Dokumenten- und Workflow-Management - 29. Januar 2020

Leb wohl, Zettelwirtschaft!

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation forscht seit 1992 im Bereich des Dokumenten­managements. Seitdem ist auch Mirjana Stanisic-Petrovic mit von der Partie und veröffentlichte im vergangenen Jahr die Studie „Digitalisierung im Mittelstand: Dokumenten-Management-Systeme für KMUs“.

Drehte sich in den 90er-Jahren noch alles um das Archivieren und Ablegen von Dateien – Datenströme im heutigen Maße waren in den Unternehmen ja noch nicht vorhanden –, beschäftigt sich die Forschung im Zeitalter von künstlicher ­Intelligenz (KI) heutzutage mit dem kompletten Lebenszyklus der Dokumente. Vom Eingang eines Dokuments im Unternehmen über die vollständige Ablage bis hin zur Vernichtung – Dokumentenmanagement umfasst alle Informationen, wie Daten und Dokumente, die jedem im Unternehmen (auch den dazugehörigen Standorten) zu einem bestimmten Thema auf Knopfdruck zur Verfügung gestellt werden sollen. „Dabei muss man auch beachten, dass das Löschen oder Vernichten der Dokumente eine ganz andere Geschichte ist. Dabei geht es um Datenschutz, gesetzliche Fristen und die Frage, wie lange Informationen vorgehalten werden müssen“, betont Mirjana Stanisic-Petrovic. „Jedes Dokument unterliegt in Deutschland noch der Beweiswürdigung; es ist ein Dokument des richterlichen Augenscheins.“ Das bedeutet, dass sich das Gericht einen Vorgang, der zwischen den Parteien streitig ist, oder eine Sache, deren Zustand zwischen ihnen streitig ist, selbst ansieht. Ein digitales oder ausgedrucktes Dokument ist nicht beweiskräftig – außer es liegt im Original vor oder es wurde revisionssicher abgelegt. Das gewährleisten Dokumentenmanagementsysteme (DMS), wenn außerdem eine Verfahrensdokumentation für das Unternehmen vorliegt. Darin werden unter anderem der gesamte organisatorische und technische Prozess beschrieben, die Zugriffsberechtigungen und Sicherheitsvorkehrungen protokolliert.

Neben Revisionssicherheit bietet ­heutige Software noch viel mehr Möglichkeiten.

Neben Revisionssicherheit bietet heutige Software noch viel mehr Möglichkeiten. Die Frage dabei ist, ob kleine und mittelständische Unternehmer die Fülle an angebotenen Funktionen überhaupt benötigen. In der Studie „Digitalisierung im Mittelstand: Dokumenten-Management-Systeme für KMUs“ hat Mirjana Stanisic-Petrovic mithilfe der Industrie- und Handelskammer (IHK) ermittelt, wie viele kleine und mittelständische Unternehmen Dokumentenmanagementsysteme einsetzen und in welchen Bereichen das geschieht. Die Studie bestätigt, dass Dokumentenmanagementsysteme Informationsflüsse verbessern und schnell auskunftsfähig machen. Sie zeigt aber auch, dass bei vielen Unternehmen noch Handlungsbedarf besteht. Denn 65 Prozent der Befragten ohne DMS sind überzeugt, langfristig nicht ohne DMS auszukommen. „Der Schuh drückt aber noch nicht genug. Sie erstellen und verkaufen ihre Produkte am Markt, für die Digitalisierung fehlen schlicht die Ressourcen. Momentan kommen die meisten noch mit den vorhandenen Bordmitteln im Unternehmen zurecht“, erklärt Stanisic-Petrovic das Ergebnis. Bordmittel, das sind beispielsweise eine ausgeklügelte Ordnerstruktur auf dem Laufwerk und kurzes Absprechen auf dem Flur – bis zu einer bestimmten Masse an Informationen und Mitarbeitern funktioniert das. Wenn Unternehmen jedoch wachsen, mehrere Standorte haben oder die Anzahl der Aufträge steigt, kann es an der Zeit sein, ein ­Dokumentenmanagementsystem einzuführen. „Ich hoffe immer, dass die Kunden frühzeitig zu uns kommen und die Signale im Vorfeld erkennen“, so Stanisic-Petrovic. Sie hat aber schon Projekt-Briefings erlebt, bei denen ein DMS nicht die richtige Lösung gewesen ist: „‚Ich finde nichts, deshalb benötige ich ein DMS‘ ist ein schwieriges Kriterium. Ich hatte auch einmal den Fall, dass man uns in ein großes Archiv brachte, dessen Dokumente gescannt werden sollten. Ein Kollege öffnete durch Zufall einen Ordner mit alten, nicht mehr lesbaren Dokumenten. Da stellt sich natürlich die Frage, welchen Vorteil digitalisierte Dokumente bieten, die man nicht entziffern kann.“

