Sozialversicherungsrecht - 22. Juli 2019

Fehlendes Fingerendglied ist keine wesentliche Behinderung – kein Anspruch auf Fingerepithese von der Krankenkasse

SG Mannheim, Mitteilung vom 22.07.2019 zum Urteil S 15 KR 3170/17 vom 04.04.2019 (nrkr)

Bei der inzwischen 30-jährigen Klägerin wurde vor mehr als zehn Jahren nach einem Reitunfall das Endglied des linken Zeigefingers amputiert. Seitdem trägt sie eine sog. Epithese, eine Teilprothese aus Silikon. Weil diese abgenutzt war, stellte sie einen Antrag auf erneute Versorgung mit einer individuell gefertigten Fingerepithese mit Acrylnagel für 1.353,55 Euro.

Die beklagte Krankenkasse lehnte nach einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit der Begründung ab, ein Hilfsmittel werde nur zum Ausgleich einer Funktionsbehinderung oder bei auffälliger Entstellung bezahlt. Der MDK sah keine erhebliche Behinderung des linken Zeigefingers. Er fand die Prothese rein kosmetisch begründet. Gegen Schmerzen sei ein Fingerkuppenschutz ausreichend. Die Versorgung in der Vergangenheit sei zu Unrecht erfolgt. Die Klägerin fand hingegen, die Epithese für die Benutzung der Hand notwendig. Auch stünden ihre Hände bei ihrer Tätigkeit für eine Fluggesellschaft im Bodendienst stets im Blickpunkt. Sie habe sich seit Jahren an die Fingerepithese gewöhnt.

Das Sozialgericht wies die Klage nach Befragung der behandelnden Ärzte und nach einem orthopädischen Sachverständigengutachten ab. Entscheidend war, dass der Verlust des Zeigefingerendgliedes allenfalls zu einer ganz geringen Beeinträchtigung der Greif- und Haltefunktion der Hände führe, die mit der Epithese gar nicht ausgeglichen werde. Der Verlust des Zeigefingerendgliedes sei auch keine außergewöhnliche Auffälligkeit, sondern nur eine kleine ästhetische Unregelmäßigkeit. Deren Beseitigung falle daher in den Bereich der Eigenverantwortung.

Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig – L 5 KR 1875/19