Kooperationen im Gesundheitswesen - 22. November 2013

Empfehlung: Gruppensitzung

Immer mehr Ärzte schließen sich zu Kooperationen zusammen. Neben der klassischen Gemeinschaftspraxis gibt es hierzu viele Alternativen. Bei der Wahl der geeigneten Kooperationsform sind berufs- und vertragsärztliche sowie steuerrechtliche Vorgaben abzuwägen.

Der Trend zu größeren Praxen hält an.

Die Strukturen im Gesundheits­wesen, die Honorar­situation, der demo­grafische Wandel sowie der medizi­nische Fort­schritt verlangen von den Akteuren des Gesund­heits­wesens, sich zu positio­nieren und gegenüber neuen Koope­rations- und Ver­sorgungs­formen zu öffnen. Bei ver­schiedenen Fachgruppen zeichnet sich eine Macht­konzen­tration ab. Der Trend zu größeren Praxen hält an. Daneben nehmen An­ge­stellten­ver­hält­nisse konti­nuierlich zu. Von der Möglichkeit der Ärzte­netze wird häufiger Gebrauch gemacht.

Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

MVZ sind fach­über­greifende ärztlich ge­leitete Ein­richtungen, in denen Ärzte als Angestellte oder als Vertrags­ärzte tätig sind. Im MVZ müssen mindestens zwei Ärzte mit ver­schiedenen Facharzt- oder Schwer­punkt­be­zeichnungen tätig sein. Hausärzte, Internisten und Chirurgen bedienen sich am häufigsten der MVZ-Strukturen. Seit dem 1. Januar 2012 können MVZ nur noch von zugelassenen Vertragsärzten, zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nicht­ärztlicher Dialyse­leistungen nach § 126 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) und von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertrags­ärztlichen Versorgung teilnehmen, gegründet werden. Als Rechtsform zugelassen sind die Personen­gesell­schaft, eingetragene Genossenschaft und GmbH.

Pro: Zukunfts­sicherung, größere medizinische Gestaltungs­möglich­keiten und damit stärkere Markt­position, flexibler gestaltete interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ärzte untereinander, flexiblere Ar­beits­zeit­gestaltung, vereinfachte Nachbesetzung der Arztstelle, Möglichkeit der Aufteilung einer Arztstelle in Teilzeit­stellen, Tätigkeit mit angestellten Ärzten

Contra: hoher Organisationsbedarf, geringerer Freiheitsgrad

Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)

Mit dem Gesetz zur Änderung des Vertrags­arzt­rechts haben sich neue Möglich­keiten für die Gemein­schafts­praxis ergeben.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Vertrags­­arzt­­rechts haben sich neue Möglich­keiten für die alte Gemein­­schafts­­praxis ergeben. Es besteht nun die Möglich­keit einer Berufs­­aus­­übungs­­gemein­­schaft unter allen zur vertrags­­ärzt­lichen Versorgung zugelassenen Leistung­erbringern. Eine solche kann sowohl von fachgleichen als auch von Ärzten verschiedener Fach­richtungen gegründet werden, sofern sich diese Fachgebiete für die gemeinsame vertrags­ärztliche Tätigkeit eignen. Nicht möglich ist die gemeinsame Berufs­ausübung bei über­­weisungs­­gebundenen medizin­­technischen Leistungen (Beispiel Orthopäde und Radiologe). Im Besonderen zu nennen sind überörtliche Berufs­­ausübungs­­gemein­schaften sowie Teil­­berufs­aus­übungs­gemein­schaften.
Die Mindest­voraus­setzungen der gemeinsamen Berufsausübung sind: Verabredung eines gemeinsamen Zwecks im Sinne der gemeinsamen ärztlichen Tätigkeit und dessen Förderung, Abschluss der Verhandlungsverträge durch die Gesellschaft, gemeinsamer Patientenstamm, planmäßige Durchführung gemeinsamer Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen von nicht untergeordneter Bedeutung, gemeinsame Abrechnung, einheitlicher Außenauftritt. Die gemeinsame Berufsausübung kann örtlich an einem Vertragsarztsitz oder an unterschiedlichen Vertragsarztsitzen überörtlich stattfinden. Die Zulassung richtet sich nach den Regelungen der Bedarfsplanung. Zu beachten ist, dass die Tätigkeit am Vertragsarztsitz zeitlich umfangreicher sein muss als die Tätigkeiten an anderen Betriebsstätten. Soll eine Berufsausübungsgemeinschaft als Jobsharing-Partnerschaft gestaltet werden, ist dies mit einer Leistungsbegrenzung verbunden.

Pro: Verbreiterung des medizinischen Angebots, Möglichkeit der Spezialisierung und damit Verbesserung der medizinischen Qualität, kollegialer Gedankenaustausch, flexiblere Arbeitszeit­gestaltung, effizientere Nutzung der Praxisressourcen, Gesellschafter­wechsel statt Praxisabgabe, Vorteile bei dem Nachbesetzungsverfahren

Contra: größerer Organisationsbedarf, geringerer Freiheitsgrad

Angestellte Ärzte

Das bereits angesprochene Vertrags­arztrechts­änderungs­gesetz gestattet im Rahmen der Liberalisierung der ambulanten ärztlichen Berufsausübung Vertragsärzten die Beschäftigung von bis zu drei weiteren Ärzten als Angestellte. Gebiets-, Facharzt- oder Schwerpunktkompetenzen stellen keine Hürde dar. Allerdings ist die Anstellung von Ärzten, deren Leistung unter Überweisungsvorbehalt steht, nicht möglich. Eine weitere Einschränkung bringt die Bedarfsplanung. Bestehen bereits vor der geplanten Anstellung Zulassungsbeschränkungen, ist eine Anstellung nur durch Erwerb eines ausgeschriebenen Arztsitzes zur Besetzung mit einem angestellten Arzt, durch Verzicht eines anderen Vertragsarztes zugunsten einer Anstellung, durch Nachbesetzung einer bereits vorhanden Stelle oder im Rahmen einer Jobsharing-Anstellung möglich.

