Zivilrecht - 12. Januar 2024

Zum Anspruch auf Kaufpreisminderung wegen nach Übergabe entdeckten Lackschäden

LG Köln, Mitteilung vom 01.12.2023 zur Entscheidung 36 O 311/20 vom 23.11.2023 (nrkr)

Wie sagt man so schön: Das Auto des Deutschen liebstes Kind. Aber was ist, wenn der Käufer nach dem Erwerb eines Neufahrzeuges vom Kfz-Händler plötzlich Auffälligkeiten in der Lackierung feststellt und der Verkäufer deren Beseitigung ablehnt?

Das Landgericht Köln entschied nun in einem Fall, dass dem Käufer ein Anspruch auf Kaufpreisminderung zustehen kann, auch wenn er trotz unterzeichneter „Abnahme-Erklärung“ erst nach Übergabe entdeckte Lackschäden nachträglich geltend macht.

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten, einer gewerblichen Kfz-Händlerin aus Köln, im Februar 2020 ein fabrikneues Fahrzeug. Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten Mitte Juni 2020 mitgeteilt hatte, dass das Fahrzeug abholbereit sei, holte die Klägerin das Fahrzeug einen Monat später auf dem Betriebsgelände der Beklagten ab. Anlässlich der Übergabe unterschrieb sie eine „Abnahme-Erklärung“, in welcher es unter anderem heißt: „Etwaige Reklamationen sind sofort bei Übernahme des Fahrzeuges geltend zu machen, da später erfolgende Reklamationen keine Berücksichtigung finden können.“ Nachdem sie das Fahrzeug in Empfang genommen hatte, wobei sie keine Beanstandungen äußerte, traten die Klägerin und ihr Ehemann die Heimfahrt nach Stuttgart an. Am nächsten Tag teilte die Klägerin der Beklagten per E-Mail mit, dass ihr bei Pausen auf der Rückfahrt aufgefallen sei, dass im Sonnenlicht auf dem Lack Politurschlieren und auch Reste von Polierpaste zu sehen seien. Es gäbe feine Kratzer, die bei der Übergabe nicht zu sehen gewesen seien, da das Fahrzeug im Schatten des überdachten Eingangsbereichs zum Verkaufsraum gestanden habe. Zwei Wochen später rügte die Klägerin zudem Lackschäden durch Vogelkot und ließ im weiteren Verlauf die Beklagte anwaltlich auffordern, die Lackerscheinungen kostenfrei zu beseitigen, was die Beklagte ablehnte.

Der anschließend beim Landgericht Köln – zunächst auf Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeuges – zuletzt auf Zahlung von 4.000 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten erhobenen Klage, gab das Landgericht Köln nach Durchführung einer Beweisaufnahme nun teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.000 Euro nebst anteiliger Zinsen und Rechtsanwaltskosten.

Das Gericht führt aus, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kaufpreisminderung in Höhe von 1.000 Euro aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften der §§ 434 ff. BGB habe.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe überzeugend festgestellt, dass an der Fahrzeuglackierung sowohl eine Hologrammbildung/Polierschlieren durch einen nicht fachgerechten Poliervorgang als auch Lackschädigungen durch Vogelkot beständen, welche beide nicht einer fehlerfreien Lackoberfläche gemäß Werkslackierung entsprechen würden. Allerdings stehe – so das Landgericht weiter – nur hinsichtlich der Polierschlieren fest, dass diese – wie gesetzlich notwendig – bereits bei Gefahrübergang also bei Fahrzeugübergabe vorgelegen haben und eine spätere Entstehung im Herrschaftsbereich der Klägerin ausgeschlossen werden könne. Insoweit greife nämlich zugunsten der Klägerin die gesetzliche Vermutung des § 477 BGB ein. Die Vermutung dieser Vorschrift [welche bei einem Kauf durch einen Verbraucher – wie hier – Anwendung findet, sofern sich innerhalb von sechs Monaten (seit 01.12.2022: innerhalb eines Jahres) seit Übergabe Mangelerscheinungen gezeigt haben], sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handele, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssten. Denn in einem solchen Fall sei zu erwarten, dass der Käufer den Mangel bei der Übergabe beanstandet.

Davon könne, sodass Landgericht weiter, hier aber hinsichtlich der nur schwer erkennbaren Polierschlieren gerade nicht ausgegangen werden. Daher sei vorliegend die Beklagte beweisbelastet, dass die Polierschlieren erst nach Übergabe des Fahrzeugs entstanden seien. Entsprechender Beweis sei ihr trotz Vernehmung der angebotenen Zeugen nicht gelungen. Anders bewertet dies das Landgericht dagegen hinsichtlich der Schäden durch Vogelkot. Insoweit komme der Klägerin, die Vermutung nach den obigen Grundsätzen nicht zugute, da es sich um einen so offensichtlichen Mangel handele, dass § 477 BGB nicht greife. Die hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts dieses Mangels damit beweisbelastete Klägerin trage aber selbst vor, den Vogelkot erstmals etwa zwei Wochen nach Übergabe bemerkt zu haben, während sie ihn bei Übergabe des Fahrzeuges trotz der zu diesem Zeitpunkt sehr sorgfältigen Besichtigung offenbar noch nicht bemerkt hatte. Es könne deshalb durch das Gericht nicht ausgeschlossen werden, dass diese Lackschäden erst nach Abholung des Fahrzeugs und in der Obhut der Klägerin entstanden seien. Gewährleistungspflichtig sei die Beklagte daher nur für die Lackschäden in Form von Polierspuren. Ein Gewährleistungsausschluss – so die Begründung weiter – sei dagegen nicht wirksam vereinbart. Bei der von der Klägerin unterzeichneten „Abnahme-Erklärung“ handele es sich um ein von der Beklagten vorformuliertes Formular, weshalb sich die Vereinbarung inhaltlich an den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen messen lassen müsse. Dies führe hier aus Sicht des Gerichts ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 8 b) aa) BGB.

Die nach alledem geschuldete Kaufpreisminderung für die vorhandenen Polierschlieren bemisst das Landgericht anschließend auf 1.000 Euro. Es führt aus, dass bei der Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen sei, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem tatsächlichen Wert der mangelbehafteten Sache stehe. Der Minderungsbetrag sei, soweit erforderlich, dabei durch Schätzung zu ermitteln und entspreche nicht per se dem Reparaturaufwand, obwohl dieser ein Anhaltspunkt für die Größenordnung der Minderung sein könne. Mit Rücksicht auf die aus Sicht des Gerichts eher geringfügigen Mangelerscheinungen in Form der Polierschlieren an der Grenze zu einem Bagatellmangel, den Kaufpreis des Fahrzeuges und die vom gerichtlichen Sachverständigen zwar in Höhe von 2.500 Euro bis 3.000 Euro angegebenen Reparaturkosten, welche nach Auffassung des Landgerichts aber überwiegend auf die durch Vogelkot verursachten echten Substanzschäden im Lack entfallen dürften, nimmt das Landgericht letztlich einen Betrag von 1.000 Euro an. Dies sei aus Sicht der Kammer der Betrag, um den ein Käufer, wenn ihm die Polierstellen bei Übergabe aufgefallen wären, den Kaufpreis des Wagens hätte herunterhandeln können, mit anderen Worten, der Minderwert, den der Markt bei realistischer Betrachtung diesem Mangel beigemessen hätte.

Die am 23.11.2023 verkündete Entscheidung zum Az. 36 O 311/20 ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Köln