Geschichte des Bankomaten - 30. Januar 2020

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Auch wenn aktuell das Bargeld abgeschafft werden soll und sich die EC-Karte sowie bargeldloses Zahlen per Handy und Smartwatch immer mehr durchsetzen – im Alltag bleibt der Geldautomat elementarer Bestandteil für finanzielle Transaktionen: Karte rein, PIN eingeben, Geld raus. Und das zu jeder Zeit. Was heute selbstverständlich ist, hat eine 80-jährige Geschichte hinter sich.

Im Jahr 1939 hatte Luther George Simjian, ein aus der Türkei in die USA geflohener Armenier, mit der Entwicklung eines Geldautomaten begonnen und hierzu mehrere Patente angemeldet. Sein in den 1950ern patentierter Bankograf funktionierte aber noch nicht wie die heute üblichen Geräte. Geld zahlte er nicht aus. Die Maschine nahm nur Bargeld oder Schecks in Kuverts entgegen. Eine Identifikationsnummer wurde aufgedruckt und eine Kamera fotografierte das in eine Schublade des Automaten eingelegte Kuvert. Als Einzahlungsbeleg bekam der Kunde eine Kopie des Fotos. Die anschließende Einzahlung des Gelds musste noch von einem Bankangestellten manuell durchgeführt werden. 1961 willigte die City Bank in New York ein, das Gerät probeweise zu installieren. Doch der Versuch floppte. Nach sechs erfolglosen Monaten ließ die Bank den Automaten ausbauen. Die Kunden gingen lieber zum realen Angestellten am Schalter als zur Maschine. Simjians nüchternes Fazit: „Es sieht so aus, als ob ein paar Prostituierte und Glücksspieler, die nicht von Angesicht zu Angesicht mit Kassierern zu tun haben wollten, die einzigen Benutzer waren. Und die Bank sagt, es seien zu wenige, als dass sich die Sache lohne.“

Den einen Vater des Geldautomaten gibt es nicht. Vielmehr waren es verschiedene Ideen und Erfindungen, die über die Zeit hinweg zum heutigen Geldautomaten führten. Vier Jahre nach Simjians Misserfolg wollte der Schotte John Shepherd-Barron einen Scheck in seiner Bank eintauschen. Er kam jedoch zu spät und die Bank hatte bereits geschlossen. Anschließend – angeblich in der Badewanne – soll ihm die Idee gekommen sein, Automaten zur Auszahlung von Bargeld zu entwerfen, schließlich existierten solche bereits für die Ausgabe von Schokolade. Shepherd-Barron stellte seine Idee der Barclays-Bank vor – mit Erfolg. Am 27. Juni 1967 ging der erste seiner Geldautomaten in London in Betrieb. Der Automat prüfte eingegebene Schecks und gab deren Gegenwert in Bargeld aus. Identifizieren musste sich der Kunde – wie heute auch – mit einer persönlichen Geheimzahl. Der maximale Auszahlungsbetrag lag bei zehn Pfund, heute circa 160 Euro. Einen Nachteil gab es: Um die Schecks auslesen zu können, waren sie mit schwach radioaktivem Material gekennzeichnet. Die Menge galt als unbedenklich. Laut Shep­herd-Barron hätte man 136.000 Schecks essen müssen, bevor sich irgendein Effekt eingestellt hätte.

Etwa zeitgleich arbeitete James Goodfellow, ebenfalls Schotte, an einem Geldautomaten. Das Besondere: 1966 patentierte er als erster das PIN-System. Dieses Patent gilt heute als erstes komplettes Geldausgabesystem. Der für die Midland Bank gebaute Automat ging am 31. Juli 1967 in Betrieb, etwa einen Monat nach dem Gerät der Barclays-Bank. In den USA tüftelte währenddessen Donald Wetzel mit der Firma Docutel an seiner Version eines Geldautomaten, nachdem er sich über die Warteschlange in einer Bank geärgert hatte. Wetzel setzte erstmals auf Plastikkarten mit Magnetstreifen, was Lochkarten, radioaktive Markierungen und dergleichen überflüssig machte. Das System war damit nicht nur deutlich sicherer, der Kunde konnte so mit nur einer Karte mehrmals Geld abheben.

Der Geldautomat mit seinen verschiedenen Modellen setzte sich zunehmend durch, auch wenn vielerorts noch Skepsis vorherrschte. Anfang der 1980er standen in den USA und in Japan immerhin schon Zehntausende solcher Geräte. In der Bundesrepublik gab man sich zurückhaltender. 1982 waren es hierzulande lediglich 134 Geldautomaten. Erst als die Automaten im Außenbereich von Banken und im Foyer platziert wurden, also eine Nutzung rund um die Uhr möglich war und die Handhabung dank EC-Karte immer sicherer und bequemer wurde, schaffte der Geldautomat in Deutschland seinen Durchbruch.

Vorreiter in Sachen Geldautomat war in Deutschland die Kreissparkasse Tübingen. Am 27. Mai 1968 wurde der erste Geldausgabeautomat in die Außenmauer der Sparkasse eingebaut. Anfangs gewährte die Bank lediglich 1.000 ausgewählten Kunden Zugang zu dem Gerät. Nur wer liquide genug war, durfte den Geldautomaten benutzen. Jeder dieser erlesenen Kunden erhielt zehn Lochkarten, die jeweils einen Hundertmarkschein ausgaben. Zudem bekamen sie einen Schlüssel für die gepanzerte Fronttür des Automaten und einen Plastikausweis zur Identifikation. Abgehoben werden konnte nur während der Öffnungszeiten der Bank, der Maximalbetrag lag bei 400 DM. Auch wenn die Kunden nach wie vor skeptisch waren, zog die Sparkasse eine positive Bilanz. Für Aufsehen, vor allem in der Finanzwelt, sorgte der Automat allemal. „Die Banker sind in Strömen zu uns gekommen, um sich das anzusehen“, erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. Und Luther George Simjian? Der ließ sich von dem ausbleibenden Erfolg seines Geldautomaten nicht entmutigen. Der einfallsreiche Tüftler erfand zahlreiche andere Geräte, darunter einen Teleprompter sowie eine ferngesteuerte Frankiermaschine, und gründete mehrere Unternehmen. Und: Simjian nannte seinen Automaten Bankmatic Automated Teller Machine, kurz ATM – eine Bezeichnung, die im Englischen bis heute für den Geldautomaten verwendet wird.

MEHR DAZU

Bátiz-Lazo, Bernardo: Emergence and evolution of ATM networks in the UK, 1967 – 2000, in: Business History 51, 1/2009.
Bátiz-Lazo, Bernardo/Reid, Robert: Evidence from the Patent Record on the Development of Cash Dispensers and ATM Technology, 2008.
Konheim, Alan G.: Automated teller machines: Their history and authentication protocols, in: Journal of Cryptographic Engineering Vol. 6 (1), 2016, S. 1 – 29.
Simjian, Luther George: A deposit exchange machine, 1964.

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TB
Tobias Birken

Neumann & Kamp Historische Projekte

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DF
Deniz Fenzl

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