Konjunkturprognose - 21. März 2024

BIP schrumpft 2024 um 0,3 Prozent, 2025 Wachstum um 0,8 Prozent

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 20.03.2024

Leichte Rezession 2023/24, schwaches Wachstum im kommenden Jahr: Die deutsche Konjunktur kann sich nur langsam aus ihrer Schwächephase lösen. Positive Impulse für die Wirtschaftsentwicklung kommen 2024 und vor allem 2025 vom privaten Konsum als Folge von gesunkener Inflation und höheren Lohnabschlüssen. Doch die restriktive Fiskalpolitik der Bundesregierung und die zunächst weiterhin hohen Zinsen verhindern, dass aus der leichten Erholung ein Aufschwung wird. Insbesondere die Unsicherheit über die künftigen Spielräume bei öffentlichen Investitionen und staatlicher Förderung von privaten Investitionen bleibt hoch und bremst. In der Folge sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresdurchschnitt 2024 um 0,3 Prozent, 2025 steigt es um 0,8 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in seiner neuen Konjunkturprognose. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist trotzdem noch relativ stabil: Die Arbeitslosigkeit steigt im Jahresmittel 2024 moderat um rund 140.000 Personen und 2025 um weitere 30.000, die Arbeitslosenquote beträgt 5,9 Prozent und 6,0 Prozent – nach durchschnittlich 5,7 Prozent 2023. Die Inflationsrate wird im Durchschnitt diesen Jahres mit 2,4 Prozent wieder nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen und es mit 2,0 Prozent im Jahresmittel 2025 erreichen.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom Dezember 2023 lässt das IMK die Erwartung für dieses Jahr unverändert. Für 2025 legt das Düsseldorfer Institut heute in einer digitalen Pressekonferenz erstmals eine Prognose vor. Die schwachen Erwartungen für das laufende Jahr spiegeln sich auch in der jüngsten Auswertung des IMK Konjunkturindikators wider: Er zeigt eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 58,3 Prozent für den Zeitraum bis Ende Mai an, nur leicht weniger als im Vormonat (61,8 Prozent).

Die Ökonom*innen gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ab April diesen Jahres mit ersten vorsichtigen Zinssenkungen auf die deutlich gesunkene Inflation und die insgesamt schwache Wirtschaftsentwicklung im Euroraum reagieren wird. Bis Ende 2024 dürfte der geldpolitisch entscheidende EZB-Einlagenzins von vier Prozent auf drei Prozent gesenkt werden. Kommt es so, würde die Zentralbank einen – nach Analyse des IMK längst überfälligen – ersten Beitrag dazu leisten, dass sich die stagnativen Tendenzen in der Währungsunion nicht noch weiter verfestigen.

Schlechter sind die Aussichten auf Ebene der nationalen Politik: „Während eine Lockerung der Geldpolitik in Sicht ist, zeichnet sich eine konjunkturgerechte Umkehr der deutschen Fiskalpolitik bisher nicht ab“, kritisiert das IMK. Notwendig wäre es in der bereits lang andauernden Wirtschaftsflaute, die Infrastrukturinvestitionen in Deutschland auszuweiten und transformative Investitionen direkt sowie über günstigere Abschreibungsmöglichkeiten zu fördern. In diesem Zusammenhang müsse auch der Strompreis z.B. durch eine Übernahme von Netzentgelten durch den Bundeshaushalt gesenkt werden, um Produktion im Inland zu sichern und die Abkehr von fossilen Energien im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung der Haushalte zu unterstützen.

„Ob es in absehbarer Zeit gelingt, die Schuldenbremse zumindest soweit zu reformieren, dass Investitionen ausgenommen sind, ist allerdings weiterhin fraglich, obwohl die Fiskalregeln auf europäischer Ebene jüngst dahingehend verändert wurden“, schreiben die Wissenschaftler*innen. Sie sehen darin ein gravierendes Versäumnis: „Im vergangenen Jahr begründeten die Energiepreisschocks, die Deutschland besonders stark trafen, das schwache Wachstum in Deutschland. In diesem und im kommenden Jahr ist es die Schuldenbremse, die Deutschland zum wirtschaftlichen Schlusslicht unter den Industrieländern macht.“

