OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 04.10.2019 zum Urteil 5 U 47/19 vom 02.10.2019 (nrkr)
Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat jetzt der Klage einer Frau aus Schleswig-Holstein gegen die Volkswagen AG stattgegeben. Es handelt sich um das erste Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg, in dem eine Haftung von VW grundsätzlich bejaht wird.
Die Frau hatte 2014 – also noch bevor der sog. Abgasskandal in der Presse diskutiert wurde – in Oldenburg einen gebrauchten Pkw Golf VI Diesel zum Preis von rund 16.000 Euro gekauft. In dem Fahrzeug war der von der VW AG hergestellte Dieselmotor EA 189 verbaut. Nachdem das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Programmierung des Motors als unzulässige Abschalteinrichtung gerügt hatte, wurde im Jahr 2017 ein von der VW AG entwickeltes Software-Update aufgespielt. Die Klägerin wollte das Fahrzeug aber nicht behalten und verklagte die VW AG auf Schadenersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Der Senat hat jetzt das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 11.01.2019 bestätigt, das der Klage im Wesentlichen stattgegeben hatte: Der Klägerin stehe gegen die VW AG ein Schadenersatzanspruch wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu (§ 826 BGB). Die VW AG habe die Klägerin durch den Einbau und das Inverkehrbringen des fehlerhaften Motors getäuscht. Denn die Klägerin hätte das Auto nicht gekauft, wenn sie von der Abschaltprogrammierung gewusst hätte, die – jedenfalls vor der Konzipierung des Software-Updates – das Risiko mit sich gebracht habe, dass das Auto nicht mehr im Straßenverkehr gefahren werden durfte. Das Verhalten der VW AG sei auch sittenwidrig, weil sie das mangelhafte Fahrzeug vorsätzlich und gerade zur Täuschung der Käufer in Verkehr gebracht habe.
Die Klägerin müsse sich allerdings die bereits gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Das heißt, sie kann das Fahrzeug zwar zurückgeben, erhält aber vom Kaufpreis nur einen Teil zurück. Für jeden gefahrenen Kilometer wird ein Abzug vorgenommen, weil die Klägerin das Auto ja tatsächlich genutzt und davon profitiert hat.
Die VW AG müsse der Klägerin allerdings für die Zeit ab Vertragsschluss Zinsen auf den Kaufpreis zahlen (§ 849 BGB). Denn sie habe ihr Geld, das sie ja für das Auto ausgegeben habe, nicht anderweitig nutzen können.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil es noch keine einheitliche Rechtsprechung der deutschen Oberlandesgerichte zu diesem Komplex gibt. Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte im Februar eine Haftung von VW verneint.