Abschlussprüfer - 16. Februar 2016

Mit anderen regional vernetzen

Der Markt für Ab­schluss­prü­fungen wird zu­neh­mend von großen Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaften be­herrscht. Wie können klei­nere Wirt­schafts­prüfer­praxen darauf rea­gie­ren? Zum Bei­spiel, indem sie sich stärker als re­gio­nale An­bieter posi­tio­nie­ren und Ko­ope­ra­tio­nen oder Netz­werke aufbauen.

Gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfungen bei mittelgroßen und nicht ka­pi­tal­markt­orien­tier­ten Unternehmen werden von den Auftraggebern leider oft nur als Stan­dard­dienst­leis­tung wahrgenommen; damit wird allein der Preis zum entscheidenden Auf­trags­kri­te­rium. Zugleich ist das Marktvolumen begrenzt. Das vom Bundesrat im Dezember 2015 gebilligte Ab­schluss­prüfer­auf­sichts­re­form­gesetz (APAReG) und der Regierungsentwurf des Abschluss­prü­fungs­re­form­gesetzes (AReG) zur Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben lassen erhöhte regulierungsbedingte Kosten insbesondere für kleinere Praxen, die auf dem Ab­schluss­prü­fungs­markt tätig sind, befürchten. Da auch mittelständische Unternehmen zunehmend länder­über­grei­fend tätig sind und ihre Geschäftsprozesse digitalisieren, steigen die Anforderungen an den Wirtschaftsprüfer, der prüfend und beratend für sie tätig werden möchte.

Marktstruktur

Der Markt für Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (ka­pi­tal­markt­orien­tierte Unternehmen im Sinne von § 319a Abs. 1 Satz 1 HGB in Verbindung mit § 264d HGB) wird von den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG), den sogenannten Big Four und BDO, beherrscht; die Marktstrukturanalysen der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) zeigen, dass ihr Marktanteil – gemessen über die Prüfungshonorare (Anzahl Mandate) – seit mehreren Jahren bei rund 95 Prozent (72 Prozent) liegt. Kleinere WP-Praxen sind in diesem Marktsegment zwar noch tätig, ihre Bedeutung schwindet jedoch. Die EU-rechtlich vorgeschriebene Erweiterung des Begriffs der Unternehmen von öffentlichem Interesse auf Banken und Versicherungen wird hieran nichts ändern. Die ab Juni 2016 geltenden spezifischen Anforderungen der EU-Verordnung an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse belasten kleinere und mittlere Praxen überproportional und werden zu einem weiteren Anstieg der Konzentration in diesem Segment des Prüfungsmarkts führen.
Auf dem Markt für Abschlussprüfungen bei Unternehmen, die nicht von öffentlichem Interesse sind und welcher schätzungsweise zwischen 33.000 und 50.000 prüfungspflichtige Unternehmen umfasst, sind hingegen kleinere und mittlere WP-Praxen von wesentlicher Bedeutung. Gemessen an der Anzahl der Mandate kann ihr Marktanteil im Jahr 2013 auf ungefähr 57 Prozent geschätzt werden, 43 Prozent Marktanteil entfallen damit auf die Big Four. Im Jahr 2013 waren auf der Angebotsseite rund 13.000 WP-/vBP-Praxen tätig, hiervon waren 6.198 (48 Prozent) ausschließlich in eigener Praxis tätig. Nach Angaben der WPK im Tätigkeitsbericht der Kommission für Qualitätskontrolle waren von insgesamt 13.000 Praxen und Gesellschaften 3.791 WP-/vBP-Praxen und -Gesellschaften (29 Prozent) zur Durchführung gesetzlicher Abschlussprüfungen befugt, das heißt, sie verfügen über eine wirksame Bescheinigung über die Qualitätskontrolle nach § 57a WPO (§ 319 Abs. 1 Satz 3 HGB). Damit sind 71 Prozent der Praxen in diesem – das Berufsbild eines Wirtschaftsprüfers (WP) oder eines vereidigten Buchprüfers (vBP) prägenden – Marktsegment nicht mehr tätig. Zu dieser Gruppe dürften nahezu vollständig die ausschließlich in eigener Praxis tätigen WP/vBP zählen. Der Titel eines WP oder vBP wird dann nur noch zu Reputationszwecken für beratende und begutachtende Tätigkeiten genutzt. Bei den 2.821 WPG fällt auf, dass 96 Prozent weniger als elf tätige WP/vBP haben; bei den 110 Buchprüfungsgesellschaften (BPG) handelt es sich ausschließlich um kleinere Einheiten mit nicht mehr als vier Berufsträgern. Insgesamt ist die Anbieterstruktur durch sehr viele Einzelkämpfer und viele kleine Gesellschaften geprägt, denen die international tätigen Big Four und große mittelständische Gesellschaften beziehungsweise Netzwerke gegenüberstehen; bei Letzteren sind verstärkt Zusammenschlüsse zu beobachten.

