Mobile Payment - 25. Juni 2015

Zahlen nur noch via Handy?

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Meldungen über mobile Zahlungssysteme, bei denen das Smartphone im Mittelpunkt steht. Wer sind die Gewinner dieser Entwicklung, wer die Verlierer?

Seit Apple im September 2014 das Zahlungssystem Apple Pay vorgestellt hat, haben die Ent­wick­lungen spürbar Fahrt aufgenommen. Wie schon bei den Tablets, deren Markt Apple lange Zeit mit dem iPad dominierte, war der Konzern auch beim Zahlungssystem weder das erste Unternehmen, noch ist Apple Pay das beste Zahlungssystem. Die Kunst von Apple lag vielmehr darin, bereits zum Start über eine große Anzahl von Partnerunternehmen zu verfügen. Denn der Erfolg eines neuen Zahlungssystems hängt maßgeblich davon ab, an wie vielen Akzeptanzstellen der Kunde das System auch tatsächlich nutzen kann. Durch diese mediale Aufmerksamkeit erhielten auch andere neue Zahlungssysteme, die teilweise bisher eher ein Schattendasein führten, neuen Auftrieb. Die meisten der Anbieter oder Konsortien kommen aus den USA. Daneben gibt es aber auch europäische und deutsche Ansätze, die sich jedoch meist noch in der Pilotphase befinden.
Der Nutzen für die Anbieter liegt auf der Hand: Der Markt des bargeldlosen Bezahlens verspricht selbst bei geringen Gebührensätzen enorme Gewinnaussichten. Ist der Anbieter zugleich Hersteller von Smartphones (Apple, Samsung) oder zumindest von deren Betriebssystem (Google/Android), kann die neue Funktion per Update sofort Millionen von potenziellen Nutzern aufgespielt und freigeschaltet werden. Die Hemmschwelle zum aktiven Einsatz liegt dann deutlich niedriger, als das der Fall wäre, wenn man den Kunden erst dazu bringen müsste, die erforderliche Software beziehungsweise App zu erwerben. Die Hauptaufgabe der Anbieter liegt also darin, das System durch ausreichend viele Akzeptanzstellen attraktiv für die Nutzer zu machen. Erst dadurch wird es möglich, sehr schnell zu wachsen und einen großen aktiven Nutzerkreis aufzubauen. Erfahrungsgemäß setzen sich, wenn mittelfristig einige Anbieter wieder vom Markt verschwinden werden, die Systeme mit frühem hohem Marktanteil durch.
Nicht ganz so eindeutig dürfte die Beurteilung des Mobile Payment für die Partnerunternehmen und Akzeptanzstellen ausfallen: Die Teilnahme an einem der neuen Bezahlsysteme setzt In­ves­ti­tionen in die Kassensysteme voraus, um überhaupt die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Da derzeit noch nicht absehbar ist, welches System sich endgültig am Markt durchsetzen wird, ist es eine schwierige wirtschaftliche Entscheidung, sich hier festzulegen. Zudem haben die neuen Zahlungssysteme – wie auch die bisherige bargeldlose Zahlung per Kredit- oder EC-Karte – den Nachteil, dass aufgrund der anfallenden Gebühren jede Transaktion gegenüber Barzahlung mit zusätzlichen Kosten für den Handel verbunden ist. Dem steht das Bestreben des Handels gegenüber, Kunden auch über solche Zahlungssysteme stärker an das eigene Unternehmen zu binden. Hinzu kommt der Wunsch vor allem des stationären Handels, tiefere Einblicke in das Einkaufsverhalten seiner Kunden zu erhalten. Diese Einblicke sind bislang weitgehend dem Online-Handel vorbehalten. Ob dies allerdings mit den Datenschutzregeln einerseits und der Akzeptanz durch den Kunden andererseits in Einklang zu bringen ist, wird sich zeigen müssen.
Derzeit darf allerdings ohnehin bezweifelt werden, ob die Kunden die neuen Zahlungssysteme wirklich brauchen. Denn so verlockend der Gedanke ist, mit dem ohnehin omnipräsenten Smartphone auch alle Bezahlvorgänge erledigen zu können, birgt dieser Komfort gleich eine Reihe von Problemen und Risiken. So steht dem Wunsch der Unternehmen nach tieferen Einblicken und besserer Verfolgbarkeit des Konsumverhaltens der Kunden grundsätzlich deren Interesse am Schutz der eigenen Daten entgegen. Zieht man jedoch die Verbreitung von Kunden- und Bonuskarten als Vergleichsmaßstab heran, wird schnell deutlich, dass