprechenden Prozess aufsetzen. Nur so werden sie zu Beginn der Meldepflicht gewappnet sein.

Die Richtlinie 2018/822/EU zur sechsten Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (kurz: DAC6) ist am 25. Juni 2018 in Kraft getreten und muss vom nationalen Gesetzgeber bis 31. Dezember 2019 umgesetzt werden. Fast acht Monate lang zirkulierte hierzu ein inoffizieller Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Januar 2019. Nachdem am 1. September 2019 der offizielle Referentenentwurf des BMF veröffentlicht wurde, folgte zeitnah am 9. Oktober 2019 der vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf. Er basiert im Wesentlichen auf der DAC6-Richtlinie. Eine Pflicht zur Anzeige von rein innerstaatlichen Steuergestaltungen ist im Regierungsentwurf nicht enthalten. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese in einem separaten Gesetzgebungsverfahren wieder aufgegriffen wird.

Umfassende sachliche Meldepflicht

Um eine Meldepflicht auszulösen, muss eine Steuergestaltung verschiedene Kriterien erfüllen. Zunächst muss eine grenzüberschreitende Steuergestaltung im Sinne des § 138d Abs. 2 Abgabenordnung-Entwurf (AO-E) vorliegen. Nach der Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf ist eine Steuergestaltung ein Schaffensprozess, bei dem durch den Nutzer oder für den Nutzer eine bestimmte Struktur/Situation beziehungsweise ein bestimmter Prozess aktiv herbeigeführt oder verändert wird und die Struktur/Situation beziehungsweise der Prozess dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung bekommt, die ansonsten nicht eintreten würde. Werden lediglich gesetzliche Fristen oder Zeiträume abgewartet, etwa die Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), liegt ausweislich der Gesetzesbegründung keine Steuergestaltung vor. Eine weitere Voraussetzung ist, dass eine vom EU-Amtshilfegesetz umfasste Steuerart betroffen ist (vgl. § 138d Abs. 2 Nr. 1 AO-E). Dies sind nahezu alle von den EU-Mitgliedstaaten erhobenen Steuern. Die Umsatzsteuer, Zölle und bestimmte Verbrauchsteuern sind jedoch ausgenommen. Weiterhin muss die Steuergestaltung grenzüberschreitend sein. Hierfür ist grundsätzlich Voraussetzung, dass die Beteiligten in verschiedenen Steuerjurisdiktionen ansässig sind. Erweiternd wird dann auf eine Doppelansässigkeit, Betriebsstätten und abschließend auf eine bloße grenzüberschreitende Tätigkeit abgestellt. Abschließend ist es erforderlich, dass durch die Steuergestaltung mindestens eines der Kennzeichen – sogenannte Hallmarks – erfüllt wird. Es wird zwischen den folgenden Kennzeichen unterschieden:

  • Kennzeichen, die zusätzlich den Main-Benefit-Test voraussetzen
  • Kennzeichen, die bereits für sich allein eine Meldepflicht begründen

Main-Benefit-Test

Der Main-Benefit-Test ist erfüllt, wenn durch die Steuergestaltung ein Steuervorteil erzielt wird und dieser der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung ist. Der steuerliche Vorteil kann auch außerhalb Deutschlands entstehen. Insbesondere, wenn auf das Nichtvorliegen des Main-Benefit-Tests abgestellt wird, sollte eine entsprechende Begründung beziehungsweise Dokumentation vorliegen, um auf mögliche Rückfragen der Finanzverwaltung vorbereitet zu sein.

Hallmarks

Damit bleibt festzuhalten, dass sowohl die DAC6-Richtlinie als auch die nationale Umsetzung bezüglich der Beurteilung, welche Sachverhalte meldepflichtig sind, weit über das hinausgehen, was geläufig als Steuergestaltung verstanden wird. Die einzelnen Kennzeichen sind so umfassend, dass auch Geschäftsvorfälle unter die Meldepflicht fallen können, die nur eingeschränkt als Steuergestaltung empfunden werden. Beispiele sind standardisierte Darlehens- oder Lizenzverträge innerhalb eines Konzerns oder die Einlage von Forderungen in eine Tochtergesellschaft. Zahlungen in Präferenzregime – selbst wenn diese OECD-konform sind – fallen ebenso unter die Hallmarks wie Zahlungen, die beim Empfänger steuerbefreit sind, sei es aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), EU-Richtlinien oder allein aufgrund der Verrechnung mit Verlustvorträgen. Offen ist, wie in der Praxis solche Transaktionen umfassend ermittelt werden können, ganz abgesehen davon, welchen Informationsgehalt diese Meldungen für die Finanzverwaltung haben.

