EU-Recht - 9. Februar 2024

Wettbewerbspolitik: EU-Kommission hat Marktabgrenzung überarbeitet

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 08.02.2024

Bei der Prüfung von Zusammenschlüssen und in den meisten Kartellfällen müssen für die Abgrenzung der relevanten Märkte die Bereiche bzw. Gebiete ermittelt werden, in denen Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. Die EU-Kommission hat eine überarbeitete Bekanntmachung über die Abgrenzung des relevanten Marktes angenommen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager wies darauf hin, dass die Kommission mit der Überarbeitung neue Marktgegebenheiten wie die Digitalisierung und den zunehmend vernetzten und globalisierten Handel berücksichtigt. „Die Märkte verändern sich rasch, und wir müssen sicherstellen, dass unsere Orientierungshilfen weiterhin ihren Zweck erfüllen und bei technologischen Fortschritten wirksam bleiben. Die überarbeitete Bekanntmachung wird mehr Transparenz und Rechtssicherheit für alle Interessenträger bieten.“

Die überarbeitete Bekanntmachung trägt den neuen Marktgegebenheiten Rechnung wie auch den Entwicklungen in der Beschlusspraxis der Kommission und in der EU-Rechtsprechung. Sie wird für mehr Transparenz und Rechtssicherheit für Unternehmen sorgen, die Einhaltung der Vorschriften erleichtern und zu einer effizienteren Durchsetzung des Wettbewerbsrechts beitragen.

Überarbeitete Bekanntmachung berücksichtigt neue Entwicklungen

Die angenommene Bekanntmachung ist die erste Überarbeitung der Bekanntmachung über die Marktdefinition seit deren Annahme im Jahr 1997. Sie spiegelt die bedeutenden Entwicklungen der vergangenen Jahre wider, insbesondere die zunehmende Digitalisierung und die neuen Formen des Angebots von Waren und Dienstleistungen sowie die Vernetzung des Handels.

Die Überarbeitung stützt sich auf eine im April 2020 eingeleitete gründliche und umfassende Überprüfung sowie die Rückmeldungen von Interessenträgern, die in der Evaluierungsphase und im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zum Entwurf der neuen Bekanntmachung eingeholt wurden. Die überarbeitete Bekanntmachung spiegelt die politischen Leitlinien wider, die die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine Wettbewerbspolitik für neue Herausforderungen“ vom November 2021 dargelegt hat. Die Überarbeitung der Bekanntmachung ist für das Bestreben der Kommission, Transparenz und Berechenbarkeit bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu gewährleisten, von zentraler Bedeutung. Dies soll unter anderem durch Erläuterungen für alle Sektoren, auch für strategische Sektoren, erreicht werden.

Kernelemente der überarbeiteten Bekanntmachung über die Marktabgrenzung

Die überarbeitete Bekanntmachung über die Marktabgrenzung enthält erweiterte und aktualisierte Erläuterungen des Ansatzes der Kommission für die Marktabgrenzung. Sie gibt Aufschluss über Grundsätze, Methoden, Rechtsprechung und bewährte Verfahren für die Abgrenzung von Märkten in Kartell- und Fusionskontrollsachen, die den neueren Entwicklungen Rechnung tragen. Die überarbeitete Bekanntmachung umfasst folgende Kernelemente:

  • bessere Orientierungshilfe durch eine detaillierte Gliederung und konkrete Beispiele für die praktische Anwendung der Konzepte für die Marktabgrenzung
  • Beschreibung der allgemeinen Grundsätze der Marktabgrenzung
  • Anerkennung der Bedeutung nichtpreislicher Parameter wie Innovation, Qualität, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit für die Marktabgrenzung
  • Erläuterungen zur Marktabgrenzung unter besonderen Umständen:
  • z. B. bei mehrseitigen Märkten und „digitalen Ökosysteme“ (wie etwa Produkten für ein mobiles Betriebssystem) in digitalen Märkten oder
  • bei Innovationswettbewerb (auch durch Entwicklung neuer Produkte) in innovationsintensiven Wirtschaftszweigen
  • klarere Erläuterungen zu dynamischen und vorausschauenden Beurteilungen, insbesondere bei Märkten, auf denen strukturelle Veränderungen wie regulatorische oder technologische Veränderungen stattfinden
  • ausführlichere Erläuterungen zur Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes, vor allem zu den Faktoren, die eine Abgrenzung der Märkte als weltweit, EWR-weit, national oder lokal rechtfertigen können, sowie zur Rolle der Importe bei der Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes
  • Präzisierungen zu verschiedenen quantitativen Techniken, die für die Marktabgrenzung herangezogen werden, z. B. zum SSNIP-Test, der auf der Grundlage einer geringfügigen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung (small but significant non-transitory price increase) durchgeführt wird
  • Erläuterungen zu alternativen Parametern für die Berechnung der Marktanteile, z. B. zur Berechnung anhand der Verkäufe oder Kapazitäten oder anhand von Nutzungsdaten wie der Zahl der (aktiven) Nutzer oder der Website-Besuche
  • umfassender Überblick über die verschiedenen Anhaltspunkte für die Marktabgrenzung und ihren Beweiswert

In der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass die Marktabgrenzung ein Zwischenschritt ist, der für die wettbewerbsrechtliche Würdigung erforderlich ist. Dabei wird jede Art von relevantem Wettbewerbsdruck untersucht, dem die beteiligten Unternehmen auf den sachlich und räumlich relevanten Märkten ausgesetzt sind. Dies kann auch eine Beurteilung der Schranken für den Marktzutritt oder die Expansion, der Auswirkungen von Skaleneffekten (auch solcher, die aus Tätigkeiten außerhalb des jeweiligen Marktes resultieren) oder von Netzwerkeffekten, des Zugangs zu bestimmten Vermögenswerten und Vorleistungen sowie der Produktdifferenzierung umfassen.

Quelle: EU-Kommission