AG Frankfurt, Pressemitteilung vom 29.05.2020 zum Urteil 971 Owi 955 Js-OWi 65423/19 vom 22.03.2019
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass keine rechtfertigende Notstandssituation vorliege, wenn ein Ehemann seine Frau mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Klinik transportiert, weil er nicht auf den Rettungswagen warten wollte. (Urteil vom 22.03.2019, Geschäftsnr.: 971 Owi 955 Js-OWi 65423/19).
Im Rahmen des zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeitsverfahrens fuhr der Betroffene mit seinem Pkw in Frankfurt am Main innerorts mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h, wobei dort lediglich 30 km/h erlaubt waren. Dies wurde mittels eines Geschwindigkeitsmessgerätes fotografisch festgehalten. Der Betroffene führte zu seiner Verteidigung aus, seine Ehefrau habe sich beim gemeinsamen Kochen mit den Kindern am Zeigefinger geschnitten. Die Wunde habe so stark geblutet, dass er sich – erschrocken über das Ausmaß – entschieden habe, keinen Rettungswagen zu rufen, sondern selbst ins Krankenhaus zu fahren. Einige Monate zuvor habe sich bereits ein Vorfall ereignet, bei dem der wegen Unterleibsschmerzen der Ehefrau gerufene Rettungswagen erst nach rund 40 Minuten eingetroffen sei.
Das Amtsgericht Frankfurt hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h eine Geldbuße von 235 Euro sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, Ziff. 1.3.7 BKat festgesetzt. Zwar könne auch eine Ordnungswidrigkeit grundsätzlich durch Notstand gemäß § 16 OWiG gerechtfertigt sein. Hier scheide eine solche Rechtfertigung jedoch aus zweierlei Gründen aus. Zum einen habe schon keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der Ehefrau vorgelegen, weil weder ihr Tod noch eine sonstige Komplikation aufgrund der Verletzung ernsthaft zu erwarten waren. Zum anderen käme eine Rechtfertigung auch nur dann in Betracht, wenn die gegenwärtige Gefahr objektiv nicht anders abwendbar gewesen wäre. Hier sei es dem Betroffene nach der Begründung des Gerichts jedoch im Sinne eines alternativ rechtmäßigen Verhaltens zumindest zumutbar gewesen, ein Rettungsfahrzeug zu rufen.