Zivilrecht - 25. November 2019

Keine Ersatzansprüche gegen Torfrau im Hallenhandball ohne rote Karte mit Bericht

OLG Frankfurt, Pressemitteilung vom 25.11.2019 zum Urteil 22 U 50/17 vom 14.11.2019

Stoßen die Torfrau und eine Angreiferin beim Sprungwurf im 6-m Torraum zusammen, kommt eine Schadensersatzverpflichtung der Torfrau für Verletzungen der Angreiferin nur in Betracht, wenn gegen die Torfrau eine rote Karte mit Bericht verhängt wurde. Wird allein eine rote Matchkarte ohne Bericht verhängt, die sich nicht auf weitere Spielteilnahmen auswirkt, kommen Ersatzansprüche nicht in Betracht, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit am 25.11.2019 veröffentlichtem Urteil.

Die Parteien waren Spielerinnen gegnerischer Jugendmannschaften bei einem Hallenhandballspiel. Kurz vor Schluss machte die Klägerin im Rahmen eines Tempo-Gegenstoßes einen Sprungwurf. Die Beklagte, Torfrau der Gegnerinnen, versuchte den Wurf abzuwehren. Beide trafen im 6 m-Torraum zusammen. Die Klägerin stürzte und erlitt einen Kreuzbandriss im linken Knie. Der Schiedsrichter erteilte der Beklagten eine rote Karte ohne Bericht. Sie war für das fragliche Spiel, nicht aber darüber hinaus gesperrt.

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Es wies die Klage ab. Die Beklagte habe vorliegend nicht dermaßen grob regelwidrig gehandelt, dass ein deliktischer Schadensersatzanspruch in Betracht käme, stellte das OLG nach Beweisaufnahme fest.

Die „Herbeiführung einer Verletzung des Kontrahenten (Gegenspielers) bei Einhaltung der Spielregeln (kann) regelmäßig eine Haftung des Schädigers aus Delikt nicht begründen“, stellt das OLG insbesondere im Hinblick auf Mannschafts-Kampfsportarten fest. Welche Gefahren im Einzelnen hingenommen werden müssten, richte sich nach den jeweiligen Sportarten. Basketball, Fußball oder Hallenhandball stellten hohe Anforderungen an die physische und psychische Kraft, Schnelligkeit, Geschicklichkeit und körperlichen Einsatz der Mitspieler. Gewisse Kampfhandlungen seien dabei auch von einem sorgfältigen Spieler nicht zu vermeiden, wenn dieses nicht sein Charakter als lebendiges Kampfspiel verlieren solle – auch wenn es nach den Spielregeln bereits als Foulspiel gewertet werde.

Folglich sei nicht jede geringfügige Verletzung einer dem Schutz der Spieler dienenden Regel fahrlässig und damit haftungsbegründend. Für eine deliktische Haftung komme es vielmehr darauf an, ob die Verletzung eines Spielers auf einem Regelverstoß eines Gegenspielers beruht, „der über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß… deutlich hinausgeht und auch einen Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet,“ stellt das OLG heraus, „Voraussetzung für ein haftungsbegründendes Verhalten ist mithin das Vorliegen einer groben Verletzung einer zum Schutz von Spielern bestimmten Wettkampfregeln“ (etwa nach Ziff. 8.5 der Wettkampfregeln). Hier habe der Sachverständige das Verhalten der Beklagten überzeugend nicht als besonders unsportlich, sondern lediglich als unnötige Härte aus jugendlichem Übereifer eingeordnet. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Vorfall im 6 m-Bereich der Torfrau ereignet habe. Springe ein Spieler dort hinein, sei ein Zusammenstoß sein Risiko. Bedeutung erlange zudem, dass der Schiedsrichter eine rote Karte, jedoch ohne Bericht erteilt habe. Erst ein Bericht i. S. v. Ziff. 8.6 der Wettkampfregeln liefere die Basis für die spielleitende Stelle, um später über Sanktionen zu entscheiden. Nach dem Regelwerk sei bei schwerwiegenden Regelverstößen eine rote Karte mit Bericht vorgesehen. Der Bericht ermögliche eine eindeutige Tatsachenfeststellung. Fehle der Bericht wie hier, sei davon auszugehen, dass die „Regelwidrigkeiten sich im Rahmen des körperbetonten Spielbetriebs halten und deshalb dadurch bedingte Verletzungen von der Einwilligung des Verletzten umfasst sind“, stellt das OLG abschließend fest.

Der Senat hat aus grundsätzlichen Erwägungen wegen der Vielzahl möglicher auftretender Fälle die Revision zum BGH zugelassen.