Weinrecht - 21. November 2019

Geschützte Weinbezeichnung „Rheinhessen“

VG Mainz, Pressemitteilung vom 21.11.2019 zum Urteil 1 K 67/19 vom 24.10.2019

Ein Winzer darf für zwei mit Reben neu bestockte Grundstücke in der Gemarkung Nieder-Hilbersheim (Landkreis Mainz-Bingen) die geschützte Ursprungsbezeichnung „Rheinhessen“ verwenden und muss sich nicht auf die allgemeine Bezeichnung „Deutscher Wein“ verweisen lassen. Sofern die im Rahmen des Unterschutzstellungsverfahrens der Europäischen Union (EU) verfasste und im öffentlichen Register „eAmbrosia“ abrufbare Produktspezifikation keine Beschränkung der geschützten Rebflächen einer Gemeinde enthalte, seien davon abweichende nationale Regelungen unbeachtlich. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz.

Die in der Gemarkung Nieder-Hilbersheim gelegenen Rebflächen wurden 2007/2008 gerodet, die Wiederbepflanzungsrechte anderweit verbraucht. Der klagende Winzer beabsichtigt die erneute Nutzung der Grundstücke als Weinberge. Deshalb beantragte er bei der beklagten Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz die Bestätigung, dass die Flurstücke im Bereich der geschützten Ursprungsbezeichnung „Rheinhessen“ liegen. Dies lehnte die Beklagte ab und stellte fest, dass die höchstrangige Angabe für Erzeugnisse der beiden Flurstücke „Deutscher Wein“ sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgte der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter und machte geltend, maßgeblich für die Feststellung, ob ein Grundstück im Bereich der geschützten Ursprungsbezeichnung „Rheinhessen“ liege, sei die hierfür der EU übermittelte Produktspezifikation, die Rebflächen der gelisteten Gemeinden (hier Nieder-Hilbersheim) zum Anbaugebiet erklärten. Die Beklagte hielt der Klage entgegen, dass nicht alle Flächen der Gemeinde Nieder-Hilbersheim von der Produktspezifikation umfasst seien. Zum geschützten Gebiet der Gemeinde zählten lediglich nach der Rechtslage zum Stichtag des 1. August 2009 nach der EU-Weinbaukartei bestockte bzw. vorübergehend nicht bestockte Rebflächen. Diese Rechtslage sei auch weiterhin maßgeblich, da es sich um einen bestehenden Weinnamen und damit lediglich um einen übergeleiteten Schutz handele. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt.

Nach der einschlägigen Produktspezifikation gelte für beide Grundstücke in der Gemarkung Nieder-Hilbersheim die geschützte Ursprungsbezeichnung „Rheinhessen“. Die von der Beklagten für die Bestimmung der Schutzeigenschaft einer Rebfläche in einer Gemeinde herangezogene Rechtslage zum 1. August 2009 könne nicht als maßgebliches Kriterium herangezogen werden. Die geographische Angabe „Rheinhessen“ sei ausweislich des elektronischen Registers der Europäischen Kommission „eAmbrosia“ seit 1973 als Ursprungsbezeichnung für Wein geschützt. Im Rahmen der Fortschreibung europäischer Weinvorschriften habe es der Einreichung von Antragsunterlagen durch die Nationalstaaten bedurft, um für bestehende geschützte Weinnamen eine automatische Weitergeltung des Schutzes zu erreichen. Ein solcher Antrag sei für das Gebiet „Rheinhessen“ mit einer Produktspezifikation, die das Schutzgebiet mit „Rebflächen u.a. der Gemeinde Nieder-Hilbersheim“ bezeichne, gestellt worden. Dem Antrag nicht beigefügt gewesen sei jedoch das auf der Webseite des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz hinterlegte Beiblatt zur erläuternden Ergänzung der Produktspezifikation. Dieses regele die von der Beklagten vertretene Beschränkung, wonach zum Gebiet der geschützten Ursprungsbezeichnung (nur) alle zulässigerweise zur Erzeugung von Qualitätswein nach der EU-Weinbaukartei zum 1. August 2009 bestockte und vorübergehend nicht bestockte Rebflächen sowie dazu in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang stehende Flächen gehörten. Sei die Beschränkung auf den Rechtsstand im Jahr 2009 danach nicht in der angemeldeten Produktbezeichnung zum Ausdruck gekommen, könne sie auch nicht ihr konstitutiver Bestandteil sein. Es sei gerade Sinn und Zweck der in einem allgemein zugänglichen Register niedergelegten Produktspezifikation, Interessenten die Bedingungen und die räumlichen Grenzen der geschützten Ursprungsbezeichnungen ohne die Inanspruchnahme weiterer Erkenntnisquellen in klarer und bestimmter Weise zu vermitteln. Mit dieser Betrachtung werde auch gewürdigt, dass wesentliches Merkmal einer geschützten Ursprungsbezeichnung für Wein primär die geografische Herkunft sei. Die Produktspezifikation sei nach den EU-Vorschriften gegenüber nationalen Regelungen grundsätzlich abschließend und vorrangig. Jedenfalls ohne ausreichende Bezugnahme der Produktspezifikation könnten nationale Inhaltsvorbehalte keine Wirkung entfalten.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassen.