Portfoliomanagement - 25. März 2021

Eigentlich eine gute Idee – oder?

Ideen, Wünsche und Anforderungen verschiedener Kundengruppen gibt es zuhauf, wenn es um Software geht. Doch die Ressourcen sind begrenzt, sodass sich jeden Tag die Frage stellt, welche davon man aufgreift und tatsächlich umsetzt.

An guten Ideen, um Software besser zu machen, mangelt es selten. Dafür sorgen die unterschiedlichsten Gruppen. Mitglieder sowie Kundinnen und Kunden tragen ihre Verbesserungsvorschläge für Produkte und Dienstleistungen in die Genossenschaft hinein, wo Kundenservice und Vertrieb die Themenstellungen aufgreifen, die besonders häufig angesprochen werden. Auch die DATEV-Marktforschung, die DATEV-Community und der Kundeneinbezug liefern Impulse. Doch wie entscheidet man nun, ob und in welcher Reihenfolge diese aufgegriffen und tatsächlich in die Produkte implementiert werden? Bei DATEV regelt diesen Prozess ein ausgeklügeltes und detailliertes Portfoliomanagement. Für Martin Krämer, DATEV-Geschäftsleitungsmitglied und zuständig für den Bereich Produkte & Anforderungen, gibt es dabei eine klare Maxime: „Bei einem Unternehmen unserer Größenordnung mit 8.000 Kolleginnen und Kollegen kann man diesen Prozess nicht völliger Selbststeuerung überlassen. Unsere Aufgabe ist es, auf das große Ganze zu blicken, uns nicht in Details und Einzelanforderungen zu verlieren und die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen so einzusetzen, dass für unsere Kunden und Mitglieder der größtmögliche Mehrwert entsteht.“

Der Wert eines Vorhabens

Bei der Bewertung eines Vorhabens geht es nicht um Bauchgefühl oder den berüchtigten Nasenfaktor. Die Entscheidung soll auf der Basis nachvollziehbarer und transparenter Kriterien getroffen werden. Die Grundlage bei der Priorisierung eines Vorhabens ist deshalb der kennzahlengestützte Business Value, der sich aus insgesamt vier Dimensionen zusammensetzt. Diese vier Bereiche, die auf Herz und Nieren geprüft werden, sind zum einen der Kundennutzen – also: Ist für die Mitglieder und Kunden mit der Umsetzung ein positiver Mehrwert erlebbar? Wie unterstützt ein Vorhaben den Kunden in seiner täglichen Arbeit? Und bei wie vielen Kunden kann das Programm beziehungsweise die Funktion überhaupt genutzt werden? Der Strategie- und Unternehmensarchitektur-Fit, die zweite Dimension, widmet sich der Frage, ob die gerade überprüfte Idee dazu beiträgt, DATEV bei der Entwicklung zukunftsträchtiger und marktfähiger Produkte langfristig auf Kurs zu halten. Mit dem Technologie-Fit erschließt sich die dritte Dimension des Business Value: Passt die eingeschlagene Route zur anvisierten DATEV-Technologiestrategie? Letztlich darf bei der kritischen Betrachtung auch von Beginn an der Faktor der Wirtschaftlichkeit nicht ausgeblendet werden: Kann DATEV mit diesem Vorhaben zur Wirtschaftlichkeit der Genossenschaft beitragen und hat die Idee eine Chance, am Markt auf Resonanz zu stoßen? Aus diesen vier Dimensionen und damit verbundenen zahlreichen Einzelfragestellungen ergibt sich ein Gesamtwert, der Business Value, der die Gesamtheit der Vorhaben in eine Rangreihe bringt, womit eine Prioritätenreihenfolge entsteht. Dennoch darf die Entscheidung über die Umsetzung nicht von einer Zahl allein abhängig gemacht werden. Für Martin Krämer ist es wichtig, dass dieser die Grundlage der Priorisierung von Themen und Vorhaben darstellt, niemals aber alleiniger Entscheidungsfaktor sein kann. „Es gibt keinen Automatismus“, so Martin Krämer. „Die ermittelten Werte sind eine solide Basis, ersetzen aber keine Bewertung mit gesundem Sachund Menschenverstand. Wichtig ist, dass es nachvollziehbar wird, warum wir ein Vorhaben umsetzen und warum nicht.“

