Zivilrecht - 22. November 2019

Schadensersatzansprüche in Verfahren um Kapitalanlage mit Solaranlagen

LG Osnabrück, Pressemitteilung vom 22.11.2019 zum Urteil 7 O 105/17 vom 14.11.2019 (nrkr)

Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat am 14. November 2019 ihr erstes Urteil in einem Verfahrenskomplex um den Vorwurf des Kapitalanlagebetruges mit Solaranlagen zum Nachteil diverser Anleger verkündet (Az. 7 O 105/17). Im konkreten Fall hatte ein Mann aus Bayern auf Schadensersatz von rund 55.000 Euro geklagt und weitgehend Recht bekommen. Diverse ähnlich gelagerte Verfahren sind noch vor der 7. Zivilkammer anhängig. Dem zivilrechtlichen Verfahrenskomplex vorangegangen war ein aufwändiges Strafverfahren, in dem 2016 zwei Männer von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Osnabrück zu Haftstrafen von acht und zehn Jahren verurteilt worden waren (Az. 2 KLs 1/14).

Den Kern des Geschehens beschreibt die 7. Zivilkammer in ihrem mehr als 60 Seiten langen Urteil in etwa wie folgt: Im Jahr 2009 wurde von verschiedenen Personen unter Beteiligung diverser Gesellschaften ein Anlagemodell in Solaranlagen entwickelt. Anleger sollten dabei einzelne Solarpaneele schlüsselfertiger Photovoltaikanlagen erwerben, die eine der Gesellschaften errichtete. Anschließend sollten andere Gesellschaften aus der Gruppe die Anlagen wieder von den Anlegern pachten und betreiben. Den Anlegern wurde dafür eine Laufzeit des Pachtvertrages von rund 20 Jahren mit einem festen Pachtzins zugesagt. Die Pachtzahlungen sollten jährlich bis zu 24 % des Kaufpreises betragen. Der versprochene Pachtzins lag damit deutlich über den für die verkauften Anlagen zu erzielenden Einspeisevergütungen. Ergänzend finanziert werden sollte der Pachtzins deshalb – so das Konzept – durch Renditen aus dem Betrieb weiterer Solaranlagen, sog. Spiegelanlagen. Diese wiederum sollten aus den hohen Kaufpreisen der Anleger für die von ihnen erworbenen Anlagen bezahlt werden.

Für den Vertrieb der Solaranlagen an Privatanleger in ganz Deutschland wurden von dem hinter dem Konzept stehenden Personen externe Vermittler gewonnen, die speziell geschult wurden. Potentielle Anleger wurden über social media Kanäle, Internetrecherche und eigene Promotion-Teams aufgetan und bundesweit angesprochen. Als besonderer Vorteil wurde den Anlegern dabei die Absicherung durch einen Sachwert, die vermeintlich erworbenen Solarpaneele, dargestellt. Auf diese Weise konnten dann tatsächlich in kurzer Zeit diverse Anleger gewonnen werden.

Der Standort Osnabrück spielte in dem Konzept nach den Feststellungen der 7. Zivilkammer in dem gesamten Konzept eine zentrale Rolle. Hier fanden jedenfalls teilweise die Schulungen der externen Vertriebler statt. Auch die Bearbeitung der Kundenaufträge und der Verträge zwischen den einzelnen am dem Anlagemodell beteiligten Gesellschaften erfolgten zentral in Osnabrück.

2011 geriet jedoch eine erste zentrale Gesellschaft, die an dem Anlagemodell beteiligt war, in die Insolvenz. In den Folgejahren folgten weitere Insolvenzen, die Pachtzahlungen an die Anleger wurden 2011/12 eingestellt. Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen Ermittlungen auf, die im Jahr 2014 in einer Anklage gegen zwei Männer vor der 2. Großen Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Osnabrück mündeten (Az. 2 KLs 1/14). Im Jahr 2016 verurteilte die Strafkammer diese beiden Angeklagten nach aufwändiger Beweisaufnahme wegen bandenmäßigen Betruges zu Gesamtfreiheitsstrafen von acht bzw. zehn Jahren. Nach der Beweisaufnahme stand für die Strafkammer fest, dass die beiden Männer die Fäden hinter dem Anlagekonzept gezogen und die Anleger dabei bewusst betrogen hatten. Das Anlagekonzept sei, so die Strafkammer, von vorneherein nicht tragfähig gewesen. Die versprochenen Renditen seien nicht seriös kalkuliert gewesen. Außerdem seien die Leistungsfähigkeit und Größe der vermarkteten Anlagen bewusst falsch dargestellt worden, um Anleger anzulocken. Diese Entscheidung der 2. Großen Strafkammer bestätigte im Jahr 2018 der Bundesgerichtshof (Az. 3 StR 171/17).

Gleichzeitig mit den strafrechtlichen Vorwürfen machten diverse Anleger Schadensersatzansprüche gegen die Angeklagten geltend. Über diese wurde jedoch in dem Strafverfahren letztlich nicht entschieden, weshalb viele von ihnen anschließend Zivilklage erhoben. Über den ersten dieser Fälle hatte nun die zuständige 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück zu entscheiden, die auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert ist. In dem konkreten Fall hatte der Kläger im Jahr 2009 Solarmodule für insgesamt annähernd 70.000 Euro brutto erworben, die er über ein Bankdarlehn finanziert hatte. Er erhielt zunächst auch Ausschüttungen von rund 13.000 Euro. Von diesen musste er aber später im Zuge des Insolvenzverfahrens, nach einem entsprechenden Vergleich, die Hälfte an den Insolvenzverwalter zurückzahlen. Zudem sah der Anleger sich Forderungen der finanzierenden Bank ausgesetzt. Auch dort konnte er zwar letztlich einen Vergleich schließen, blieb aber auf hohen Kosten sitzen.

Diese Kosten des Bankdarlehns sowie nicht unerhebliche Anwaltskosten, die ihm durch das ganze Geschehen entstanden waren, wollte der Kläger nun von den beiden strafrechtlich verurteilten Männern ersetzt haben. Er argumentierte, aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung sei erwiesen, dass sie das Anlagekonzept in betrügerischer Absicht aufgesetzt hätten, um eine Vielzahl privater Investoren um ihr Anlagekapital zu bringen und sich selbst zu bereichern. Die Beklagten verteidigten sich gegen die Klage. Sie machten geltend, sie hätten – ungeachtet der strafrechtlichen Verurteilung – bei dem Anlagemodell keineswegs die ihnen zugeschriebene zentrale Rolle gespielt. Das Anlagemodell sei im Übrigen wirtschaftlich sehr wohl tragfähig gewesen. Zur Insolvenz sei es nur aufgrund der Lieferung schadhafter Solarmodule aus China und einer negativen Presseberichterstattung gekommen. Letztlich habe sich darin ein unternehmerisches Risiko verwirklicht.

Die zuständige 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück gab nun dem Kläger fast vollständig Recht.

Der Anleger könne von den beiden Männern Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen. Der Strafprozess habe im Rahmen einer akribischen Beweisaufnahme belegt, dass die nun zivilrechtlich in Anspruch genommenen Männer die faktische Kontrolle über das gesamte Modell der Kapitalanlage gehabt hätten. Dies habe auch eine erneute Beweisaufnahme vor der 7. Zivilkammer noch einmal bestätigt.

Das Modell selbst sei von Anfang an hoch riskant gewesen. Ein vernünftiger Plan, wie die versprochenen hohen Pachtzahlungen erwirtschaftet werden sollten, habe nie existiert. Zwar seien in dem Konzept vage die Erträge der sog. Spiegelanlagen eingeplant gewesen. Jedoch sei mit Pachtzahlungen begonnen worden, bevor Anlagen überhaupt am Netz waren. Eine vernünftige Kalkulation habe es nicht gegeben. Gleichzeitig seien die Angeklagten vom Erfolg des Anlagemodells überrollt worden, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. Sie hätten schnell erkannt, dass weit mehr Anleger geworben wurden, als Anlagen vorhanden waren. Dennoch hätten sie den Vertrieb nicht gestoppt.

Dieses Verhalten der Beklagten bewertete die 7. Zivilkammer als sittenwidrig. In geradezu gewissenloser Weise hätten die beiden Männer auf Sicherheit bedachte Privatanleger an ein hoch riskantes, in keiner Form seriös kalkuliertes Anlagekonzept herangeführt. Sie hätten den externen Vertriebsleuten ebenso wie den Anlegern wahrheitswidrig suggeriert, die Anlagen würden sichere Erträge abwerfen; zudem sei die Anlage durch einen Sachwert, die erworbenen Solarpaneele, gesichert. Nur durch diese Zusagen seien die Anleger motiviert worden, in die Solaranlagen Geld zu investieren. Die Zusicherungen hätten aber nicht den Tatsachen entsprochen, was den Beklagten auch bewusst gewesen sei. Binnen kurzer Zeit seien vielmehr die angelegten Beträge restlos aufgebraucht worden. Das Firmengeflecht unter der faktischen Leitung der beiden Männer sei bald hoch verschuldet gewesen.

Als Folge der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sprach die Kammer dem klagenden Anleger den von ihm begehrten Schadensersatz zu. Er umfasst vor allem Zinsen und Tilgung für das Bankdarlehn, das er für die Investition aufgenommen hatte, sowie seine im Zusammenhang mit dem Scheitern des Anlagekonzepts angefallenen Anwaltskosten. Anzurechnen waren allerdings nach Auffassung der 7. Zivilkammer die erhaltenen Pachtzahlungen, die der Kläger aufgrund des Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter trotz der Insolvenz teilweise hatte behalten dürfen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Parteien können es mit der Berufung zum Oberlandesgericht angreifen.