Zivilrecht - 25. Mai 2023

Ein teurer Umzug: Schadensersatz für zerkratzten Aufzug?

LG Koblenz, Mitteilung vom 25.05.2023 zum Urteil 4 O 98/21 vom 24.04.2023 (nrkr)

Muss ein Mieter, der beim Umzug zwei Kratzer in einem Aufzug verursacht, den kompletten Austausch der Edelstahlverkleidung bezahlen? Diese Frage hatte die 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu entscheiden.

Zum Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in K. Dort ist ein Personenaufzug, Baujahr 2015, eingebaut, dessen Kabine innen mit einer Edelstahlverkleidung ausgekleidet ist. Im November 2019 nutzte der Beklagte, ein ehemaliger Mieter des Klägers, bei seinem Auszug den Aufzug. Beim Einstellen von Möbel in den Aufzug verursachte der Beklagte an der Rückwand und der linken Seitenwand jeweils einen Kratzer. Der Kläger behauptet, zur Wiederherstellung des Aufzugs sei ein vollständiger Austausch der Seiten- und Rückwand erforderlich, was insgesamt einen Reparaturaufwand in Höhe von 13.550 Euro (netto) verursache. Außergerichtlich zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten an den Kläger zur Abgeltung des Schadens einen Betrag in Höhe von 5.000 Euro und ist der Auffassung, dass weitergehende Ansprüche im Hinblick auf den Schaden unverhältnismäßig seien. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung des Differenzbetrags in Höhe von 8.550 Euro zuzüglich angefallener Kosten für den Kostenvoranschlag in Höhe von 206,47 Euro.

Die Entscheidung

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Nach der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens steht für die Kammer fest, dass eine tatsächliche Schadensbeseitigung aus technischen Gründen nur durch den Austausch der beschädigten Edelstahlverkleidungen und durch den Ersatz gleichwertiger Originalteile möglich ist. Die Anbringung einer zusätzlichen Wandverkleidung mit dem Zweck, die Schäden zu kaschieren, sei aus statischen Gründen nicht möglich.

Auch sind die erforderlichen Kosten nicht unverhältnismäßig. Grundsätzlich habe der Geschädigte einen Anspruch auf Naturalrestitution, d. h. auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. auf den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag (§ 249 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies sei nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen möglich ist (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Im Rahmen der durchgeführten Abwägung spreche für einen Austausch der beschädigten Teile, dass eine anderweitige Lösung technisch nicht möglich sei. Zwar handele es sich nur um eine „optische“ Beeinträchtigung, welche aber nach den Ausführungen des Sachverständigen deutlich erkennbar sei.

Auch scheitere ein Abzug „Neu für Alt“, denn mit der Wiederherstellung der beschädigten Wandverkleidungen geht weder eine Verbesserung des Aufzugs noch eine Verlängerung seiner Lebensdauer einher. Ein Aufzug ist stetig im Hinblick auf die Betriebssicherheit zu überprüfen und muss ständig dem jeweiligen Stand der Technik angepasst werden. Dies führt dazu, dass zugelassene Aufzüge regelmäßig erneuert und modernisiert werden müssen.

Hinweis zur Rechtslage

Auszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch:

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung

(1) …

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Quelle: Landgericht Koblenz