Produktstrategien sind der Reiseplan der Entwicklung

Wie bei einer Reise oder einem Ausflug, den man unternimmt, überlässt man auch die konkrete Umsetzung von Ideen und Vorhaben nicht dem Zufall. So, wie man wohl eher selten zum Bahnhof fährt und in den nächstbesten Zug einsteigt, der schon irgendwo hinfahren wird, so wenig greift man einfach irgendeine beliebige Idee auf und bringt diese zur Umsetzung. Das Zauberwort für beide Fälle lautet: Strategie. Sowohl bei einer Reise als auch in der Entwicklung überlegt man sich, wohin man möchte. Man hat also ein konkretes Ziel vor Augen. Bei der Bewertung von Ideen ist es demnach sehr wichtig, in welche fachliche Richtung DATEV grundsätzlich die Produkte für die unterschiedlichen Märkte entwickeln will. Denn nur das, was im Gesamtkontext stimmig ist, sollte im Wesentlichen umgesetzt werden. Bei einer Reise ist das Ziel mehr oder weniger schnell gefunden. In der Software-Entwicklung ist dieser Prozess etwas komplexer. 2020 wurden bei DATEV Produktstrategien für jedes Geschäftsfeld beziehungsweise für jeden Workstream (das sind die Einheiten, die für ein Produktbündel verantwortlich sind) geschrieben und verabschiedet. Der wesentliche Ausgangspunkt einer jeden Produktstrategie ist das Kundenbedürfnis. Die Leitfrage lautet somit: Was brauchen DATEV-Mitglieder, um einen höheren Nutzen aus der Anwendung der Software zu ziehen? Auf der Ebene der Strategie geht es dabei nicht um kleine Funktionen. Ob beispielsweise eine Schaltfläche in der Software später grün oder grau erscheinen wird – geschenkt. Das sind nachrangige Umsetzungsfragen, die Details betreffen und erst zu einem viel späteren Zeitpunkt entschieden werden. Bei Fragen der Produktstrategie dreht sich stattdessen alles um ganz grundlegende Prinzipien: Wie können die Prozesse in Kanzleien zukünftig durch die Unterstützung von DATEV-Produkten effizienter gestaltet werden? Wie kann die Zusammenarbeit, beispielsweise gemeinsames Arbeiten auf einem Bestand, zwischen Kanzlei und Mandant zukünftig verbessert werden? Mit welchen DATEV-Lösungen lässt sich die Rolle des Steuerberaters als kompetenter Berater für Unternehmen besser akzentuieren und tatsächlich zum Leben erwecken? Wichtig ist bei den Produktstrategien, dass die einzelnen Puzzleteilchen der verschiedenen Angebote und Märkte nicht nur im Einzelnen, sondern auch als Gesamtbild sinnvoll sind. Der große Zusammenhang, das Big Picture muss so definiert sein, dass die Rädchen lückenlos ineinandergreifen und die verschiedenen IT-Lösungen gut aufeinander abgestimmt sind, um den Prozessen im Berufsalltag der Kanzleien gerecht zu werden. „Wie bei einem Reiseplan liefern die Produktstrategien ein gemeinsames Ziel und bieten somit Orientierung – und das sowohl intern für unseren Entwicklungsbereich als auch extern für unsere Mitglieder und Kunden, die sich darauf einstellen können, was sie von uns erwarten dürfen“, so Martin Krämer. Die einzelnen Produktstrategien werden sukzessive in den DATEV-Medien vorgestellt.

Die Kräfte auf zukunftsträchtige Ziele bündeln

Gute Ideen zu generieren und diese zu bewerten, läuft also nach einem geordneten Prozess. Dass diese auch noch in das Gesamtbild des DATEV-Portfolios passen sollten, ist auch klar und reduziert die Anzahl der potenziellen Vorhaben erneut. Und dennoch werden bei Weitem nicht alle Impulse aufgegriffen, die über die verschiedenen Kanäle in die Genossenschaft einströmen und die jetzt noch auf dem Tisch liegen. Ist das arrogant? Völlige Abgehobenheit und die häufig beschworene Kundenzentrierung doch nicht mehr als nur ein leeres Versprechen? Rund 2.000 Entwicklerinnen und Entwickler sollten doch einiges wegschaffen können oder etwa nicht? Ganz so simpel ist die Rechnung leider nicht. Denn die anvisierte Umsetzung des gesamten DATEV-Portfolios in der Cloud ist auch für diese Man- und Womanpower ein enormer Kraftakt und ein Megaprojekt, das unmöglich von jetzt auf gleich bewerkstelligt werden kann. Das heißt, Ressourcen sind auch bei DATEV begrenzt. Anstatt sich in den Vorhaben zu verzetteln, die in Produkten umgesetzt werden, denen mittelfristig nur ein überschaubares Zukunftspotenzial zugeschrieben wird, heißt es, die Kräfte dahingehend zu bündeln, was wirklich zukunftsträchtig ist: Fokussierung. Martin Krämer sagt: „Wir wollen unsere Mitglieder und Kunden dort unterstützen, wo der größtmögliche künftige Nutzen für sie erzielbar ist, deshalb stecken wir all unsere Leidenschaft und unser Know-how in eine DATEV-Produktpalette der Zukunft.“

Zum Autor

Michael Öchsler

Redaktion DATEV magazin

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