Steuerberater und Testamentsvollstreckung - 18. Dezember 2014

Die Rolle klären

Das Amt des Tes­ta­ments­voll­strec­kers er­for­dert nicht nur ju­ris­tische be­zie­hungs­weise wirt­schaft­liche Kom­pe­tenz, sondern auch ein hohes Maß an Em­pa­thie. Um Wider­stand der Erben zu ver­meiden, sollte man eher „Nach­lass­ma­na­ger“ denn „Voll­strecker“ sein.

Oft läuft die Übernahme einer Testamentsvollstreckung nahezu automatisch auf den Steuer­be­rater als langjährigen nahen Begleiter des Mandanten zu. Das ist im Interesse einer Stärkung der Mandantenbeziehung zunächst erfreulich, da durch das Antragen und die Über­nahme dieses Amts ein hohes Maß an wechselseitigem Vertrauen deutlich wird.
Die durch die neue Konstellation geschaffene Situation birgt aber auch kritisches Potenzial, dessen mögliche Dynamik nur auf der Grundlage eines geklärten Rollenverständnisses des Beraters und mithilfe eines professionellen methodischen Vorgehens im Interesse aller Beteiligten positiv nutzbar gemacht werden kann.

Hohes Maß an Emotionen

Testamentsvollstreckung hat nicht nur eine juristische beziehungsweise wirtschaftliche Kom­po­nente, sondern auch eine hohe und äußerst emotionale, denn schon die Anordnung der „Voll­stre­ckung“ kann für Erben schockierend sein, als Bevormundung empfunden werden und zu massiven Verspannungen führen.
Daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, bei einer Testamentsvollstreckung auf Erben zu treffen, die sich aus ihrer subjektiven Sicht heraus ungerecht behandelt und benachteiligt fühlen. Auch sind Situationen denkbar, in denen nach dem Erbfall Beteiligte auftauchen, die bisher nicht im Familienverbund lebten, wie etwa pflichtteilsberechtigte Kinder.
Die Arbeit als „Vollstrecker“ des Erblasserwillens kann also, wenn das Amt im eigentlichen Sinne der Wortbedeutung ausgeübt wird, bei den betroffenen Erben ganz erhebliche Widerstände auslösen. Diese wiederum können, sofern sie sich verhärten, auch ohne sachliche und juristisch begründbare Einwendungen gegen die Arbeit des Testamentsvollstreckers zu Maßnahmen führen, die sich gegen ihn und seine Amtsführung richten.
Daher sollte der Testamentsvollstrecker ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse haben, derartige Maßnahmen zu verhindern, denn sie kosten Zeit und Energie, die dann für die Ausübung des eigentlichen Amtsauftrags sowie die daran gekoppelte Vergütung fehlen.
Der Testamentsvollstrecker ist zwar zur Allparteilichkeit verpflichtet, vor allem aber dem Willen des Erblassers und dessen Umsetzung. Gleichwohl ist er gut beraten, seine Amtsführung weniger auf einem Rollenverständnis im Sinne der Wortbedeutung „Vollstrecker“ aufzubauen, sondern sich eher als „Nachlassmanager“ zu verstehen, dessen Aktivitäten auf die Bildung und Umsetzung eines temporären Arbeitsbündnisses mit den Erben ausgerichtet sind. Dabei kommt den Motiven der Beteiligten einschließlich der Motivlage des Erblassers eine herausragende Bedeutung zu.
Letztwillige Verfügungen sind oft nur rudimentär und darüber hinaus zum Teil auch miss­ver­ständ­lich formuliert, wie etwa die Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung. Und häufig lassen diese letztwilligen Verfügungen nicht auf die zugrunde liegenden Motive und Interessen des Erblassers schließen.
Hier ist der Testamentsvollstrecker gefordert, insbesondere, wenn er den Erblasser langjährig eng begleitet hat. Im Dialog mit den Erben ist jetzt Aufklärungsarbeit zu leisten. Idealerweise wird dies anhand sauber dokumentierter und damit auch objektivierter Willensäußerungen des Erblassers im Rahmen der letztwilligen Verfügung beziehungsweise der Antragung des Amts als Tes­ta­ments­voll­strecker möglich sein.

