Zivilrecht - 30. April 2020

Dieselskandal: Schadensersatz auch bei „spätem“ Kauf

8. Zivilsenat festigt seine Rechtsprechung
OLG Koblenz, Pressemitteilung vom 30.04.2020 zu den Urteilen 8 U 1351/19 vom 13.03.2020 und 8 U 1956/19 vom 03.04.2020

Die beklagte Herstellerin des vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Motors EA 189 hafte auch bei „spätem“ Kauf aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Soweit die Beklagte in einer Mitteilung vom 22. September 2015 und durch eine im Oktober 2015 freigeschaltete Website die Öffentlichkeit über den Einbau der beanstandeten Software informiert habe, entfalle hierdurch das ihr anzulastende objektiv sittenwidrige Verhalten nicht. Denn die Beklagte habe jeweils die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs nicht offengelegt. Das hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in kürzlich veröffentlichten Urteilen (Urteile vom 13. März 2020, Az. 8 U 1351/19, und vom 3. April 2020, Az. 8 U 1956/19) entschieden und hiermit die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts Trier und des Landgerichts Bad Kreuznach, mit denen jeweils die Klage abgewiesen worden war, abgeändert.

Den Entscheidungen liegt jeweils der Fall zugrunde, dass der Kläger ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenes Fahrzeuge deutlich nach Bekanntwerden des Manipulationsvorwurfs gekauft hatte. Einmal erfolgte der Kauf eines gebrauchten VW Touran am 17. Februar 2016 (Urteil vom 13. März 2020, Az. 8 U 1351/19). Das andere Mal erwarb der Kläger am 17. Oktober 2017 einen gebrauchten VW Passat (Urteil vom 3. April 2020, Az. 8 U 1956/19). Die Käufer hatten sich jeweils darauf berufen, von der Beklagten über die Beschaffenheit des Fahrzeugs getäuscht worden zu sein.

Nach Auffassung des Senats haftet die Beklagte auch für diese „späten“ Käufe aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Das objektiv sittenwidrige Verhalten der Beklagten habe zum Zeitpunkt des jeweiligen Kaufs weiterhin angedauert, weil diese die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Manipulationsvorwurf nicht hinreichend informiert habe. Die Beklagte vertrete bis heute die Auffassung, gar keine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut zu haben. Auch habe sie nicht offengelegt und eingeräumt, dass durch die Verwendung der Abschaltsoftware die Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge drohe. Bis heute bagatellisiere die Beklagte auch den Schaden für die Umwelt.

Hintergrund

Die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 ist in den Urteilen wie folgt wiedergegeben:

„Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran (…). Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.“

Der über die im Oktober 2015 von der Beklagten freigeschaltete Website abrufbare Hinweis ist in den Urteilen wie folgt wiedergegeben:

“ … wir müssen Sie leider informieren, dass der in Ihrem Fahrzeug mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) … eingebaute Dieselmotor vom Typ EA 189 von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstand (NEFZ) optimiert. Wir versichern Ihnen jedoch, dass Ihr Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit ist. Wir bedauern zutiefst, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben und arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung. Volkswagen wird schnellstmöglich auf Sie zukommen, um Sie über die notwendigen Maßnahmen zu informieren. Sollten Sie keinen Volkswagen-Kontakt haben, nutzen Sie bitte unsere Kontaktfunktion auf dieser Website.“

Hinweis

Es wird darauf hingewiesen, dass andere Senate des Oberlandesgerichts Koblenz im Falle eines „späten“ Kaufs einen Schadensersatzanspruch verneinen. Die Entscheidungen hierzu finden Sie auf der
Homepage des OLG Koblenz
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