Ein DMS bietet nämlich vor allem qualitative Vorteile. Unternehmen, die ein DMS einsetzen, können schneller Auskünfte geben, beispielsweise wenn ein Kunde anruft und den Status seines Auftrags wissen möchte; besonders wenn der eigentlich verantwortliche Kollege krank ist. „Wer möchte seinem Kunden schon sagen: ‚Der Kollege ist gerade krank, ich kann Ihnen momentan nicht weiterhelfen, rufen Sie später wieder an.‘ Im Mittelstand spielt die Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle – da muss auch die Qualität stimmen“, erklärt Stanisic-Petrovic. Neben Transparenz und einer ortsunabhängigen Verfügbarkeit der Daten lassen sich auch viele Prozesse automatisch durchführen. „Ein Dokumenten- und Workflow-­System unterstützt bei alltäglichen Aufgaben. Durch Automatisierung hat man mehr Zeit für qualitativere Aufgaben, für die man Gehirnschmalz benötigt.“

Um ein passendes System zu finden, muss man nicht nur die Größe und Anforderungen des Unternehmens betrachten, auch die Rentabilität des DMS spielt eine Rolle. „Open-Source-­Produkte sind auf den ersten Blick vielleicht kostenlos, Wartung, Prozessanalyse und die dahinterstehenden Dienstleistungen müssen jedoch bezahlt werden. Dahingegen gibt es auch Systeme, bei denen eine Lizenz 1.500 Euro kostet – ohne Wartung und Support. Wir sprechen hier natürlich immer von Von-bis-Zahlen, die Kosten kommen auch auf die Branche an“, fasst Mirjana Stanisic-Petrovic die Angebote auf dem Markt zusammen. Am besten lässt man sich bei der Recherche, Prozessanalyse und Einrichtung unterstützen. Wer hofft, mit einem Dokumentenmanagementsystem zukünftig in einem papierlosen Büro arbeiten zu können, wird enttäuscht werden. „Nein, das passiert nicht. Diese Frage war vor zehn Jahren schon einmal in Mode und wir arbeiten noch immer mit Papier – wobei sich die Menge natürlich verringert hat und das weiter tun wird. Mit einem DMS sparen Sie sich allerdings das Drucken von Dokumenten für unterwegs. Sie können Rechnungen freigegeben, Checklisten durcharbeiten, Verträge fertigmachen und haben auch die Kundendaten immer dabei. Solange Sie eine Internetverbindung haben, arbeiten Sie vollständig unabhängig.“ 

Ergebnisse der Studie

Studie „Digitalisierung im Mittelstand: Dokumenten-Management-Systeme für KMUs“
An der Studie nahmen insgesamt 137 Unternehmen/Personen teil, davon nutzten 77 ein DMS, 60 nutzten kein DMS.

DMS-Nutzer schätzen …

  • insbesondere den schnellen Zugriff auf Informationen (58 %
  • die ortsunabhängige Informationsverfügbarkeit (39 %)
  • die bessere Qualität der Informationen (38 %)
  • die Sicherheit von Daten/vor Informationsverlust (35 %)
  • die Möglichkeit, Prozesse zu automatisieren (32 %)
  • die Senkung von Aufwand und Kosten (31 %)
  • die verbesserte Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien (29 %)

Nutzer ohne DMS …

  • schätzen die verbesserte Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien (29 %)
  • schätzen die mögliche Zeitersparnis für Archivierung; sehen die Suche als Vorteil (29 %)
  • sind bereit, 20.000 Euro für die Einführung eines DMS zu investieren (25 %)
  • würden mehr als 100.000 Euro für ein DMS investieren (7 %)

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Zur Autorin

Julia Wieland

Redaktion DATEV magazin

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