FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 29.09.2023 zum Urteil 1 K 82/20 vom 24.01.2023 (nrkr - BFH-Az.: I R 10/23)
Klägerin des dem Urteil des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24. Januar 2023 (Az. 1 K 82/20) zugrundeliegenden Sachverhalts war eine GmbH, die alleinige Gesellschafterin einer in Frankreich ansässigen S.à.r.l. (B) war. Die Geschäfte der B liefen schlecht, so dass die Klägerin Ende 2012 beschloss, die B im Wege einer „transmission universelle du patrimoine (TUP)“ gem. Art. 1844-5 des französischen Code Civil unter Übertragung des Vermögens der B als Ganzes auf die Klägerin ohne Liquidation aufzulösen. Bis dahin hatte die Klägerin die B mit Waren beliefert. Die Forderungen, die aus den Lieferungen resultierten, beglich die B nicht. Die Klägerin nahm auf die Forderungen Wertberichtigungen vor, die sich bei ihr steuerlich nicht auswirkten. Die Übertragung des Vermögens der B auf die Klägerin wurde Ende Dezember 2012 wirksam. Es entstand ein sog. Konfusionsgewinn, den das Finanzamt als steuerpflichtigen Übernahmefolgegewinn behandelte. Dagegen wandte sich die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung, dass auf den Konfusionsgewinn die Steuerbefreiungsvorschrift des § 8b Abs. 3 Satz 8 KStG jedenfalls analog anzuwenden sei.
Der 1. Senat ist dieser Sichtweise nicht gefolgt, er hat die Klage abgewiesen. In seiner Entscheidung befasst der 1. Senat sich zunächst mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit der TUP. Da diese zu bejahen sei und der Klägerin dadurch das gesamte Vermögen (vergleichbar einer Anwachsung deutschen Rechts) zugefallen sei, hätten sich die Forderungen der Klägerin gegenüber der B und die Verbindlichkeiten der B gegenüber der Klägerin in einem Rechtsträger, nämlich der Klägerin, vereinigt (sog. Konfusion) und seien eine „logische Sekunde“ später er loschen. Da der Wert der Verbindlichkeiten den der Forderungen überstiegen habe, sei in entsprechender Höhe ein Konfusionsgewinn entstanden. Dieser unterliege der laufenden Besteuerung; § 8b Abs. 3 Satz 8 KStG sei weder unmittelbar (das war zwischen den Beteiligten auch nicht ernsthaft im Streit) noch analog anwendbar. Letzteres ergebe sich daraus, dass der vorliegende Sachverhalt mit den Fallkonstellationen, die nach dem Willen des Gesetzgebers von der Vorschrift erfasst werden sollten, schon wirtschaftlich nicht vergleichbar sei. Die Norm erfasse unterschiedliche Fälle des Wiedererstarkens einer zuvor (ohne steuerliche Auswirkung) abgeschriebenen Forderung. Demgegenüber entspreche die hier gegebene Konstellation eher der eines Forderungsverzichts, weil durch die Konfusion die Verbindlichkeit des übertragenden Rechtsträgers fortfalle. Zudem sei in der Nichterfassung von Konfusionsgewinnen keine planwidrige Regelungslücke zu sehen. Entgegen der Sichtweise der Klägerin lasse sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus ihrer Entstehungsgeschichte oder ihrem Zweck der allgemeine Grundsatz entnehmen, Buchgewinne sollten immer dann keiner Besteuerung zugeführt werden, wenn die vorherigen Buchverluste sich steuerlich nicht ausgewirkt hätten. Gegen die Annahme eines solchen allgemeinen Grundsatzes spreche auch, dass der Gesetzgeber jedenfalls für Konfusionsgewinne, die in den Anwendungsbereich des § 6 UmwStG fielen, deren Besteuerung gerade nicht davon habe abhängig machen wollen, dass sich die Wertminderung der erloschenen Forderung bis zum Übertragungsstichtag steuermindernd ausgewirkt habe.
Das ergebe sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, der unabhängig von dieser Frage keine Steuerfreiheit, sondern lediglich die Bildung von Rücklagen vorsehe, die der übernehmende Rechtsträger verteilt über drei Wirtschaftsjahre auflösen dürfe.
Der 1. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, das Revisionsverfahren ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 10/23 anhängig.
Quelle: Finanzgericht Schleswig-Holstein, Newsletter II-III/2023