Auswirkungen auf Unternehmen

Zunächst liegt die primäre Anzeigepflicht beim Intermediär, also bei demjenigen, der eine grenzüberschreitende Steuergestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder die Umsetzung verwaltet. Eine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen ist nicht vorgesehen. Offen ist, ob die Konzernsteuerabteilung als Intermediär einzuordnen ist, wenn diese Steuergestaltungen für ein anderes Konzernunternehmen konzipiert werden oder dieses auch bei der Umsetzung unterstützt. Nach der Gesetzesbegründung sollte unseres Erachtens die Definition des Intermediärs die Konzernsteuerabteilung nicht umfassen; eine klare Aussage hierzu findet sich aber – soweit ersichtlich – weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung. Ist ein Intermediär – also möglicherweise auch die Konzernsteuerabteilung – an der Gestaltung beteiligt, hat dieser nahezu alle Informationen zur grenzüberschreitenden Gestaltung – allerdings auf anonymer Basis – an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu melden. Der Umfang der zu meldenden Informationen wurde dabei sehr weit gefasst und umfasst neben einer Beschreibung der Gestaltung und den betroffenen Hallmarks auch die im Ausland betroffenen steuerlichen Regelungen sowie den Wert der Gestaltung.

Die Meldepflicht geht weit über das hinaus, was unter aggressiver Steuergestaltung verstanden wird.

Registrier- und Offenlegungsnummer

Nach der Meldung erhält der Intermediär vom BZSt neben der Registriernummer (ArrangementID), die zur Identifikation einer spezifischen Gestaltung dienen soll, zusätzlich noch eine Offenlegungsnummer („DisclosureID“). Letztere soll ermöglichen, die Meldung des Intermediärs und die Meldung des Nutzers zusammenzuführen. Der Nutzer – also das individuelle Unternehmen – ist bezüglich der zusätzlichen persönlichen Angaben (Angaben zum Nutzer, Beteiligte der Gestaltung oder von der Gestaltung betroffene Personen) zur Meldung verpflichtet, sobald ihm vom Intermediär die Registriernummer und die Offenlegungsnummer. beziehungsweise bei Verwirklichung der Steuergestaltung in einem anderen EU-Mitgliedstaat das entsprechende Pendant mitgeteilt wurde. Die Angaben müssen in der Steuererklärung des Nutzers, in der sich der steuerliche Vorteil der Steuergestaltung auswirkt, enthalten sein. Ohne Einbeziehung eines Intermediärs ist weiterhin der Nutzer zur Meldung verpflichtet. Ist der Intermediär durch den Nutzer von der Verschwiegenheitspflicht – sofern diese besteht – entbunden worden, ist der Intermediär zu einer vollumfänglichen Meldung verpflichtet. Zu den technischen Voraussetzungen der Übermittlung von Anzeigen wird das BZSt eine separate Anhörung der Verbände durchführen. Darin werden Fragen hinsichtlich der Dateiformate, Datenschnittstellen und ähnliche Fragen geklärt.

Enger zeitlicher Rahmen für die Meldung

Meldepflichtige Gestaltungen, deren erster Schritt nach dem 1. Juni 2020 umgesetzt wurde, sind innerhalb einer 30-Tage-Frist zu melden. Für meldepflichtige Gestaltungen, deren erster Schritt im Rückwirkungszeitraum – also nach dem 1. Juni 2018 bis einschließlich 30. Juni 2020 – verwirklicht wurde, hat die Meldung bis zum 31. August 2020 zu erfolgen.

Sanktionen bei Verstößen

Verstöße gegen die Meldepflicht – also ein Unterlassen der Meldung, die nicht rechtzeitige Meldung, eine unvollständige Meldung beziehungsweise die fehlende Angabe von Registrierungs- und Offenlegungsnummer in der Steuererklärung – werden grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit nach § 379 AO mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet. Die Geldbuße gilt für jeden einzelnen Verstoß. Bei einer Vielzahl an meldepflichtigen Sachverhalten können daher beträchtliche Summen entstehen, wenn die Voraussetzungen – sachlicher und persönlicher Art – nicht präzise und umfassend geprüft werden. Verstöße bei Gestaltungen im Rückwirkungszeitraum sind nicht mit Sanktionen belegt.

Aktueller Stand in Europa

Bis jetzt haben Litauen, Österreich, Polen, die Slowakei, Slowenien und Ungarn die DAC6-Richtlinie in nationales Gesetz implementiert. Für weitere EU-Länder liegt jeweils ein Gesetzentwurf vor. In einigen Ländern wurde der Anwendungsbereich in der nationalen Gesetzgebung im Vergleich zur EU-Richtlinie stark erweitert. So unterliegen etwa in Polen und Schweden auch rein nationale Steuergestaltungen der Anzeigepflicht. Polen und Portugal beziehen weitere Steuerarten, wie zum Beispiel die Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern, in die Anzeigepflicht mit ein. Auch die Höhe der Sanktionen variiert je nach Mitgliedstaat und kann wie etwa in Polen bis zu etwa fünf Millionen Euro betragen.