dieser Schutz meist bereits dort endet, wo auch nur geringste Anreize für die Datenfreigabe in Aussicht gestellt werden. Fast alle Menschen nutzen zahlreiche kostenfreie Dienste verschiedenster Arten (Payback, Free E-Mail, Facebook, WhatsApp und so weiter) und bezahlen dafür mit der Preisgabe mehr oder weniger sensibler persönlicher Daten. Das Smartphone meldet zudem jederzeit den Auf­ent­halts­ort und weitere Nutzungsdaten an den Hersteller und gegebenenfalls weitere App-Anbieter. Jeden Tag werden so zahlreiche Informationen zum Verhalten eines Menschen gesammelt und – zumindest außerhalb der EU – zu detaillierten Profilen zusammengesetzt. Zwar sind derzeit auch die datenschutzrechtlichen Vorbehalte gegenüber den neuen Zah­lungs­sys­temen, die vermutlich ebenfalls persönliche Daten erheben und vernetzen werden, noch spürbar vorhanden. Doch ernsthafte Widerstände dürften der Verbreitung von Mobile Payment zumindest aus Datenschutzgründen nicht langfristig entgegenschlagen.
Angesichts von Neupreisen bis 1.000 Euro und florierendem Gebrauchthandel sind Smartphones allerdings beliebte Diebstahlsobjekte. Die Zahl der Diebstähle und Verlustmeldungen von Smartphones steigt dementsprechend seit Jahren kontinuierlich an. Schon jetzt handelt es sich aber bei den Smartphones nicht mehr um bloße tragbare Telefongeräte. Vielmehr ist das Smartphone die Kommunikationszentrale mit allen privaten und geschäftlichen Daten. Fällt heute ein Gerät einem ­Kriminellen in die Hände, hat dieser je nach gewähltem Schutzniveau daher mehr oder weniger leicht Zugriff auf Kontakte, Korrespondenz, Bilder – und zukünftig womöglich auch die Zahlungsdaten des Smart­phone-Besitzers. Der Vorteil, alle Funktionen und Dienste in einem ­Gerät zu bündeln, stellt im Fall des Verlusts daher auch immer dessen größten Nachteil dar. Hinzu kommt, dass Kunden es zwar von der IT-Branche gewohnt sind, dass sie zunächst ein nur mäßig ausgereiftes Produkt erwerben, das dann durch Patches und Updates beim Kunden reift (Ba­na­nen­prinzip). Bei einem so sensiblen Bereich wie Zahlungsdiensten durften die Kunden hingegen bislang darauf vertrauen, dass diese Dienste erst dann angeboten werden, wenn ausreichende vorherige Tests die Sicherheit belegt haben. Das heißt zwar nicht, dass nicht auch bisherige Zahlungsmethoden der Banken (EC-/Kreditkarte, Online-Banking und so weiter) Fehler hatten und Missbrauchsmöglichkeiten zuließen. Doch schafften es die Banken und kon­ven­tio­nel­len Zahlungsanbieter, das Vertrauen der Kunden in diese Systeme zu erhalten. Ob es die neuen Akteure auf dem Markt der Zahlungssysteme schaffen werden, ebenfalls das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu erhalten, wird sich zeigen müssen. Den US-amerikanischen IT-Unternehmen unter den neuen Anbietern dürfte insoweit allerdings eher Skepsis ent­ge­gen­schlagen. Noch lehnt eine überwiegende Mehrheit derartige Systeme daher gerade mit Verweis auf Sicherheitsbedenken ab.
Ob sich Mobile Payment auch in Europa tatsächlich durchsetzen wird, ist derzeit nur schwer abzusehen. Die im Gegensatz zu den USA eher geringe Kreditkartenakzeptanz sowie die im Vergleich zu Schwellenländern hohe Bankendichte machen Europa zunächst einmal zu einem eher unattraktiven Markt. Dementsprechend zögern die meisten Anbieter noch mit dem Markt­ein­tritt. Zudem sind mit Apple, Google, PayPal und so weiter derart viele US-Schwergewichte mit jeweils eigenen ­Lösungen vertreten, dass einige Mobile-Payment-Systeme fast zwangsläufig wieder vom Markt verschwinden werden, vielleicht sogar noch bevor der europäische Markt überhaupt in Angriff genommen wurde. Die Entwicklung bleibt jedenfalls spannend und wird uns auch in den kommenden Monaten zahlreiche neue Meldungen über Mobile Payment bescheren.

Zum Autor

Gero Wilke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für IT-Recht bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer in Freiburg

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