Zivilrecht - 10. Juni 2020

Kleinkinder sind Passagiere und keine Gepäckstücke – Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung

AG Hannover, Pressemitteilung vom 10.06.2020 zum Urteil 515 C 12585/19 vom 04.06.2020 (nrkr)

Das Amtsgericht Hannover – Zivilgericht – hat am 04.06.2020 einen in Hannover ansässigen Flugreiseveranstalter zu einer Zahlung von 400 Euro verurteilt.

Hintergrund der Klage eines eingetragenen Rechtsdienstleisters ist ein abgetretener Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für ein Kleinkind aufgrund einer Flugverspätung.

Ursprünglich wollten zwei Passagiere mit ihrem Kleinkind am 01.07.2018 von Heraklion nach Nürnberg mit Ankunft um 12.30 Uhr transportiert werden. Tatsächlich erfolgt der Transport nach Karlsruhe, von wo aus sie per Bus nach Nürnberg gebracht wurden und dort um 18.30 Uhr ankamen. In der Buchungsbestätigung erfolgte jeweils bei Hin- und Rückflug eine Auflistung, unter der sich neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1xKleinkind(er)“ findet. In den Fluginformationen der Beklagten heißt es unter der Überschrift „Kinderermäßigung“: „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 Euro pro Flugstrecke“.

Die Beklagte ist der Meinung, für das Kleinkind, das im Zeitpunkt des Fluges noch kein Jahr alt war, bestehe kein Anspruch, da es keinen Flugpreis gezahlt habe. Bei den gezahlten 15 Euro handele es sich um eine Verwaltungsgebühr, aber keinen Flugpreis.

Nach dem Urteil des Amtsgerichts ist die Klage begründet, da der Klägerin aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b), Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Höhe von 400 Euro zusteht, da das Kleinkind das Flugziel erst mehr als 3 Stunden später als gebucht erreichte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass es sich bei dem Zedenten um ein Kleinkind ohne Sitzplatzanspruch handelte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil v. 17.03.2015, X ZR 35/14) entfällt der Anspruch für Kleinkinder nur, wenn sie keinen Flugpreis entrichtet haben.

Im Ergebnis geht das Gericht hier aber davon aus, dass ein Flugpreis in Höhe von 15 Euro gezahlt wurde.

Die Beklagte ist in ihrer Preisgestaltung frei und hat es in der Hand, auch für Kinder einen Flugpreis zu vereinbaren oder aber Kleinkinder kostenlos fliegen zu lassen und nur eine Verwaltungsgebühr für den Aufwand zu erheben. Sie muss dann aber auch klar erkennen lassen, um welche Variante es sich handeln soll.

Dies ist hier nicht erfolgt. Zwar mag die Buchungsbestätigung, wo es jeweils bei Hin- und Rückflug eine Auflistung gibt, unter der sich neben den Gepäckstücken und der Verpflegung auch der Eintrag „1xKleinkind(er)“ findet, dafür sprechen, dass es sich bei den gezahlten 15 Euro eher um eine Gebühr handelt. Andererseits sprechen die AGB der Beklagten dagegen. Hier findet sich die Information „Kleinkinder im Alter von 0 bis einschließlich 1 Jahr zahlen 15 Euro pro Flugstrecke“ nämlich unter der Überschrift „Kinderermäßigung“. Dies spricht aber ganz klar dafür, dass es sich um einen reduzierten Flugpreis und nicht um eine Verwaltungsgebühr handelt. Was sonst soll denn ermäßigt sein, stellt das Gericht als Frage auf, wenn nicht der Flugpreis? Zu einer Gebühr würde diese Formulierung nicht passen. Zugunsten der Passagiere ist gem. § 305 c Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung der Intention der Verordnung, die ein hohes Schutzniveau der Fluggäste beabsichtigt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 zur Verordnung Nr. 261/2004 (EG)), damit von dieser Auslegung auszugehen. Die Beklagte hat es in der Hand, ihre Vereinbarungen bzw. Klauseln zukünftig klar und eindeutig zu fassen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufung wurde durch das Amtsgericht zugelassen.