Sozialversicherungsrecht - 2. Dezember 2019

Berechnung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der GKV bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft

SG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 28.11.2019 zum Urteil S 6 KR 3579/17 vom 20.09.2019 (nrkr)

Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen in der GKV bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft ist nicht nach § 62 Abs. 2 SGB V zu berechnen.

Die Klägerin begehrt die Festsetzung einer niedrigeren Belastungsgrenze für Zuzahlungen zu Leistungen der GKV im Jahr 2016. Die über eigenes Einkommen verfügende Klägerin lebt mit ihrem erwerbsunfähigen, einkommenslosen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Die beklagte Krankenkasse hat die Belastungsgrenze der Klägerin für das Jahr 2016 nur auf der Grundlage von deren eigenem Einkommen berechnet (§ 62 Abs. 1 SGB V). Die Klägerin begehrt hingegen eine – für sie günstigere – Berechnung unter Zugrundelegung des sog. Familiengesamteinkommens nach § 62 Abs. 2 SGB V, wonach für alle Haushaltsmitglieder eine einheitliche Belastungsgrenze auf der Grundlage des insgesamt verfügbaren Einkommens zu bilden ist, auf die zugleich die Zuzahlungen aller Haushaltsmitglieder angerechnet werden. Die Beklagte lehnt dies ab, weil die Regelung des § 62 Abs. 2 SGB V nur auf Eheleute und eingetragene Lebenspartner anwendbar sei.

Die Klage vor der 6. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe hatte keinen Erfolg.

Der Anwendungsbereich von § 62 Abs. 2 SGB V sei nach dem Wortlaut auf Eheleute und eingetragene Lebenspartner begrenzt. Dies sei auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Die Vorschrift des § 62 Abs. 2 SGB V knüpfe gedanklich daran an, dass unter Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern gesetzliche Unterhaltspflichten bestünden, die eine gleichmäßige Einkommensverteilung gewährleisteten. In nichtehelichen Lebensgemeinschaften bestünden jedoch keine einklagbaren Einstandspflichten. Es bestünden dort auch keine zumindest unterhaltsähnlichen Pflichten, wenn – wie vorliegend – die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine sozialhilferechtliche Bedarfsgemeinschaft bildeten. Denn den wirtschaftlich leistungsfähigen Partner treffe keine Rechtspflicht zur Versorgung des anderen. Seine Weigerung zur Versorgung des bedürftigen Partners habe auch nicht automatisch zur Folge, dass der Sozialhilfeträger vorläufig Leistungen erbringe und ihn in der Folge in Regress nehme. Im Übrigen wirke sich die Regelung des § 62 Abs. 2 SGB V für Eheleute nicht nur positiv aus. Nachteilig sei sie etwa, wenn ein gesetzlich Versicherter mit einem Privatversicherten mit hohem Einkommen verheiratet sei, denn die Belastungsgrenze des gesetzlich versicherten Ehepartners sei dann ebenfalls nach dem Einkommen beider Eheleute zu bestimmen, obwohl Aufwendungen des privatversicherten Partners (z. B. Beihilfe-Eigenanteile) nicht auf die Gesamt-Belastungsgrenze anrechenbar seien.