Zivilrecht - 17. Januar 2024

Haftung der depotführenden Bank im Fall Wirecard

LG Koblenz, Pressemitteilung vom 16.01.2024 zum Urteil 3 O 180/23 vom 22.12.2023 (nrkr)

Haftet die depotführende Bank für Verluste eines Anlegers durch Wertpapiertransaktionen mit Aktien der Wirecard AG? Diese Frage hatte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Der Sachverhalt

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ein Wertpapierdepot. Im Rahmen dieses Depots hielt er Aktien der Wirecard AG. Zuletzt kaufte er am 30.04.2020 312 weitere Aktien der Wirecard AG zu einem Kurs von 95,00 Euro. Er hielt sodann insgesamt 1.232 Stück mit einem damaligen Kurswert von insgesamt 117.040,00 Euro. Am 18.09.2020 verkaufte der Kläger seinen gesamten Bestand an Wirecard-Aktien Stück zum Kurs von 0,83 Euro, sodass er einen Erlös in Höhe von 1.022,31 Euro erzielte.

Die Beklagte unterhielt Geschäftsbeziehungen zur Wirecard AG, unter anderem durch die Gewährung von Darlehen. Im Januar 2019 führte die Beklagte eine „Targeted Investigation“ der Wirecard AG durch, und übermittelte daraufhin am 26.02.2019 an die FIU (Financial Intelligence Unit, nationale Zentralstelle des Bundeszollamtes für die Entgegennahme, Sammlung und Auswertung von Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (vgl. § 89c StGB) stehen könnten) als zuständige Behörde 345 auffällige Verdachtsfälle mit Spuren aus der Zeit vom März 2013 bis Januar 2019.

Am 18.06.2020 erstattete die BaFin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzbetrug durch unrichtige Information in den Jahresabschlüssen 2016-2018.

Am 25.06.2020 stellte die Wirecard AG Insolvenzantrag, woraufhin über das Vermögen der Wirecard AG wurde am 25.08.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Der Kläger bringt vor, dass die Beklagte weiterhin Kaufempfehlungen für die Wirecard-Aktie ausgesprochen habe, obwohl sie selbst im Mai intern beschlossen habe, ihre Geschäftsverbindungen zu der Wirecard AG zu beenden.

Zudem ist der Kläger der Ansicht, dass es die Beklagte durch ihren Vorstand pflichtwidrig unterlassen habe Informationen, welche zu einem abrupten Ende der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Wirecard AG geführt haben, an ihre Depotkunden weiterzugeben. Die Beklagte sei rechtlich verpflichtet gewesen, eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 Abs. 1 MAR, § 26 WpHG zu veröffentlichen.

Der Kläger ist daher der Meinung, dass die Beklagte den ihm insoweit hinsichtlich der Kursverluste der Wirecard AG entstandenen Schaden zu ersetzen haben. Ein solcher Anspruch folge dabei sowohl aus einer (Neben)-Pflichtverletzung zum Depotvertrag sowie direkt aus §§ 97, 98 WpHG. Der Kläger beziffert dabei den ihm entstandenen Schaden auf 165.099,69 Euro, wobei er hiervon im Wege der Teilklage lediglich einen Betrag in Höhe von 60.000 Euro geltend macht.

Die Entscheidung

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat die Klage abgewiesen.

Es bestehe kein Anspruch gem. §§ 280, 241 BGB i. V. m. dem zwischen den Parteien bestehenden Depotvertrag. Insbesondere habe der Depotvertrag keine umfassende fortdauernde Vermögenssorge oder Beratungspflicht über tatsächliche Begebenheiten auf dem Kapitalmarkt zum Gegenstand. Der Kunde bleibe für seine Anlageentscheidungen selbst verantwortlich.

Zudem sei durch den Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden, welche Informationen die Beklagte ihm vorenthalten haben soll.

Soweit der Kläger ein abruptes Ende der Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Wirecard AG vorgetragen hat, führt die Kammer aus, dass es der Beklagten gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 GWG untersagt gewesen sei, den Vertragspartner, den Auftraggeber der Transaktion oder sonstige Dritte von einer beabsichtigten oder erstatteten Meldung an die Financial Intelligence Unit nach § 43 Absatz 1 GWG in Kenntnis zu setzen.

Es ergebe sich auch kein Anspruch aus §§ 97, 98 WpHG, weil deren Anwendungsbereich in Bezug auf die Beklagte nicht eröffnet sei.

Nach § 97 WpHG sei ein Emittent, der für seine Finanzinstrumente die Zulassung zum Handel an einem inländischen Handelsplatz genehmigt oder an einem inländischen regulierten Markt oder multilateralen Handelssystem beantragt hat, einem Dritten zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Dritten dadurch entsteht, dass der Emittent es unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu veröffentlichen. § 98 WpHG wiederum normiere vergleichbare Pflichten, falls es sich um unwahre Informationen handelt.

Vorliegend habe der Kläger jedoch kein Finanzinstrument der Beklagten, sondern Aktien der Wirecard AG erworben. Soweit in der Literatur teilweise eine allgemeine gesetzliche Vertrauenshaftung für das Inverkehrbringen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen angenommen werde, folge die Kammern einem solchen Ansatz nicht.

Aus den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten scheitere daher auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 26 WpHG oder Art. 17 MAR.

Quelle: Landgericht Koblenz