Zivilrecht - 15. September 2023

Schulterblick statt Rückfahrkamera – Zur Unfallhaftung beim Rückwärtsfahren

LG Lübeck, Pressemitteilung vom 14.09.2023 zum Urteil 9 O 113/21 vom 19.07.2023 (rkr)

Wer mit seinem Fahrzeug rückwärts fährt, muss auf andere Verkehrsteilnehmer ganz besonders achten. Auf die Rückfahrkamera darf man sich nicht verlassen.

Auf dem Parkplatz eines Supermarktes ist viel los. Ein Mann steuert sein Auto geradeaus in Richtung Ausfahrt. Vor ihm parkt ein anderer Fahrer rückwärts aus und schaut dabei auf die Rückfahrkamera. Es kommt zum Zusammenstoß.

Der Geradeausfahrende beschuldigt den Rückwärtsfahrenden, plötzlich ausgeparkt und den Zusammenstoß verursacht zu haben.

Der Rückwärtsfahrende entgegnet, der Geradeausfahrende sei einfach weitergefahren und an seinem Fahrzeug entlanggeschrammt. Der Geradeausfahrende habe gar nicht bremsen wollen und den Unfall bewusst provoziert.

Das Gericht musste entscheiden, wer den Schaden bezahlen muss und wie viel. Es hat mehrere Zeugen befragt und einen technischen Experten (sogenannten Sachverständigen) hinzugezogen.

Ergebnis: Beide Fahrer treffe eine Schuld.

Begründung: Der Geradeausfahrende habe einen Fehler gemacht. Er sei etwa 15 km/h schnell gefahren. Auf einem Parkplatz müsse man aber sofort bremsen können. Man dürfe daher nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Aber auch der Ausparkende habe sich nicht richtig verhalten. Er habe nicht die ganze Zeit über die Schulter nach hinten geschaut. Beim Rückwärtsfahren müsse man durchgängig sicherstellen, dass man niemanden gefährdet. Das Anschauen der Rückfahrkamera reiche dafür nicht aus. Den Rückwärtsfahrenden treffe die größere Schuld. Er muss jetzt 2/3 des Schadens bezahlen.

Die Entscheidung vom 19.07.2023 (Az. 9 O 113/21) ist rechtskräftig.

Quelle: Landgericht Lübeck