EU-Recht - 4. März 2024

EuGH zum Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln im Fernabsatz

EuGH, Pressemitteilung vom 29.02.2024 zum Urteil C-606/21 vom 29.02.2024

Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln im Fernabsatz: Der Gerichtshof erläutert die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat einen Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht, verbieten kann.

Die Gesellschaft Doctipharma betreibt eine Website, auf der es bis 20161 möglich war, über Websites von Apotheken rezeptfrei erhältliche pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zu kaufen. Konkret stellte die Website von Doctipharma die Waren mittels eines vorgespeicherten Katalogs zur Verfügung, der Kunde wählte die Arzneimittel aus und seine Bestellung wurde anschließend an die Apotheken weitergeleitet, deren Websites Doctipharma hostete. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte über ein für alle Apotheken anwendbares einheitliches Zahlungssystem von einem dafür vorgesehenen Konto.

Die Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) stellte die Rechtmäßigkeit dieser Website in Frage:

Durch den Dienst, den Doctipharma mittels ihrer Website erbringe, nehme sie am elektronischen Arzneimittelhandel teil und verstoße daher gegen die nationalen Rechtsvorschriften, die den Verkauf von Arzneimitteln durch Personen, die nicht die Eigenschaft eines Apothekers hätten, verböten.

Die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) fragt den Gerichtshof zum einen, ob es sich bei der Tätigkeit von Doctipharma um einen Dienst der Informationsgesellschaft handelt, und zum anderen, ob das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Erbringung eines solchen Dienstes zu verbieten, der darin besteht, mittels einer Website Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken zusammenzuführen, die diesen Dienst abonniert haben.

Der Gerichtshof stellt insoweit klar, dass der Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und potenziellen Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln besteht, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne des Unionsrechts fällt2.

Mit seinem Urteil entscheidet der Gerichtshof wie folgt:

1. Wird der Anbieter, der keine Apothekereigenschaft besitzt, selbst als Verkäufer der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel angesehen, kann der Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, die Erbringung dieses Dienstes verbieten.

2. Beschränkt sich der betreffende Anbieter hingegen durch eine eigene und vom Verkauf unabhängige Leistung darauf, Verkäufer und Kunden zusammenzuführen, dürfen die Mitgliedstaaten diesen Dienst nicht mit der Begründung verbieten, dass die betreffende Gesellschaft am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne die Eigenschaft eines Apothekers zu haben.

Zwar sind allein die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Personen zu bestimmen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft ermächtigt oder befugt sind, doch müssen sie auch sicherstellen, dass der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten werden und dürfen folglich einen solchen Dienst für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verbieten.

Fußnoten

1 Mit Urteil vom 31. Mai 2016 wurde Doctipharma dazu verurteilt, den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf ihrer Website einzustellen.
2 Die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften definiert den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.