Regulierung als Marktzutrittsbarriere

Die eingangs erwähnten Gesetze zur Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben werden zu weiteren Belastungen für kleinere Praxen führen, die auf dem Markt für Abschlussprüfungen tätig sind. Die wenigen kleineren Praxen, die noch auf dem Markt für Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse verblieben sind, unterliegen ab Juni 2016 den erheblich verschärften zusätzlichen Anforderungen der EU-Verordnung, zum Beispiel mit Bezug auf die externe Rotation, Einschränkungen bei noch zulässigen Beratungsleistungen, das Qualitätskontrollsystem und insbesondere eine berufsstandsunabhängige Aufsicht mit erweiterten Sanktionsmöglichkeiten. Insgesamt dürfte dies zu einem weiteren Marktaustritt kleinerer WP-Praxen in diesem Segment führen, deren regulierungsbedingte Kosten mangels Skaleneffekten steigen.

Qualitätskontrolle

Welche Wirkungen sind auf dem für die kleinen Praxen bedeutsameren Markt für Ab­schluss­prü­fungen bei Unternehmen, die nicht von öffentlichem Interesse sind, zu erwarten? Regulierungsbedingte Kosten entstehen hier insbesondere durch das Qualitätskontrollverfahren und eine verschärfte Berufsaufsicht. Im APAReG hat der Gesetzgeber die europarechtlich zulässige Möglichkeit, ein schlankes und kostengünstiges, präventiv und im Sinne eines Review-Ansatzes ausgerichtetes Qualitätskontrollverfahren einzurichten, nicht genutzt. Ein solches Verfahren, das gerade bei kleineren WP-Praxen zu deutlichen Entlastungen geführt hätte, wäre in diesem Marktsegment ausreichend gewesen, weil die WPK beziehungsweise die Ab­schluss­prü­fer­auf­sichts­stelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bei konkreten Anhaltspunkten für Verstöße gegen Berufspflichten nach § 61a WPO n.F. immer Untersuchungs- und gegebenenfalls Sanktionsmöglichkeiten haben. Zudem besteht in diesem Marktsegment aufgrund des in der Regel begrenzten Gesellschafterkreises und der Einbindung der Unternehmenseigner in die Entscheidungsprozesse ein geringerer Regulierungsbedarf.
Das APAReG sieht den Ersatz des bisherigen Teilnahmebescheinigungsverfahrens (§ 319 Abs. 1 Satz 3 HGB) durch ein Anzeigeverfahren (§ 57a Abs. 1 WPO n.F.) vor; das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hielt zu Recht ein einfaches Meldeverfahren nach erstmaliger Erteilung des Bestätigungsvermerks für ausreichend, weil damit eine Marktzutrittsbarriere reduziert würde. Art. 29 Abs. 1 Buchstabe f) der Abschlussprüferrichtlinie lässt den Mitgliedstaaten Freiraum bei der Ausgestaltung des Quality Assurance Reviews, der in § 57a Abs. 2 WPO n.F. erkennbar nicht genutzt wurde. Der Quality Assurance Review hätte explizit als kritische Durchsicht mit Fokus auf Angemessenheit und Wirksamkeit des Qualitätssicherungssystems einer WP-Praxis ausgestaltet werden können. Eine kritische Durchsicht ist keine Prüfung, sondern basiert auf einer kritischen Würdigung des Qualitätssicherungssystems, die mit einer gewissen Sicherheit ausschließen kann, dass das Qualitätssicherungssystem nicht angemessen und wirksam ist. Demgegenüber ist das bisherige und auch das neue Qualitätskontrollsystem als Prüfung mit starker Betonung der Beurteilung der Abwicklung ausgewählter Aufträge angelegt (IDW PS 140, insbesondere Tz. 60–74). Immerhin wurde in § 57a Abs. 5b WPO n.F. gesetzlich geregelt, dass die Qualitätskontrolle insbesondere bei der gesetzlichen Abschlussprüfung von mittleren und kleinen Unternehmen geeignet und angemessen sein muss, „wobei der Art, der Anzahl der Mandate und der Größe der Praxis des Geprüften besondere Bedeutung zukommt.“ Es bleibt abzuwarten, wie diese Vorgabe von der WPK im Interesse kleinerer Praxen konkret umgesetzt wird.

