Nach fast zweijährigem Ringen konnte im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat endlich eine Einigung bei der Erbschaftsteuerreform erzielt werden. Die Beschlussempfehlung soll rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten.
In der Nacht zum 22. September war es endlich soweit. Nach monatelangem Streit konnte man sich auf ein Reformpaket verständigen. Auf folgendes Konzept hat man sich nun geeinigt.
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Lange gerungen wurde darum, inwieweit das vereinfachte Ertragswertverfahren angepasst werden sollte. Nun gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2016 ein einheitlich anzuwendender Kapitalisierungsfaktor von 13,75. Damit kommen bei noch unter dem alten Erbschaftsteuerregime durchgeführten Übertragungen um circa ein Drittel niedrigere Betriebsvermögenswerte zum Zuge, wenn die Bewertung auf das vereinfachte Ertragswertverfahren gestützt wurde. Das ist durchaus nicht nur steuerlich vorteilhaft, da ein höherer Unternehmenswert Vorteile bei der Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote mit sich brachte. Somit begegnet die Rückwirkung auch echten verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine künftige Anpassung des Faktors an die Zinsentwicklung kann das Bundesfinanzministerium mittels Rechtsverordnung durchsetzen.
Verwaltungsvermögen
Der Begriff des Verwaltungsvermögens wird beibehalten und – wie schon im bisherigen Recht – weiterhin in einem abschließenden Katalog definiert. Von der im Regierungsentwurf vorgesehenen Positivdefinition des begünstigten Vermögens hat der Gesetzgeber wieder Abstand genommen. Die Option zur Vollverschonung des begünstigungsfähigen Vermögens wird wieder von einer Verwaltungsvermögensquote abhängig gemacht, obgleich die Verschonung – anders als noch für Übertragungen bis zum 30. Juni 2016 – bis auf zehn Prozent nur auf Nichtverwaltungsvermögen gewährt wird. Die maximal zulässige Verwaltungsvermögensquote für die Optionsverschonung beträgt 20 Prozent. Ein großer Unterschied zur alten Gesetzeslage ist auch, dass das Verwaltungsvermögen in einem Konzern insgesamt für den Konzern ermittelt und dann in das Verhältnis zum Unternehmenswert des Konzerns gesetzt wird. Als steuerlich grundsätzlich nicht privilegierungsfähiges Verwaltungsvermögen werden künftig Oldtimer, Jachten, Segelflugzeuge, Briefmarkensammlungen und sonstige typischerweise der privaten Lebensführung zuzuordnende Gegenstände eingestuft. Es soll damit verhindert werden, dass derlei Werte durch Einbringung in ein Betriebsvermögen steuerfrei übertragen werden können. Gegenüber dem bisher geltenden Recht erfährt der Verwaltungsvermögenskatalog aber auch Einschränkungen. So zählen überlassene Grundstücke, die vom Mieter/Pächter vorrangig zum Absatz eigener Erzeugnisse genutzt werden, wie etwa Tankstellen, Brauereigaststätten und so weiter, nicht zum Verwaltungsvermögen. Sehr zu begrüßen ist auch, dass Vermögensgegenstände, die ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen dienen, aus dem Verwaltungsvermögensbegriff herausgenommen werden. Ferner wird klargestellt, dass Drittlandsbeteiligungen, sofern die übertragene Einheit begünstigungsfähig ist, weiterhin begünstigt sein können. Ob die nur für Erbfälle neu eingeführte Investitionsklausel eine große praktische Wirkung hat, bleibt abzuwarten. Wird die dadurch grundsätzlich mögliche Umqualifizierung von Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen doch an die weitere Bedingung geknüpft, dass die Investition auf einem vorgefassten Plan des Erblassers beruht.
Finanzmitteltest
Für Finanzmittel wird die im Zuge der Eindämmung der Cash-GmbH-Strukturen eingeführte Regelung im Wesentlichen übernommen, allerdings wird der unschädliche Anteil auf 15 Prozent des anzusetzenden Betriebswerts begrenzt. Um Missbrauchsmöglichkeiten einzudämmen, werden Finanzmittel zudem nur dann als begünstigtes Vermögen in Höhe von maximal 15 Prozent des Unternehmenswerts eingestuft, wenn das begünstigungsfähige Vermögen seinem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, des § 18 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) dient.
