Steuerbürger sind uninteressant. Das war eines der häufiger zu hörenden Statements in den Diskussionen um die Satzungsänderung. Die heute nicht beratenen Steuerpflichtigen hätten nur Einfacherklärungen einzureichen, die sie selbst deklarieren können. Denn für Steuerberater seien solche Mandate nicht lukrativ. Noch nicht.
Minijobbende Studenten werden in vielen Fällen zu gut verdienenden Professionals, die Familien gründen, die Vermögen erben und verwalten müssen. Gut, wenn sie dann schon wissen, an wen sie sich wenden können. Nicht nur, weil die scheinbar uninteressanten Steuerpflichtigen von heute die lukrativen Mandate von morgen sein können, muss eine Genossenschaft, unter deren Dach sich Steuerberater versammeln, alles dafür tun, neue Zielgruppen für ihre Mitglieder zu gewinnen.
Neue Mandanten gewinnen
Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass sich diese neuen Zielgruppen dort am besten ansprechen lassen, wo sie sich aufhalten: im Internet. Diese Digital Natives werden es weit bringen, sie sind ehrgeizig und motiviert. Nach einer Studie von Goldman Sachs zu den Veränderungen des Konsumverhaltens werden die nach 1980 geborenen Jahrgänge bald die finanziell wichtigste Generation sein, nach deren Bedürfnissen sich die Industrie und der Dienstleistungssektor richten werden. Für rund 75 Prozent der in Großbritannien, Frankreich und Deutschland befragten 18- bis 34-Jährigen ist ein Smartphone von entscheidender Bedeutung, und die Mehrheit geht davon aus, den eigenen Haushalt in fünf Jahren komplett online zu organisieren. Dies zeigen die Ergebnisse einer im Juli 2016 durchgeführten Studie des Marktforschungsunternehmens Penn Schoen Berland (PSB), die auch sichtbar macht, dass diese Generation Wert auf hochwertige Produkte legt, die neue Trends, Innovationen und Interaktion bieten. Eine qualitativ hochwertige und interaktive Online-Steuerberatung ist dabei das Gebot der Stunde für diejenigen Steuerberater, die in dieser Zielgruppe Mandanten finden und halten möchten. Ein Online-Angebot gepaart mit einer dahinterstehenden Möglichkeit zur vertieften persönlichen Beratung bietet einen deutlichen Vorsprung vor reinen Servicedienstleistern, die ausschließlich Abrechnungen ohne Beratung anbieten, und vor isolierten Software-Lösungen. Es wird heute schon im Handel Software angeboten, die eine einfache Steuererklärung möglich macht. Alle Angebote haben allerdings eine gemeinsame Schwachstelle: Sie können und dürfen im Bedarfsfall keine Steuerberatung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe bieten. Vor diesem Hintergrund plant DATEV als berufsständisches Software-Haus der steuerberatenden Berufe eine Plattform für die Personen, die bisher noch keinen Kontakt zu steuerlichen Beratern hatten.
Diese Plattform muss attraktiv sein, damit sich über sie ein Kontakt zu einem Berater herstellen oder halten lässt. Hier könnten die Nutzer endlich alle Dokumente an einem sicheren Ort bündeln, um so ihren privaten Finanzbereich einschließlich ihres Bankkontos verwalten zu können. Es ließen sich vorausgefüllte Formulare abrufen und vervollständigen, und Daten könnten, bevor sie verschickt werden, einer intelligenten Prüfung unterzogen werden. Mit solchen Funktionen sollen die Steuerbürger an die neue Plattform gebunden werden, um sie so wiederum nachhaltig mit den Mitgliedern der DATEV in Kontakt zu bringen. Die Kombination aus einer überzeugenden Online-Lösung für die private Steuererklärung und dem Expertenwissen der Steuerberater gibt es schließlich nur beim DATEV-Mitglied – und sie führt für die Steuerbürger zu besseren Ergebnissen gegenüber bloßen Software-Lösungen. Über eine genossenschaftliche Plattform kommen Kanzleien mit neuen potenziellen Mandanten in Kontakt und haben darüber hinaus die Chance, bestehende Mandate an sich zu binden, indem sie das Angebot nutzen, um dort mit effizienten Workflows mit ihren Mandanten zusammenzuarbeiten. Einer zunehmend online-affin werdenden Mandantschaft gegenüber haben Kanzleien die Möglichkeit, sich als moderner und kompetenter Partner zu positionieren. Da Steuerberater hier auch weitere Angebote platzieren können, verspricht diese Strategie Gewinne, die über die Einkommensteuererklärungen hinausreichen.
Mehr Effizienz durch eine DATEV-Plattform
Gerade bei kosten- und honorarkritischen Einfachfällen bieten die sehr effizienten Workflows der Plattform erhebliche Vorteile. Die Vorerfassung und -sortierung der Belege kann beispielsweise auf die Mandanten oder die Plattform verlagert werden. Von einer Angebotserstellung über den komfortablen Tausch von Dokumenten bis zur Zahlungsabwicklung sind mehrere Szenarien vorgesehen, die bestehende Prozesse erfolgreicher machen werden. Die Zusammenarbeit mit den Mandanten wird über die Plattform einfacher und findet in der sicheren DATEV-Umgebung statt. Mit solchen Gewinnen durch die Plattform lassen sich die Kanzleikosten senken, und bisher unattraktive Mandate werden dadurch lukrativer. Durch den gewonnenen Spielraum sind neue Geschäftsmodelle möglich.
Für den Berufsstand ist eine genossenschaftliche Plattform ein wichtiges Instrument der Wettbewerbsabwehr. Banken, Versicherungen und andere berufsfremde Portalanbieter drängen in den Markt und sprechen die jüngeren Zielgruppen an. Die Kombination aus künstlicher Intelligenz und dem Sachverstand von über 40.000 Steuerberatern ist das Alleinstellungsmerkmal einer künftigen DATEV-Plattform. Sicherlich werden sich Kanzleien auf dieser Plattform auch als moderner Arbeitgeber präsentieren und so dem Fachkräftemangel zumindest auf einer weiteren Ebene begegnen können – noch dazu auf einer, die in den Suchmaschinen besser zu finden sein wird, als dies bei Kanzlei-Homepages jemals möglich ist.
Alle Mitglieder werden gestärkt
Eine genossenschaftliche Plattform ist ein entscheidendes Instrument, um die Mitglieder auch zukünftig in der Erfolgsspur zu halten.
Das zu schaffende Online-Angebot zeigt alle Mitglieder der Genossenschaft als moderne und kompetente Partner und funktioniert als Werbung für alle DATEV-Mitglieder. Da die potenziellen Mandanten sehr leicht und direkt mit den Beratern in Kontakt treten können, handelt es sich hierbei nicht nur um reine Imagewerbung. Die Präsenz auf der Plattform ist in jedem Fall ein wichtiges Element im Online-Auftritt der Kanzlei, für einige sogar das erste digitale überhaupt. Indirekt werden so die Präsenz und das Image aller DATEV-Mitglieder gestärkt. Mit der Plattform wäre die gesamte Genossenschaft in der digitalen Welt präsent und bald auch bei den Digital Natives ein Begriff.
Eine genossenschaftliche Plattform ist ein entscheidendes Instrument, um die Mitglieder auch zukünftig in der Erfolgsspur zu halten. Die Frage ist, wie und wann diese Plattform umgesetzt werden kann. Voraussetzung ist, dass die Satzung der Genossenschaft entsprechend angepasst wird.
Fotos: Craig Russel / Getty Images