Grundlagen - 23. Juni 2017

Neue Prozesse

Für die am Be­steuerungs­prozess Beteiligten ergeben sich aus dem Mo­der­ni­sie­rungs­gesetz Aufträge, welche die grund­le­gen­den Ver­än­de­run­gen des Be­steue­rungs­ver­fahrens zum Ziel haben.

Im Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016 (BGBl. I 2016, S. 1679ff.) beschreibt der Gesetzgeber drei Handlungsfelder:

  • die Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz durch ­einen verstärkten Einsatz der Informationstechnologie und einen zielgenaueren Ressourceneinsatz
  • die vereinfachte und erleichterte Handhabbarkeit des ­Besteuerungsverfahrens durch mehr Serviceorientierung und nutzerfreundlichere Prozess
  • die entsprechende Neugestaltung der rechtlichen Grund­lagen, insbesondere der Abgabenordnung (AO)

Für die am Besteuerungsprozess Beteiligten ergeben sich daraus drei Aufträge mit dem Ziel, das Besteuerungsverfahren grundlegend zu ändern:

  • Digitalisierung der Prozesse unter Verstärkung der ausschließlich auto­ma­tions­ge­stützten Bearbeitung von dazu ­geeigneten Steuererklärungen durch den Einsatz von Risiko­ma­nage­ment­systemen (§ 88 Abs. 5 AO, ­§ 155 Abs. 4 AO)
  • die Verbesserung der Prozessabläufe
  • die zusätzliche Berücksichtigung der Ziele von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit neben den bisherigen Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, Gleichmäßigkeit und Rechtmäßigkeit

Vollzugsprozess

Es genügt nicht, den papier­basierten Prozess digital ­nachzubilden.

Für den digitalisierten Vollzugsprozess der Norm lassen sich einige Eckpunkte fest­halten, die für alle am Be­steue­rungs­ver­fahren Beteiligte Bedeutung haben dürften:

  •  Medienbrüche müssen beseitigt werden
  •  Die in der Digitalisierung steckenden Möglichkeiten müssen genutzt werden, es genügt nicht, den bisher papierbasierten Prozess digital nachzubilden
  •  Prozessunterbrechungen müssen weitestgehend vermieden werden
  •  Unökonomische Datenbewegungen müssen unterbleiben – nur im Prozess benötigte Daten sollen übermittelt werden
  •  Für die Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten muss ein standardisierter, nach dem Stand der Technik sicherer Kommunikationskanal genutzt werden
  •  Es ist Transparenz über den Prozessablauf sicherzustellen

Automationsgestützte Bearbeitung

Die automationsgestützte Bearbeitung unter Einsatz von Risiko­managementsystemen ist seit Veröffentlichung des Gesetzes Gegenstand vieler Aufsätze und teilweise emotional geführter Diskussionen. Ausgangspunkt der automations­gestützten Bearbeitung ist die für alle am Besteuerungsverfahren Beteiligten gleiche gesetzliche Norm, die einen Tatbestand und eine daran geknüpfte Rechtsfolge beschreibt. Aus ihr definiert sich Art und Umfang der im Prozess zu übermittelnden Information. Die Verarbeitung dieser Information besteht ­immer in einem Informationsabgleich, also einer zunächst maschinellen Klärung der Frage, ob die mit der Steuererklärung eingegangene Information mit der aufseiten der Steuerverwaltung elektronisch vorgehaltenen Information zur Deckung zu bringen ist. Diese elektronisch vorgehaltene Information ergibt sich auch aus dem Erfahrungswissen von Steuerbeamten, das in Form von Regeln maschinell verwertbar gemacht wurde. Die eingegangene Information wird im Hinblick auf den Tatbestand danach geprüft, ob sie ausreichend ist, den Sachverhalt, an den eine steuerliche Rechtsfolge geknüpft wird, hinreichend zu beschreiben. Ferner muss die Information valide, also widerspruchsfrei und zu vorliegenden Angaben stimmig sein. Ist dies der Fall, wird im weiteren Informationsabgleich geklärt, ob die in der Steuererklärung gezogene Rechtsfolge im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt zulässig ist.

Entscheidungsfaktoren

Der zutreffende Inhalt und die Qualität der übermittelten Informationen bestimmen, ob die automationsgestützte Bearbeitung zu einem automatisch generierten Steuerbescheid und schneller Rechtssicherheit führt. Das kann nur dann der Fall sein, wenn zwischen der elektronisch übermittelten und der elektronisch gehaltenen Information kein Widerspruch fest­gestellt wird. Widersprechen sich die Informationen, erhält der zuständige Sachbearbeiter einen Hinweis aus dem ­System, der ihn zu einer Überprüfung der Unstimmigkeiten auffordert. Eine fehlende oder unzureichende Information wird also immer zu einer solchen Überprüfung führen, was dann durch die notwendige Beschaffung ergänzender Informationen und ­deren Prüfung Prozess­unter­bre­chun­gen bei den Beteiligten zur Folge hat. Die Digitalisierung der Prozesse steht und fällt also mit der Übermittlung der richtigen ­Information im richtigen Umfang und im richtigen Zusammen­hang.
Hinreichende Vollständigkeit und richtiger Zeitpunkt der Übermittlung sind zudem wichtige Begleitinformationen, also Signale, aus denen erkennbar werden kann, inwieweit die am Prozess Beteiligten miteinander kooperieren und sich rechtskonform verhalten wollen (Compliance). Menge und Qualität der übermittelten Informationen sind daher die bestimmenden Faktoren für die Frage, ob es im digitalen Besteuerungsprozess zu einer verhaltens­bezogenen Kontroll­in­ten­si­tät kommen kann.

Fazit

Aus Sicht der bayerischen Steuerverwaltung bietet die Modernisierung des Be­steue­rungs­ver­fah­rens die Chance, zu einem vertrauensbasierten, kooperativ geprägten digitalen Ver­an­la­gungs­prozess zu kommen, wenn es gelingt, ein gemeinsames Verständnis über diese Informationen zu entwickeln. Man wird darüber reden müssen.

MEHR DAZU

finden Sie unter: www.bundesfinanzministerium.de

Zum Autor

PK
Paul-Alexander König

Vizepräsident des Bayerischen Landesamtes für Steuern, Bereichsleiter Information und Kommunikation (IuK). Zuständig für die Software-Entwicklung in der Steuerverwaltung einschließlich der elektronischen Steuererklärung ELSTER. Im IuK-Bereich sind rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt.

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