Vorab-Abschlag für Familienunternehmen
Für Familienunternehmen typische Verfügungsbeschränkungen sollen bei Erwerben von begünstigtem Vermögen unabhängig von der Höhe des Erwerbs als sogenannter Vorab-Abschlag berücksichtigt werden. Enthalten die Gesellschaftsverträge beziehungsweise Satzungen von Unternehmen Bestimmungen, die die Entnahme oder Ausschüttung des steuerrechtlichen Gewinns beschränken sowie die Verfügung über die Beteiligungen auf Mitgesellschafter, Angehörige im Sinne von § 15 der Abgabenordnung oder auf eine Familienstiftung beschränken und für den Fall des Ausscheidens eine Abfindung unter dem Verkehrswert vorsehen, wird vor Anwendung der Verschonungsregelungen ein Wertabschlag in Höhe der Wertdifferenz der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Abfindung zum Verkehrswert der Beteiligung, maximal aber in Höhe von 30 Prozent, berücksichtigt. Im Vermittlungsausschuss wurden die Voraussetzungen für den Abschlag insoweit konkretisiert, dass die Entnahme oder Ausschüttung im Gesellschaftsvertrag auf höchstens 37,5 Prozent des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein muss. Weitere Voraussetzung für die (endgültige) Gewährung des Abschlags ist, dass die vorgenannten Voraussetzungen mindestens zwei Jahre vor und 20 Jahre (!) nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung vorliegen. Aufgrund dieser langen Bindungsfrist wird man Gesellschaftern wohl kaum empfehlen können, sich auf das Beibehalten des Abschlags verlassen zu können.
Große Unternehmensvermögen
Eine Sockelverschonung für Erwerbe von großen Unternehmensvermögen ist nun nicht mehr vorgesehen.
Hier wurde das schon im Regierungsentwurf für Erwerbe von begünstigtem Vermögen von 26 Millionen Euro enthaltene zweigleisige Konzept einer Verschonungsbedarfsprüfung oder alternativ einer Abschmelzung des Verschonungsabschlags im Grundsatz beibehalten, allerdings in einigen Bereichen modifiziert. Die Prüfschwelle ist – wie schon im Regierungsentwurf – bei Erwerben über 26 Millionen Euro überschritten. Eine Verdoppelung bei Unternehmen mit bestimmten, für Familienunternehmen typischen Verfügungsbeschränkungen ist auch vor dem Hintergrund des neu eingeführten Bewertungsabschlags für Familienunternehmen nicht mehr vorgesehen. Der Verschonungsabschlag schmilzt um einen Prozentpunkt je 750.000 Euro des Überschreitens der Prüfschwelle ab, im Regierungsentwurf war noch ein Abschmelzen um einen Prozentpunkt je 1,5 Millionen Euro enthalten. Eine Sockelverschonung für Erwerbe von großen Unternehmensvermögen soll es nicht geben. Damit wird für Erwerbe über 90 Millionen Euro, kein Verschonungsabschlag mehr gewährt werden. Es bliebe dann nur der Weg über die individuelle Verschonungsbedarfsprüfung beim Erwerber.
Lohnsummen- und Stundungsregelung
Die bereits im Regierungsentwurf enthaltene (neue) Staffelung der Lohnsummenvorgaben nach Anzahl der Beschäftigten wird beibehalten, allerdings werden nun Betriebe mit bis zu fünf (im Regierungsentwurf noch drei) Beschäftigten von der Lohnsummenregelung ausgenommen. Zudem bleiben Saisonarbeiter bei der Ermittlung der Zahl der Beschäftigten unberücksichtigt. Für Erwerbe von begünstigtem Vermögen soll zudem in Ergänzung der bisherigen Stundungsregelung in § 28 ErbStG eine bedarfsunabhängige Stundungsmöglichkeit eingeführt werden. Diese soll nach Einigung im Vermittlungsausschuss nur für maximal sieben Jahre (nicht wie ursprünglich vorgesehen zehn Jahre) gewährt werden. Sie soll auch nur im ersten Jahr nach der Festsetzung der Steuer zinslos sein.
Ausblick
Die nun beschlossenen Gesetzesänderungen machen die ohnehin schon komplexen Regelungen noch komplizierter. Eine rechtzeitige Planung des Vermögensübergangs und Berechnung der Steuerfolgen bei Wahl der verschiedenen Optionen wird dadurch unabdingbar. Gerade bei Unternehmensvermögen im Wert von über 26 Millionen Euro dürfte es im Regelfall zu höheren Steuerlasten kommen. Auch dürfte die generelle Schädlichkeit von Verwaltungsvermögen über zehn Prozent des Unternehmenswerts hinaus dazu führen, dass in vielen Fällen, in denen in der Vergangenheit eine Steuer gänzlich vermieden werden konnte, nun eine Steuer anfällt. Ob der anzuwendende Kapitalisierungsfaktor von 13,75 Prozent branchenunabhängig zu sachgerechten Ergebnissen führt, wird sich zeigen. Vieles spricht dafür, dass auch dieses Gesetz einer Prüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden wird. Gerade Familienunternehmer sollten daran denken, den bestehenden Gesellschaftsvertrag zeitnah erbschaftsteuertauglich zu gestalten, will man überhaupt die Chance haben, von dem Vorab-Abschlag zu profitieren.