Wie können sich Unternehmen vorbereiten?

Um den Anforderungen durch DAC6 gerecht zu werden, sollten die Unternehmen ein umfassendes Compliance-Projekt anstoßen. In Abhängigkeit der vorhandenen personellen Ressourcen und der Expertise kann das DAC6-Compliance- Projekt intern oder mithilfe eines externen Beraters durchgeführt werden. Es sollte die drei Schritte

  1. Betroffenheitsanalyse
  2. Entwicklung eines DAC6-Prozesses und
  3. Implementierung dieses Prozesses

beinhalten. In den Schritten zwei und drei empfiehlt es sich, auf der Basis der Ergebnisse der Betroffenheitsanalyse eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Prozess durch ein entsprechend angepasstes IT-Tool unterstützt werden soll. Zu Beginn werden in einer Betroffenheitsanalyse die relevanten Transaktionen und Geschäftsvorfälle mit den jeweils zutreffenden Kennzeichen (Hallmarks) in den Konzernunternehmen identifiziert. Die Basis kann eine Erstindikation, etwa auf der Grundlage der Verrechnungspreisdokumentation oder von Vorstandsvorlagen sein. Dabei bietet sich eine Zweiteilung des Vorgehens an. In Ländern beziehungsweise Unternehmen mit einem niedrigeren DAC6-Risikoprofil können Fragebögen zur Anwendung kommen. Sind die Unternehmen hingegen stark betroffen oder befinden sich die Unternehmen in Ländern mit hohen Sanktionen respektive mit komplexen Kennzeichen, empfiehlt sich die Durchführung von Workshops. In der Phase der Prozessentwicklung sollte ein maßgeschneiderter DAC6-Prozess entwickelt werden, welcher hinsichtlich der im Rahmen der Betroffenheitsanalyse identifizierten Transaktionen, der Anzahl der vorzunehmenden Meldungen, der betroffenen Abteilungen sowie der Anzahl der betroffenen Konzernunternehmen für das Unternehmen maßgeschneidert ist. Wenn der Prozess implementiert ist, stellt er sicher, dass ein relevantes Ereignis eine DAC6-Analyse im Unternehmen auslöst. Mit einer für das Unternehmen passenden IT-Lösung kann der DAC6- Compliance-Prozess effizient unterstützt werden. In Abhängigkeit der Konzerngröße sowie des Umfangs der Betroffenheit empfiehlt es sich dabei, differenzierte Tools einzusetzen. Sind nur wenige Unternehmenseinheiten – beispielsweise weniger als 25 – von der Anzeigepflicht betroffen und sind die DAC6-Sachverhalte eher einfacher zu beurteilen, kann ein Excel-Tool mit integriertem Fragebogen sowie eine jeweils individuelle Meldung an das BZSt die passende Lösung sein. Betrifft die Anzeigepflicht jedoch eine Vielzahl von Unternehmen mit komplexen DAC6-Sachverhalten, ist ein umfassendes IT-Tool anzuraten. Weitere Anforderungen, die an das Tool gestellt werden sollten, betreffen einfache unternehmensspezifische Anpassungen, die Unterstützung des Bearbeiters durch Hilfstexte oder die Möglichkeit der direkten Meldung an das BZSt. Möchte sich das Unternehmen nicht mit der Meldepflicht befassen, bietet es sich zudem an, Möglichkeiten zu suchen, um den gesamten DAC6-Compliance-Prozess an einen externen Berater auszulagern. Der Berater sollte dann alle notwendigen Schritte von der Analyse bis hin zur Meldung vornehmen. Die Implementierung eines DAC6-Compliance-Prozesses muss jetzt zügig angegangen werden.

Fazit

Mit der grenzüberschreitenden Meldepflicht werden an die Unternehmen umfassende zusätzliche Compliance-Anforderungen gestellt, da sowohl Standardsachverhalte, wie zum Beispiel einheitliche Darlehensverträge, als auch komplexe und auslegungsbedürftige Sachverhalte zu einer Meldepflicht führen können. Die umfassende Prüfung, ob meldepflichtige Sachverhalte im Unternehmen vorliegen, kann daher zu einer Ressourcenfrage werden und sollte durch einen möglichst IT-gestützten Prozess begleitet werden.

Zu den Autoren

GR
Dr. Gabriele Rautenstrauch

Steuerberaterin und Director, WTS Group AG Steuerberatungsgesellschaft in München

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JG
Dr. Johannes Günther

WTS München

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