Zivilrecht - 12. Februar 2024

BGH zur Rücknahmepflicht: Wer die Rücknahme verweigert, kann Nebenpflichten verletzen

BRAK, Mitteilung vom 12.02.2024 zum Urteil VIII ZR 164/21 vom 29.11.2023

Wird ein Kaufvertrag rückabgewickelt, so kann der Verkäufer sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er die Sache nicht zurücknimmt, so der BGH.

Weigert sich ein Verkäufer nach wirksamem Rücktritt des Käufers, die mangelhafte Kaufsache zurückzunehmen, kann dies eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen, so der Bundesgerichtshof (BGH). Dies könne dann zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB führen. Die umstrittene Frage, ob der Verkäufer gem. § 346 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine Pflicht zur Rücknahme der Kaufsache hat, ließ der BGH jedoch ausdrücklich offen. (Urt. v. 29.11.2023, Az. VIII ZR 164/21).

Im konkreten Fall hatte ein Bauunternehmen von einem Lieferanten 22.000 Tonnen Recycling-Schotter gekauft. Vier Jahre später stellte sich heraus, dass dieser mit Arsen belastet war. Der Lieferant weigerte sich jedoch, den Vertrag rückabzuwickeln und das Material zurückzunehmen. Das Bauunternehmen musste – aufgrund eines durch die Bauherrin angestrengten Prozesses – das Material selbst entfernen und neues einbringen. In einem ersten Prozess verklagte er daraufhin den Lieferanten erfolgreich auf Rückzahlung des Kaufpreises und Übernahme der Mehrkosten für neuen, mangelfreien Schotter. Weil der Lieferant aber weiterhin den entfernten Schotter nicht abholte, verklagte das das Bauunternehmen ihn ein zweites Mal, u. a. auf Übernahme der Kosten für den Ausbau und Abtransport des Schotters (mit über 800 Lkw-Fuhren) in Höhe von ca. 1,3 Millionen Euro. In den beiden ersten Instanzen verlor er, doch vor dem BGH hatte er nun Erfolg.

BGH: Gesetzgeber sieht Lasten der Rückabwicklung beim Verkäufer

Im Hinblick auf die Kosten für den Abtransport des Schotters führten die Karlsruher Richterinnen und Richter aus: Zwar sei umstritten, ob aus § 346 Abs. 1 BGB – spiegelbildlich zu § 433 Abs. 2 BGB – eine Verpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache bestehe. Dieser Streit sei hier aber nicht zu entscheiden.

Denn der hier allein geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB könne sich hier bereits aus der Verletzung von Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Diese bestünden explizit auch im Rückgewährschuldverhältnis. Danach müssen sich die Parteien eines Schuldverhältnisses so verhalten, dass keine Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verletzt werden. Die Pflichtverletzung könne unter Umständen wie diesen in der Weigerung des Verkäufers liegen, die Sache nach dem Rücktritt zurückzunehmen, so der BGH.

In Fällen wie diesen böten die anderen vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten zur Wahrung der Interessen des (Rückgewähr-)Schuldners (z. B. Aufwendungsersatz gem. § 347 BGB und die gesetzlichen Folgen des Annahmeverzugs) dem Käufer nur einen unzureichenden Schutz. In solchen Fällen verstoße der Verkäufer dann regelmäßig gegen Rücksichtnahmepflichten, wenn er die Kaufsache nicht zurücknähme, obwohl ihm die besondere Belastung des Käufers erkennbar sei.

Dies sei ihm auch zumutbar. Denn es entspreche der gesetzgeberischen Wertung, wonach die Interessen des Verkäufers hinter denen des Käufers zurückträten. Die mit der Kaufsache einhergehenden wirtschaftlichen Belastungen würden bei der Rückabwicklung gem. § 346 ff. BGB immerhin endgültig dem Verkäufer zugewiesen.

Der Fall wurde in diesem Umfang zur neuen Verhandlung an das OLG Zweibrücken zurückverwiesen.

Quelle: BRAK