Strategische Optionen

Die vom IDW in Auftrag gegebene Studie der Universität Münster zu Perspektiven des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer 2015 zeigt deutlich, dass in der überwiegenden Zahl der untersuchten Szenarien große und mittlere Praxen Vorteile im Vergleich zu kleineren Praxen haben. In einem Umfeld, das durch Preisdruck bei zugleich begrenztem Volumen des Ab­schluss­prü­fungs­markts, einer hohen Regulierungsdichte, einer verschärften Berufsaufsicht, einer zunehmenden Bedeutung IT-gestützter Prozesse und steigenden Anforderungen auch mittelständischer Mandanten gekennzeichnet ist, ist die strategische Positionierung kleiner Praxen besonders herausfordernd. Es ist damit zu rechnen, dass kleinere WP-/vBP-Praxen sich noch stärker als schon bislang aus dem Abschlussprüfungsmarkt zurückziehen und sich als regionale Anbieter von Steuerberatungs- und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen positionieren. Falls kleine Praxen in diesem Marktsegment weiter tätig sein möchten, sind regionale Ko­ope­ra­tionen, Netzwerke und gegebenenfalls auch Zusammenschlüsse zur Realisierung von Skaleneffekten in Erwägung zu ziehen. Da der Aufbau eigener IT-Programme zur effizienten Durchführung von Abschlussprüfungen und Steuerberatungen regelmäßig nicht lohnend ist, sollte auf etablierte Standardprogramme – etwa der DATEV oder anderer Anbieter – zu­rück­ge­griffen werden. Dem Aufbau eines regionalen WP-Markennamens sowie dem Aufbau und der Pflege persönlicher Beziehungen zu Mandanten kommen eine besondere Bedeutung zu.

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das APAReG keine wesentlichen Erleichterungen, zum Beispiel in Bezug auf den Zugang zum Abschlussprüfungsmarkt oder bei der Ausgestaltung der Qualitätskontrolle, für kleinere Praxen bringt. Umfassende und erweiterte Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse für die Abschlussprüferaufsichtsstelle und – soweit zuständig – für die WPK erhöhen das Geschäftsrisiko besonders für kleinere Praxen signifikant.

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LITERATURHINWEISE

Lenz, Hansrudi: Spaltung des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer in Deutschland?, in: KoR 6/2014, S. 313–323.

Lenz, Hansrudi: Organisation und Aufgaben der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, in: WP Praxis 9/2015, S. 213–218.

Lenz, Hansrudi: Chancen für den Mittelstand, in: wp.net-Journal April/Mai/Juni 2015, S. 24–25.

Zum Autor

HL
Prof. Dr. Hansrudi Lenz

seit 1996 ordentlicher Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsprüfungs- und Beratungswesen, an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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