EU-Recht - 7. Februar 2024

EU-Kommission empfiehlt Klimaziel für 2040: 90 Prozent weniger Emissionen

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 06.02.2024

Auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 will die Kommission die Treibhausgas-Emissionen weiter senken. Sie empfiehlt, dass die EU im Einklang mit wissenschaftlichen Gutachten für das Jahr 2040 für die Nettotreibhausgas-Emissionen ein Reduktionsziel um mindesten 90 Prozent verglichen zum Stand von 1990 setzt. Maroš Šefčovič, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal, sprach von einer strategischen Entscheidung, in eine nachhaltige und weltweit wettbewerbsfähige Wirtschaft zu investieren, in deren Mittelpunkt eine flexible, saubere Industrie steht. „Heute unternehmen wir den nächsten Schritt in genau diese Richtung, mit dem übergeordneten Ziel, für dauerhaften Wohlstand, stabile Arbeitsplätze und eine größere wirtschaftliche Sicherheit in der EU zu sorgen. Wir betrachten die Führungsrolle der Industrie und den gerechten Übergang als zwei Seiten einer Medaille. Als starker globaler Akteur auf dem Gebiet der Netto-Null-Technologien hält die EU auch weiterhin an Fairness und Solidarität als wesentlichen Elementen des europäischen Grünen Deals fest.“

Nach der Wahl zum Europäischen Parlament Anfang Juni wird die dann kommende Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen, der im Einklang mit dem EU-Klimagesetz mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten abgestimmt wird. In der vorgestellten Mitteilung werden auch eine Reihe grundlegender politischer Voraussetzungen genannt, die für die Erreichung des 90-Prozent-Ziels maßgeblich sind. Diese Empfehlung steht im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats für Klimawandel und den Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Klimaübereinkommens.

Vorhersehbarkeit und Nachhaltigkeit für unsere Wirtschaft und Gesellschaft

Die Festlegung eines Klimaziels für 2040 wird es der Industrie, Investoren, Bürgerinnen und Bürgern sowie Regierungen in Europa erleichtern, in den kommenden Jahren Entscheidungen zu treffen und auf die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 Kurs zu halten. Damit werden wichtige Signale gesendet, wie längerfristig wirksam investiert und geplant und auf diese Weise das Risiko, Vermögenswerte zu verlieren, möglichst gering gehalten werden kann. Eine solche Vorausplanung ermöglicht eine prosperierende, wettbewerbsfähige und gerechte Gesellschaft sowie die Dekarbonisierung der Industrie und der Energiesysteme der EU und stellt sicher, dass Europa ein bevorzugtes Investitionsziel mit stabilen, zukunftssicheren Arbeitsplätzen ist.

Auf diese Weise wird auch die Resilienz Europas gegenüber künftigen Krisen erhöht. Insbesondere stärkt das die Unabhängigkeit der EU von der Einfuhr fossiler Brennstoffe, auf die 2022 – als wir mit den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine konfrontiert wurden – über 4 Prozent des BIP entfielen. Die Kosten des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf den Menschen nehmen laufend zu und treten immer deutlicher zutage. Allein die in Europa entstandenen klimabedingten wirtschaftlichen Schäden der vergangenen fünf Jahre werden auf 170 Milliarden Euro geschätzt. In der Folgenabschätzung der Kommission wird festgestellt, dass eine stärkere Erderwärmung infolge von Untätigkeit selbst bei konservativen Annahmen zu einem Rückgang des BIP der EU bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 7 Prozent führen könnte.

Voraussetzungen für die Erreichung des empfohlenen Ziels

Die Verringerung der Emissionen um 90 Prozent bis 2040 ist an eine Reihe grundlegender Voraussetzungen geknüpft. Ausgangspunkt ist die vollständige Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften, wonach die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken sind. Die derzeitige Aktualisierung der Entwürfe der nationalen Energie- und Klimapläne ist ein Schlüsselelement bei der Überwachung der Fortschritte, und die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten, der Industrie und den Sozialpartnern zusammen, um die erforderlichen Maßnahmen zu erleichtern. Aus dem Grünen Deal muss nun ein Deal für die Dekarbonisierung der Industrie hervorgehen, der auf bisherigen industriellen Errungenschaften wie Windkraft, Wasserkraft und Elektrolyseuren aufbaut und die heimischen Produktionskapazitäten in Wachstumssektoren wie Batterien, Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Fotovoltaik, CO2 -Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung, Biogas und Biomethan sowie die Kreislaufwirtschaft weiter stärkt. Die Bepreisung von CO2-Emissionen und der Zugang zu Finanzmitteln sind für die Erreichung der Emissionsreduktionsziele durch die europäische Industrie ebenfalls von entscheidender Bedeutung.

Fairness, Solidarität und Sozialpolitik müssen beim Übergang weiterhin im Mittelpunkt stehen. Die Klimamaßnahmen müssen für alle Mitglieder der Gesellschaft von Vorteil sein, und die Klimapolitik muss diejenigen berücksichtigen, die am stärksten benachteiligt sind oder durch die Anpassung vor die größten Herausforderungen gestellt werden. Der Klima-Sozialfonds und der Fonds für einen gerechten Übergang sind Beispiele für solche Maßnahmen, die den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den Beschäftigten bereits in diesem Jahrzehnt helfen werden.

Schließlich ist ein offener Dialog mit allen Interessenträgern eine entscheidende Voraussetzung für die Energiewende. Die Kommission hat bereits förmliche Dialoge mit Interessenträgern aus Industrie und Landwirtschaft aufgenommen, und die politische Debatte, die in den kommenden Monaten in Europa geführt wird, bietet sich an, um für öffentliche Teilhabe an den nächsten Schritten und politischen Entscheidungen zu sorgen. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit wird der nächsten Kommission die Vorlage von Legislativvorschlägen erleichtern, die für die Zeit nach 2030 einen politischen Rahmen schaffen, mit dem das Ziel für 2040 auf faire und kosteneffiziente Weise erreicht werden kann.

Dekarbonisierung im Energie- und Verkehrssektor

Den Prognosen zufolge dürfte der Energiesektor kurz nach 2040 vollständig dekarbonisiert sein. Die Kommission hat bereits Strategien festgelegt, um für die rasche Einführung erneuerbarer, nuklearer und anderer CO2-freier und CO2-armer Lösungen, die Förderung der Energieeffizienz und die weitere Elektrifizierung zu sorgen. Die Industrieallianz für kleine modulare Reaktoren, die heute ins Leben gerufen wurde, ist die jüngste Initiative zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zur Sicherung einer starken EU-Lieferkette und qualifizierter Arbeitskräfte. Ein wichtiger Vorteil dieser Bemühungen ist die geringere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, deren Nutzung bis 2040 um 80 % gegenüber 2021 zurückgehen dürfte. Der politische Rahmen für die Zeit nach 2030 wird es ermöglichen, diese Strategien weiterzuentwickeln und durch sozial- und industriepolitische Maßnahmen zu ergänzen, damit die Abkehr von fossilen Brennstoffen reibungslos gelingt.

Im Verkehrssektor dürfte die Dekarbonisierung durch eine Kombination aus technischen Lösungen und CO2-Bepreisung erreicht werden. Für die Emissionen aus dem Straßenverkehr wird bereits ein Rückgang um fast 80 % bis 2040 vorhergesagt. Mit den richtigen Strategien und der richtigen Unterstützung kann der Agrarsektor ebenfalls eine Rolle beim Übergang spielen und gleichzeitig für eine ausreichende Lebensmittelerzeugung in Europa sorgen, faire Einkommen sichern und andere wesentliche Leistungen erbringen, wie z. B. die Verbesserung der Fähigkeit von Böden und Wäldern, mehr Kohlenstoff zu speichern. Ein ganzheitlicher Dialog mit den landwirtschaftlichen Betrieben und der gesamten Lebensmittelindustrie ist für den Erfolg in diesem Bereich und für die Entwicklung nachhaltiger Methoden und Geschäftsmodelle von entscheidender Bedeutung.

Ein europäisches Konzept für das industrielle Kohlenstoffmanagement

Um die Senkung der derzeitigen Emissionsmengen in den kommenden Jahren zu erreichen werden wir auch Technologien benötigen, mit denen CO2 abgeschieden oder direkt aus der Atmosphäre entfernt und dann gespeichert oder genutzt werden kann. Diese Technologien werden sich auf Sektoren konzentrieren, in denen es besonders schwierig oder kostspielig ist, die Emissionen zu reduzieren, wie z. B. die Prozessemissionen in der Zementindustrie oder bei der Energiegewinnung aus Abfall. Die Kommission hat daher eine Mitteilung zum industriellen Kohlenstoffmanagement angenommen, in der sie im Einzelnen darlegt, wie diese Technologien dazu beitragen könnten, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken.

Ein Binnenmarkt für CO2

In der Mitteilung wird eine Reihe von Maßnahmen genannt, die auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene ergriffen werden müssen, um die Einführung dieser Technologien und der notwendigen Infrastruktur zu ermöglichen, damit in den kommenden Jahrzehnten ein Binnenmarkt für CO2 in Europa entstehen kann. Die Kommission wird mit vorbereitenden Arbeiten für ein mögliches künftiges CO2-Transport- und -Speicherregelungspaket beginnen, in dem Fragen wie Markt- und Kostenstruktur, Zugang Dritter, CO2-Qualitätsstandards oder Investitionsanreize für neue Infrastrukturen behandelt werden sollen. Die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Kommission hat einen Bericht über das künftige CO2-Transportnetz für Europa und den damit verbundenen Investitionsbedarf veröffentlicht.

Anrechnung von Abbau und Speicherung im EU-Emissionshandelssystem

Die Kommission wird auch die CO2-Mengen bewerten, die direkt aus der Atmosphäre entfernt werden müssen (industrieller CO2-Abbau), um die Emissionsreduktionsziele der EU für 2040 und 2050 zu erreichen. Dazu gehört auch eine Bewertung, wie der Abbau und die dauerhafte Speicherung im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) angerechnet werden könnten. Um die Ausweitung des Marktes für die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2-Emissionen zu unterstützen, wird die Kommission Leitlinien für die Genehmigungsverfahren für Projekte und einen Atlas potenzieller Speicherstätten erstellen. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten wird außerdem ein Aggregationsinstrument entwickelt, um CO2-Lieferanten mit Transport- und Speicherbetreibern sowie CO2-Abnehmern zusammenzubringen.

Die Kommission will damit einen klaren Rahmen für die Kohlenstoffbilanzierung bei der Nutzung von abgeschiedenem CO2 als Ressource schaffen, der die Klimavorteile der Nutzung von CO2 als Ressource in industriellen Prozessen widerspiegelt. Dies wird dazu beitragen, die Nutzung von nachhaltigem Kohlenstoff in den Industriesektoren zu fördern.

Quelle: EU-Kommission