Sozialversicherungsrecht - 26. August 2019

Heiminterne Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer ist von Bundesagentur für Arbeit vorläufig zu finanzieren

SG Heilbronn, Pressemitteilung vom 21.08.2019 zum Beschluss S 7 AL 2542/19 ER vom 16.08.2019

Der 2002 geborene psychisch kranke Antragsteller lebt in einem Heim. Die monatlichen Kosten der Heimerziehung i. H. v. 5.000 Euro übernimmt derzeit das beigeladene Landratsamt Ludwigsburg. Nach Erwerb des Hauptschulabschlusses in der heimeigenen Förderschule bewarb sich der Antragsteller erfolgreich für eine im Heim stattfindende Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer. Die Ausbildung beginnt am 19. August 2019. Er beantragte am 12. Juni 2019 beim Landratsamt die Kostenübernahme der heiminternen Ausbildung i. H. v. 60,98 Euro pro Betreuungstag. Das Landratsamt leitete den Antrag an die Bundesagentur für Arbeit weiter, welche eine Übernahme der Ausbildungskosten lediglich telefonisch und per E-Mail ablehnte.

Das Sozialgericht Heilbronn verpflichtete die Bundesagentur für Arbeit mit Beschluss vom 16. August 2019 (Az. S 7 AL 2542/19 ER), dem Antragsteller vorläufig vom 19. August 2019 bis 31. Januar 2020 die Ausbildungskosten zu gewähren. Durch die Weiterleitung des Antrags vom beigeladenen Landratsamt an die Bundesagentur für Arbeit sei diese nach § 14 SGB IX im Verhältnis zum Antragsteller für die Entscheidung über die Ausbildungskosten formal zuständiger Träger. Ob die Weiterleitung rechtmäßig erfolgt sei, sei von der Bundesagentur für Arbeit und dem Landratsamt im Nachhinein im Rahmen eines Erstattungsverfahrens und nicht auf dem Rücken des Antragstellers zu klären. Im Eilverfahren sei den Interessen des Antragstellers der Vorzug einzuräumen, weil der Antragsteller bei Verweigerung der Förderung der heiminternen Ausbildung Gefahr liefe, die Ausbildung nicht ununterbrochen fortführen zu können. Der Antragsteller verfüge auch nicht über ausreichende Mittel, die Ausbildung auf eigene Kosten vorfinanzieren zu können.

Anmerkung:

Derzeit sind noch ungefähr 15 ähnliche Fälle im Verwaltungsverfahren beim Landratsamt Ludwigsburg und zwei Eilverfahren, in denen die Leistungspflicht des Landratsamts Ludwigsburg bzw. der Bundesagentur für Arbeit streitig ist, beim Sozialgericht Heilbronn anhängig.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – [SGB IX] – Leistender Rehabilitationsträger (Auszug)

(1) 1Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. 2Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. 3Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. (…)

(2) 1Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). 2Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. 3Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. 4Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. (…)

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.