Aktuelle Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung - 28. Mai 2014

Ordnungsgemäße Buchführung

Mit einem Entwurf zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff versucht die Verwaltung, die alten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Speicherbuchführungen den neuesten Erfordernissen und technischen Neuerungen anzupassen.

Die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) wurden von dem Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV e. V.) im Kalenderjahr 1995 veröffentlicht und von der Finanzverwaltung mit einem BMF-Schreiben übernommen. Dass hier eine Anpassung und eine Modernisierung notwendig sind, darf als unstreitig angesehen werden. Seitens des AWV e. V. wurde 2012 ein Entwurf der GoBIT (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-Einsatz) vorgelegt. Geplant war eine mit der Finanz­ver­waltung abgestimmte Veröffentlichung. Seit Herbst letzten Jahres liegt nun ein eigener Entwurf der Finanz­ver­waltung vor, die „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“. Dieser Entwurf wurde sofort nach Veröf­fent­lichung von den Betroffenen heftig kritisiert. Bei Redaktionsschluss (06.05.2014) war der Ab­stim­mungs­prozess noch nicht abgeschlossen und das BMF-Schrei­ben noch nicht veröffentlicht, es kann aber davon ausgegangen werden, dass einige Punkte auf jeden Fall in dem offiziellen Schreiben enthalten sein werden.

Entwurf der Finanzverwaltung

Der Entwurf der Finanz­ver­waltung ist stark von deren Erfahrungen mit der digitalen Betriebsprüfung geprägt. Dies zeigt sich darin, dass eine Vielzahl von Detailregelungen Eingang in ein Schreiben zur ordnungsmäßigen Buchführung gefunden hat. So wird zum Beispiel bei der Führung von elek­tro­nischen Kassen, Waagen und Taxametern ausdrücklich auf das BMF-Schreiben vom 26. Oktober 2010 verwiesen. Betroffen von der geplanten Neuregelung sind nicht nur die Buchführungspflichtigen nach §§ 140 und 141 Abgabenordnung (AO) und jene, die freiwillig Bücher (im engeren Sinn) führen, sondern in vielen Fällen auch Kleinunternehmer und Freiberufler. Nach Meinung der Finanz­ver­waltung müssen auch diese nur Aufzeichnungspflichtigen die allgemeinen Anforderungen der formellen GoB berücksichtigen. Des Weiteren wird – in konsequenter Fortführung des Kassenerlasses – festgestellt, dass die Grundsätze auch für alle Vor- und Nebensysteme gelten, deren Daten für die Besteuerung von Bedeutung sein können. Diese analoge Übertragung der GoBD-Normen unter anderem auf die Einnahmenüberschussrechner gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) führt zur Frage, wann und wie die im IT-System erfassten Aufzeichnungen der Unveränderbarkeit unterliegen. Es werden verschärfende Anforderungen an die Folgen der Erfassung gestellt, die sich unmittelbar auch auf die erfassten Aufzeichnungen eines Einnahmenüberschussrechners auswirken. Sofern die Finanzverwaltung hier definitorisch nicht nachbessert, wird bei Buchungen und Aufzeichnungen der Erfassungszeitpunkt eine erheblich größere Bedeutung erlangen. Zudem dürften Einnahmenüberschussrechnungen in Word oder Excel kaum noch möglich sein, weil diese Formate grundsätzlich nachträgliche und nicht protokollierte Änderungen erlauben.

Verfahrensdokumentation

Bereits in ihren „Fragen und Antworten zum Datenzugriffsrecht der Finanz­ver­waltung“ hatte die Verwaltung eine umfassende Ver­fahrens­doku­men­tation und deren Vorlage im Rahmen der Betriebsprüfung gefordert. Nach dem GoBD-Entwurf liegt nun ein formeller Mangel von Gewicht vor, wenn wegen fehlender Ver­fahrens­doku­men­tation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchführung beeinträchtigt ist. Dies kann dazu führen, dass die Buchführung verworfen wird. Die Dokumentation muss den gesamten Prozess der Erstellung der ordnungsmäßigen Buchführung beschreiben und darf sich nicht nur auf die technische Seite beschränken. Sie besteht somit immer aus einer Anwender- und einer technischen Systemdokumentation und muss daher gemeinsam mit dem Mandanten besprochen und aufgestellt werden. Es reicht nicht aus, sich auf die Wiedergabe der Programmbeschreibung des Herstellers der eingesetzten Programme zu beschränken. Selbstverständlich muss ihre Einhaltung im laufenden Prozess geprüft, dokumentiert und im Zeitablauf gegebenenfalls angepasst werden. Die verschiedenen Revisionsstände der Dokumen­tation sind aufzubewahren. Auch wenn in dieser Anforderung gerade für kleine und mittlere Unternehmen zunächst nur eine Erhöhung des bürokratischen Aufwandes gesehen werden könnte, sollte der Nutzen einer solchen Dokumentation nicht übersehen werden. Bei der von der Universität Kassel zusammen mit DATEV im Oktober 2013 durchgeführten Simulationsstudie wurde deutlich, dass eine verlässliche Dokumentation der Verfahren in den meisten Fällen die Vernichtung der Papier­belege erlaubt (siehe hierzu DATEV magazin 02/2014, S. 18 ff.). Die vom Berufsstand gemeinsam entwickelte Muster­ver­fahrens­doku­men­tation zum ersetzenden Scannen kann damit der erste Schritt zur Erstellung einer vollständigen Dokumentation des Buchführungsprozesses sein und gleichzeitig die Senkung der Kosten für die Aufbewahrung bei den Unternehmen herbeiführen. Die Meinung der Finanz­ver­waltung im Sinne der GoBD steht dem nicht entgegen. Vielmehr enthält der Entwurf eine Reihe von Ausführungen zum Thema ersetzendes Scannen, auch wenn diesen nicht in allen Punkten zuzustimmen ist. Gerade weil die GoBD in der Praxis schwer umzusetzende Detail­an­for­de­rungen enthält, erscheint es sinnvoll, sozusagen als Gegenentwurf, in einer individuellen Verfah­rens­doku­men­tation zu beschreiben, wie trotz oder gegen diese Anforderungen eine ordnungs­mäßige Buchführung erstellt wird.
Von der Finanz­ver­waltung wird im Buchführungsprozess der frühzeitigen Sicherung der Belege, der erfassten Daten und der Erstellung der Buchführung eine große Bedeutung beigemessen. Dabei geht der vorliegende Entwurf so weit, konkrete Fristen zu benennen. Unabhängig von vielen noch zu klärenden Einzelfragen kann festgestellt werden, dass ein Verstoß gegen diese Verpflichtung dazu führt, dass die Aufzeichnungen und Buchführungen von der Verwaltung verworfen werden.

