Sozialversicherungsrecht - 17. Januar 2020

Soziales Entschädigungsrecht neu geregelt und deutlich verbessert

BMAS, Mitteilung vom 14.01.2020

Am 19. Dezember 2019 wurde das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts im Bundesgesetzblatt verkündet. Damit wird zum 1. Januar 2024 ein neues Sozialgesetzbuch, das SGB XIV, geschaffen (BGBl. I S. 2652 (Nr. 50)).

Durch das SGB XIV wird das Soziale Entschädigungsrecht (SER) transparent und klar strukturiert. Derzeit ist das SER vor allem im Bundesversorgungsgesetz (BVG) geregelt, das aus den 1950er-Jahren stammt und ursprünglich für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene der beiden Weltkriege geschaffen wurde. Das BVG gilt in entsprechender Anwendung auch für weitere Personengruppen, die nach Nebengesetzen Ansprüche haben. Nebengesetze sind das Opferentschädigungsgesetz (OEG), das Strafrechtliche- und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das Häftlingshilfegesetz, das Soldatenversorgungsgesetz, das Infektionsschutzgesetz und das Zivildienstgesetz.

Da die Zahl der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen demografiebedingt stetig zurückgeht, die Zahl der Opfer einer Gewalttat, die derzeit Leistungen nach dem OEG erhalten, aber tendenziell zunimmt, ist das SGB XIV vor allem an deren Bedarfen ausgerichtet. Mit dem neuen SER werden auch leistungsrechtliche Konsequenzen aus dem verheerenden Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 gezogen. Außerdem werden – einem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag entsprechend – Opfer sexueller Gewalt bessergestellt.

Insgesamt wird im SGB XIV ab dem 1. Januar 2024 die Lebenssituation von

  • Gewaltopfern einschließlich Terroropfern,
  • derzeitigen und künftigen Opfern von Kriegsauswirkungen beider Weltkriege,
  • Geschädigten durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes und
  • durch Schutzimpfungen Geschädigten

sowie ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen deutlich verbessert.

Den Berechtigten sollen alle Hilfen bereitgestellt werden, die notwendig sind, damit sie so schnell wie möglich wieder in ihren Alltag zurückkehren können und die Folgen der Gewalttat bewältigen.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

1. Mehr Transparenz und Rechtsklarheit

Die Bündelung des Rechts der Sozialen Entschädigung in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuches, dem SGB XIV, wird der gesellschaftlichen Relevanz und der staatlichen Mitverantwortung an den schädigenden Ereignissen gerecht. Durch die klare Struktur des SGB XIV ist es für Betroffene leichter, mögliche Ansprüche zu erkennen und geltend zu machen. Für die Verwaltung wird die Gesetzesdurchführung vereinfacht.

2. Unterstützung für mehr Menschen

Der Kreis derjenigen, die Leistungen des SER beziehen können, wird durch das SGB XIV erweitert. Zukünftig können auch Opfer psychischer Gewalt – hierunter fallen insbesondere Fälle von sexueller Gewalt – Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten. Opfer von Gewalttaten werden unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus gleichbehandelt. Schockschadensopfer, also Menschen, die nicht direkte Opfer, aber vom Miterleben der Tat beeinträchtigt sind, erhalten Leistungen, unabhängig davon, ob sie dem Opfer emotional nahe stehen oder nicht.

3. Erleichterter Zugang zu schnell wirksamen Leistungen

Betroffene werden durch Schnelle Hilfen in einem erleichterten niedrigschwelligen Verfahren zeitnah unterstützt. Bundesweit wird ab dem 1. Januar 2021 sichergestellt, dass flächendeckend eine Soforthilfe in einer Traumaambulanz gewährleistet wird. Durch ein Fallmanagement werden Betroffene im Antrags- und Verwaltungsverfahren unterstützt und begleitet.

4. Wesentliche Erhöhung der monatlichen anrechnungsfreien Entschädigungsleistungen

Die bisherigen Geldleistungen werden zu monatlichen Entschädigungsleistungen zusammengefasst und deutlich erhöht. Es besteht auch die Möglichkeit, Einmalzahlungen als Abfindungen zu erhalten. Für bereits bestehende Leistungsfälle wird durch umfassende Besitzstandsregelungen ebenfalls eine gute Absicherung gewährleistet. Ein Wahlrecht ermöglicht den Wechsel in das neue Recht, gibt diesen jedoch nicht zwingend vor.

5. Stärkung des Teilhabegedankens

Der Teilhabegedanke wird deutlich gestärkt. Teilhabeleistungen werden künftig grundsätzlich ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen erbracht.

6. Verbesserungen für Opfer sexueller Gewalt

Eine neue Regelung zur Beweiserleichterung bei der Kausalitätsprüfung psychischer Erkrankungen kommt insbesondere Opfern sexueller oder psychischer Gewalt zugute. Handlungen im Zusammenhang mit Kinderpornographie werden als neuer Entschädigungstatbestand erfasst. Grundsätzlich unterfallen alle Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, unabhängig vom Alter der Betroffenen, dem überarbeiteten Gewaltbegriff, der Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XIV ist.

7. Vorgezogene Verbesserungen für Gewaltopfer einschließlich Terroropfer

Das SGB XIV tritt grundsätzlich zum 1. Januar 2024 in Kraft. Damit wird den Ländern die benötigte Vorlaufzeit für die Umsetzung des neuen Rechts insbesondere im Bereich ihrer IT-Infrastruktur eingeräumt. Es gibt jedoch wesentliche Verbesserungen für Leistungsberechtigte des SER, die bereits jetzt umgesetzt worden sind. Diese wurden vor allem nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin gefordert und sind bereits rückwirkend zum 1. Juli 2018 in Kraft getreten. Hierzu gehört, dass im geltenden Recht (BVG) die Waisenrenten und das Bestattungsgeld bei schädigungsbedingtem Tod erhöht und die Leistungen für Überführungskosten verbessert werden. Auch das OEG wurde rückwirkend zum 1. Juli 2018 geändert. Dadurch erhalten Ausländerinnen und Ausländer, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, und Opfer einer Gewalttat werden, die gleichen Entschädigungsleistungen wie deutsche Gewaltopfer.