Pro: flexiblere Arbeitszeitgestaltung, kollegialer Austausch

Contra: keine Vorteile hinsichtlich Zukunftssicherung, Marktposition, keine Kostenersparnis

Praxisverbund/Praxisnetz

Die Begriffe Praxisnetz und Praxisverbund werden häufig synonym gebraucht. Das Berufsrecht spricht vom Praxisverbund, das Vertragsarztrecht von vernetzten Praxen. Die Ausgestaltung reicht von losen Treffen in Qualitätszirkeln über genossenschaftliche bzw. genossenschafts­ähnliche Einkaufsgemeinschaften bis hin zur Gründung von Gesundheitsunternehmen. Neben dem Zusammenschluss von Arztpraxen sind auch Verbünde mit Krankenhäusern oder anderen Leistungsanbietern im Gesundheitsbereich möglich. Die Verbünde können als eingetragener Verein, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, Genossenschaft oder auch als GmbH gegründet werden.
Die vertragsärztliche Versorgung bietet verschiedene Möglichkeiten der Netzbildung, nämlich Praxisnetze als Modellvorhaben (§ 63 SGB V), Praxisnetze als Strukturverträge (§ 73a SGB V) und die Förderung von Praxisnetzen (§ 87b SGB V). Letztere Netzbildung ist mit einer Basisfinanzierung verbunden. Die Kassenärztliche Vereinigung kann einem Praxisnetz ein eigenes Honorarbudget oder Honorarvolumen als Teil der Gesamtvergütung zuweisen. Dem Praxisnetz seinerseits ist es gestattet, das Budget an die teilnehmenden Netzärzte weiterzugeben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat einen Anforderungskatalog für förderungswürdige Arztnetze erarbeitet. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als beschleunigte Diagnose- und Therapieprozesse, ein funktionierendes Qualitätsmanagement, die Einbeziehung des Patienten, eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und eben die Darlegungsfähigkeit einer verbesserten Versorgung mit aussagekräftigem Datenmaterial.

Pro: Erweiterung des Leistungsspektrums, intensiver kollegialer Austausch, Stärkung der Marktposition

Contra: hoher Organisationsbedarf

Organisationsgemeinschaften

Unter Organisationsgemeinschaften versteht man Kooperationen, die nur auf den organisatorischen Rahmen der ärztlichen Tätigkeit ausgerichtet sind. Zu nennen sind die Praxisgemeinschaft, die Apparategemeinschaft und das Ärztehaus. Hierbei wird jeweils die ärztliche Tätigkeit getrennt und eigenverantwortlich ausgeübt. Es sind weit weniger rechtliche Voraussetzungen zu erfüllen als bei den anderen Kooperationsformen.

Pro: Kostenersparnis, teils interkollegialer Austausch und Stärkung der Marktposition

Contra: zusätzlicher Organisationsaufwand

Kooperation mit Krankenhäusern

Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz werden die Grenzen zwischen den Sektoren Krankenhaus und ambulanter Behandlung durchlässiger. Zur Verbesserung von Behandlungsabläufen sind derzeit folgende Kooperationsformen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern möglich, nämlich Belegarzt, Praxis am Krankenhaus, Konsiliararzt, Übernahme vor- und nachstationärer Leistungen durch den Vertragsarzt, Anlaufpraxis.
Nach § 115b Abs. 1 SGB V können Leistungen auf der Grundlage einer vertraglichen Zusammenarbeit des Krankenhauses mit niedergelassenen Vertragsärzten ambulant im Krankenhaus erbracht werden. Unter den auf § 115b SGB V basierenden AOP-Vertrag 2012 fallen ambulant durchführbare Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe und anästhesiologischen Leistungen/Narkosen. Bei prä- und poststationären Leistungen eröffnet § 115a Abs. 1 SGB V ebenfalls eine Kooperation dergestalt, dass ausdrücklich beauftragte niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses oder der Arztpraxis diese Leistung erbringen können.
Damit wird die Mitarbeit von Vertragsärzten im Krankenhaus legalisiert, jedoch verbleiben die berufsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Probleme. Die Mitarbeit eines Vertragsarztes an der stationären Versorgung darf nicht eine versteckte Zuweisung gegen Entgelt sein. Auch darf es sich bei der freien Mitarbeit nicht um ein verdecktes Anstellungsverhältnis handeln.

Fazit

Per se ist keine Kooperationsform die richtige oder bessere. Bei der Wahl sind Pro und Contra unter Berücksichtigung der berufs- und vertragsärztlichen Vorgaben sowie des Steuerrechts abzuwägen.

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Zum Autor

Dr. Klaus Lieb

Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Handels- und ­Gesellschaftsrecht, berät Angehörige von Heilberufen und Heilhilfsberufen in berufsrechtlichen, vertrags(zahn)arztrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen.

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