Ersetzendes Scannen

Da papiergebundene Rechnungseingangs- und -ausgangsbücher in den letzten Jahren immer seltener geführt werden, bietet es sich an, papiergebundene Belege durch frühzeitige Digitalisierung (ersetzendes Scannen) zu sichern. Damit könnte auch die Voraussetzung dafür geschaffen werden, Fristverkürzungsversuchen der Finanz­ver­waltung zu begegnen. Gleichzeitig würde dadurch der Ablauf in den Kanzleien und Unternehmen optimiert. Ein solches Verfahren setzt jedoch in jedem Fall eine entsprechende Ver­fahrens­doku­men­tation voraus.
Da auch die Finanz­ver­waltung damit rechnet, dass in Zukunft immer mehr Belege als originär digitale Dokumente vorliegen, nimmt der Entwurf auch zu den Aufbewahrungspflichten Stellung. Bei den elektronischen Dokumenten (auch E-Mails) wird klargestellt, dass eine ausschließliche Aufbewahrung in Papierform (Ausdruck) nicht ausreichend ist. Die Unterlagen sind in jedem Fall im Originalformat aufzubewahren, das heißt, auch die alleinige Aufbewahrung einer durch Umwandlung erzeugten PDF-Datei reicht nicht aus.
Glaubt man den Aussagen aus den Kreisen der Verwaltung, sehen sich Betriebsprüfer immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass die digitale Prüfung daran scheitert, dass die Daten verloren gegangen sind. Das gilt besonders für Kassendaten. Der Entwurf der GoBD legt daher fest, dass die Buchführung als nicht ordnungsmäßig verworfen werden kann, wenn Daten aufgrund unzureichender Schutzmaßnahmen nicht vorgelegt werden können. Zur Ausräumung des Verdachts unzureichender Maßnahmen sollte das Datensicherheitskonzept Bestandteil der Verfahrensdokumentation sein. Da viele Daten (beispielsweise Kassendaten und Handelsbriefe) nur beim Unternehmer selbst vorliegen, muss der Berufsträger den Mandanten auf das Thema Datensicherheit ansprechen. Der Berufsstand (DATEV, Kammer, Verband und IDW) hat daher in den letzten Jahren gemeinsam mit dem Verein Deutschland sicher im Netz e. V. entsprechende Initiativen zur Verbesserung der Datensicherheits- und Datenschutzmaßnahmen bei den KMU gestartet.

Fazit

Der vorliegende Entwurf der GoBD stellt zweifellos einen Versuch der Verwaltung dar, zukünftig zu bestimmen, was eine ordnungsmäßige Buchführung ist. Damit wird den Buchführungspflichtigen vorgeschrieben, wie sie den unternehmensinternen Prozess gestalten sollen. Dieser Versuch der Einführung einer Fiskalbuchhaltung findet seinen Ausdruck auch in der teilweise anzutreffenden Detailverliebtheit des Entwurfs. Er ist daher als Ausdruck etatistischen Denkens zurückzuweisen. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sollten auch in Zukunft gleichberechtigt aus Handels­brauch, Verkehrsanschauung, Gerichtsentscheidungen etc. gebildet und fortentwickelt werden. In diesem Konzept ist auch Platz für die Auffassungen der Finanz­ver­waltung. Gleichzeitig sollte deren Position auch Anlass sein, den Prozess der Buchführung zu überprüfen und teilweise neu zu organisieren.

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Durch den Einsatz von DATEV DMS classic pro (Art.-Nr. 90001) werden die handels- und steuer­recht­lichen An­for­de­rungen an eine Soft­ware zur digi­talen Archi­vierung er­füllt. Das gilt für eine ent­sprechende tech­nische Archi­tektur wie auch auf funk­tionaler Ebene, wie etwa durch eine Doku­menten­his­torie, in der jede Änderung an einem archi­vierten Doku­ment pro­to­kol­liert wird. Der Ori­gi­nal­zustand eines Doku­ments ist somit jeder­zeit nach­voll­ziehbar und wieder­her­stellbar.

Die Ord­nungs­mäßig­keit der Archi­vierung sowie die Ein­haltung maß­geb­licher recht­licher An­for­de­rungen (u. a. GoBS, GDPdU) wurden durch un­ab­hän­gige Wirt­schafts­prüfer über­prüft und testiert.

Info-Datenbank „Revi­sions­sichere Archi­vierung“
(Dok.-Nr. 1033898)

Weitere Informationen unter www.datev.de/dms

Zum Autor

Wolf D. Oberhauser

Steuer­berater mit eigener Kanzlei in Alze­nau, Mit­glied des EDV-Aus­schusses der Bundes­steuer­berater­kammer und des Kammer­vor­stands der Steuer­be­rater­kammer Nürnberg

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