Kerndaten der Prognose für 2024 und 2025

– Arbeitsmarkt –
Die schwache konjunkturelle Dynamik bremst die Entwicklung der Erwerbstätigkeit deutlich, diese bleibt aber leicht positiv. Die Zahl der Erwerbstätigen legt 2024 jahresdurchschnittlich um 0,3 Prozent und 2025 noch um 0,1 Prozent zu. Gleichzeitig wächst die Arbeitslosigkeit leicht. Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im Jahresdurchschnitt 2024 einen Anstieg um gut 140.000 Personen, so dass im Jahresmittel rund 2,75 Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Das entspricht einer Quote von 5,9 Prozent. Für 2025 veranschlagen die Forschenden eine weitere geringfügige Zunahme der Arbeitslosigkeit um rund 30.000 auf 2,78 Millionen Personen und eine Quote von 6,0 Prozent. Allerdings dürfe diese vergleichsweise undramatische Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass „die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt durchaus fragil ist“, warnt das IMK. Ein weiterer negativer ökonomischer Schock, sei er konjunktureller Art, Folge des globalen Transformationsprozesses der Dekarbonisierung oder anderen Ursprungs, könnte eine deutliche Verschlechterung der Lage provozieren.

– Weltwirtschaft und Außenhandel –
Die Weltwirtschaft erholt sich 2024 und 2025 moderat, weil die Inflation global gesunken ist und auch Zinssenkungen der Notenbanken in Aussicht stehen. Allerdings ist der Trend weltweit nicht einheitlich: Während das Wirtschaftswachstum in Indien stark bleibt und in Südkorea, Kanada oder der EU zumindest etwas anzieht, verlangsamt sich die BIP-Entwicklung in den USA, allerdings auf vergleichsweise hohem Niveau: 2024 wächst die US-Wirtschaft um 2,2 und 2025 um 1,7 Prozent im Jahresmittel. Für China prognostiziert das IMK einen BIP-Zuwachs um 4,5 und 4,3 Prozent. Das Wirtschaftswachstum im Euroraum steigt von 0,5 Prozent 2024 auf 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Nach dem Einbruch 2023 erhalten die deutschen Exporte deshalb etwas stärkere Impulse von wichtigen Handelspartnern, was sich allerdings erst im kommenden Jahr im Durchschnittswert der Statistik niederschlägt: Im Jahresdurchschnitt 2024 sinken die Ausfuhren noch um 1,5 Prozent, 2025 legen sie um 2,2 Prozent zu. Zudem leistet der Außenhandel per Saldo rechnerisch in keinem der beiden Jahre einen positiven Wachstumsbeitrag, weil die Importe in diesem Jahr weniger stark sinken (-1,2 Prozent) und im kommenden Jahr stärker steigen (3,4 Prozent) als die Exporte.

– Investitionen –
Die Ausrüstungsinvestitionen gehen laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2024 um 0,1 Prozent zurück, was allerdings auch mit einem statistischen Sondereffekt aus 2023 zusammenhängt. Im kommenden Jahr legen sie hingegen um 3,1 Prozent zu. Dazu tragen auch die wachsenden Ausgaben für Verteidigung bei, die als öffentliche Investitionen verbucht werden. Die Bauinvestitionen sinken wegen hoher Kosten und Zinsen weiter massiv. Nach einem Rückgang um 5,4 Prozent im Jahresdurchschnitt 2024 fallen sie 2025 noch einmal um jahresdurchschnittlich 1,3 Prozent, wobei sich im Jahresverlauf 2025 mit +0,7 Prozent eine leichte Belebung andeutet.

– Privater Konsum –
Bei gesunkener Inflation und stärkeren nominalen Lohnsteigerungen, unter anderem durch höhere Tarifabschlüsse, und bei leicht steigender Erwerbstätigkeit steigen die Realeinkommen der Haushalte wieder. Für 2024 erwartet das IMK einen Zuwachs um 0,8 Prozent im Jahresdurchschnitt, für 2025 um 1,3 Prozent. Das wirkt, bei leicht sinkender Sparquote, positiv auf den Konsum. Die privaten Konsumausgaben wachsen dementsprechend im Jahresmittel 2024 real um 0,7 Prozent. 2025 legen sie um 1,6 Prozent zu. Vor allem im kommenden Jahr wird der Privatkonsum so zur zentralen Stütze der Wirtschaftsentwicklung.

– Inflation und öffentliche Finanzen –
Für 2024 rechnet das IMK mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 2,4 Prozent. 2025 beruhigt sich das Inflationsgeschehen noch weiter, im Jahresmittel liegt die Teuerungsrate bei 2,0 Prozent.

Die Steuereinnahmen steigen 2024 eher langsam, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen. 2025 nehmen sie dann etwas stärker zu. Das öffentliche Budget wird 2024 ein Defizit von 1,8 Prozent aufweisen. Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem restriktiveren Kurs aus. Das bremst die Konjunktur, lässt aber kurzfristig auch das Defizit weiter sinken auf 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung