VG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 02.01.2020 zum Urteil 12 K 7491/18 vom 19.09.2019 (nrkr)
Nach mündlicher Verhandlung am 19.09. 2019 hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts die Klage eines Ehepaars auf Feststellung, dass sie nach ihrem Tod auf dem Friedhof der beklagten Gemeinde ohne Sarg in einem Leintuch bestattet werden dürfen (vgl. hierzu bereits die
Pressemittelung vom 28.03.2019
zur Jahrespressekonferenz), abgewiesen.
Die Kläger gehören der Evangelischen Landeskirche in Baden bzw. dem Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland an. Sie hatten sich darauf berufen, die Erdbestattung in einem Leintuch sei ein urchristlicher Ritus, der heute unter anderem noch bei der christlich-koptischen Glaubensgemeinschaft sichtbar sei. Er leite sich direkt aus der Bibel ab. Täufling und Leichnam würden danach nur in ein Leintuch gehüllt. Dies entspreche auch der Grablegung Jesu. Die Muslime hätten diesen ursprünglichen Bestattungsritus bewahrt. Dass Christen anders als Muslime im Holzsarg beerdigt würden, sei nur der Tradition geschuldet. Im Mittelalter sei die sarglose Bestattung demgegenüber noch üblich gewesen und werde bis in die Gegenwart bei Kartäusern und Trappisten praktiziert. Sie gehöre zum gemeinsamen Kern der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam. Die örtliche evangelische Kirchengemeinde unterstütze ihr Anliegen.
Die Gemeinde Angelbachtal lehnte den Antrag der Kläger, ihnen vor diesem Hintergrund eine Leintuchbestattung zu genehmigen, mit Schreiben vom 15. November 2017 ab. Das Bestattungsgesetz erlaube in ihrem Fall keine Leintuchbestattung. Unabhängig davon könne eine solche Entscheidung nicht bereits im Vorfeld getroffen werden, sondern erst bei Vorliegen eines konkreten Sterbefalls. Den von den Klägern hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2018 zurück.
Auch die Feststellungsklage der Kläger ist nun ohne Erfolg geblieben. Die 12. Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass ihnen gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes kein Anspruch zustehe, nach ihrem Tod sarglos in Tüchern bestattet zu werden. Danach können Verstorbene, deren Religionszugehörigkeit eine Bestattung ohne Sarg vorsieht, in Tüchern erdbestattet werden, sofern keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Zwar sei die Regelung bei einer Auslegung im Lichte des Grundgesetzes nicht von vorneherein auf Angehörige der muslimischen Religionsgemeinschaften beschränkt. Die Religionszugehörigkeit der Kläger sehe aber eine Bestattung ohne Sarg nicht vor. Es sei den Klägern nicht gelungen, die Existenz einer Glaubensregel ihrer Religionsgemeinschaft darzulegen, die diese Bestattungsart gebiete. Aus ihren Ausführungen ergebe sich nicht, dass sie die sarglose Bestattung als verpflichtendes religiöses Gebot empfinden würden. Nur in diesem Fall werde aber die grundrechtlich nach Art. 4 des Grundgesetzes geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit tangiert. Die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ihr Wunsch nach einer sarglosen Bestattung beruhe nicht auf einem Glaubenssatz, sondern sei emotional begründet. Es würde sie nicht in Gewissensnot bringen, sich im Sarg bestatten zu lassen, sie hätten aber einfach ein besseres Gefühl bei einer sarglosen Bestattung. Dieser auch durch ihren Glauben motivierte Wunsch der Kläger genügt nach Auffassung des Gerichts zur Begründung eines Anspruchs auf Leintuchbestattung ebenso wenig wie die Zugehörigkeit zu einer Religion, die eine sarglose Bestattung lediglich nicht verbietet. Hierin liege auch keine nach Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verbotene Ungleichbehandlung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen. Der Sargzwang gelte vielmehr grundsätzlich für jedermann unabhängig von der Religion. Soweit die Ausnahmevorschrift an das Bestehen einer als verpflichtend empfundenen Glaubensregel anknüpfe, liege hierin keine unzulässige Diskriminierung wegen religiöser Anschauungen. Es handle sich vielmehr um eine sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zu bloßen individuellen Wunschvorstellungen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung einlegen (Az. 12 K 7491/18).