Systematisches Erarbeiten der Motivlagen

Sofern es dem Testamentsvollstrecker in einem ersten Schritt gelingt, die Motivlage des Erblassers im gemeinsamen Dialog mit den Erben verständlich zu machen, hat er eine gute Grundlage für seine weitere Arbeit gelegt.
Da der Erblasser naturgemäß nicht mehr befragt werden kann, kommen andere Personen – oft von möglichen eigenen Interessen getrieben – als Informanten für die Erblassermotive in Betracht. Das können Geschäftspartner, Vermögensverwalter, aber auch Familienangehörige, eventuell in einer zusätzlichen Rolle als Erben, sein.
Sollte es dem Testamentsvollstrecker in einem zweiten Schritt gelingen, die Motive des Erblassers mithilfe des genannten Personenkreises zu präzisieren, hat er eine weitere Grundlage für eine möglichst konflikt-arme und effiziente Umsetzung des Erblasserwillens geschaffen.
Und wenn es ihm schließlich in einem dritten Schritt gelingt, die Motive des Erblassers und die der Erben einander anzunähern oder gar zur gegenseitigen Deckung zu bringen, wird seine Arbeit ein hohes Maß an Akzeptanz finden.
Bei der Erarbeitung einer gemeinsamen Motivlage kann die systematische Frage nach den Interessen der Beteiligten hilfreich sein – eine Arbeitsmethodik, die das Rückgrat eines Me­dia­tions­ver­fah­rens bildet (Bodmann, NWB Erben und Vermögen, 8/2012, S. 269 ff.). Sofern sich diese Frage an einem roten Faden orientiert, etwa dem erkennbaren Wunsch des Erblassers, das Familienvermögen zusammenzuhalten und nicht zu zersplittern, bekommt der Klärungsprozess eine für alle Beteiligten erkennbare Struktur mit einer hohen Chance, gemeinsam gefundene Arbeits­er­geb­nisse später auch gemeinsam umzusetzen.
Nachlassgegenstände haben einen wirtschaftlichen und einen emotionalen Wert, wobei der emotionale oft der wichtigere ist. So kann etwa ein altes, ausgedientes und wirtschaftlich wertloses Klavier für einen Erben einen hohen emotionalen Wert haben, weil gerade mit diesem Musikinstrument viele persönliche Kindheitserinnerungen verbunden sind. Und wenn dieses Klavier dann aufgrund eines Vermächtnisses in andere, nicht wertschätzende Hände gelangen soll, können die dadurch ausgelösten emotionalen Verwerfungen den Prozess einer reibungslosen Auseinandersetzung des Nachlasses empfindlich stören. Ein emphatischer und im Umgang mit Konflikten gut geschulter Testamentsvollstrecker wird das frühzeitig erkennen und seinen Dialog mit den Erben entsprechend einrichten. Die systematische Bearbeitung der Motivlagen durch einen methodisch sicheren Testamentsvollstrecker trägt also dazu bei, die Gemeinschaft aller Personen, die von der Testamentsvollstreckung betroffen sind, als temporäre In­te­res­sen­ge­mein­schaft und nicht als potenzielle Konfliktgemeinschaft zu etablieren.
Die hierfür aufgewendete Zeit wird an späterer Stelle, zum Beispiel durch Vermeidung rechtlicher Auseinandersetzungen mit den Erben oder zwischen den Erben, wieder gewonnen. Die Er­for­schung von Motivlagen hat ihre Grenze bei Entscheidungsspielräumen, die der Erblasser bewusst zugelassen oder durch unklare Anordnungen faktisch geschaffen hat. Gegenstand der Klärung sind dabei nicht die einzelnen Motive als solche oder im Kontext ihrer familiären Einbettung, sondern immer in ihrem konkreten Bezug zum jeweiligen Nachlassgegenstand. Der Tes­ta­ments­voll­strecker ist also keinesfalls ein Familientherapeut und sollte sich hüten, auch nur an­satz­weise in eine solche Rolle hineinzugeraten.

Fazit und Ausblick

Testamentsvollstreckung ist ein Betätigungsfeld, das heute vielen Protagonisten – vom Be­stat­tungs­un­ter­nehmer bis zu den Banken – offensteht. Steuerberater sind aufgrund ihrer wirt­schaft­lichen Kompetenz und ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mandanten prädestiniert, ein solches Amt auszuüben. Daher sind Steuerberater gut beraten, sich zusätzlich noch fachliches und methodisches Wissen anzueignen.
In Betracht kommen die Zusatzausbildungen als Mediator sowie als Fachberater für Tes­ta­ments­voll­stre­ckung und Nachlassverwaltung (DStV e. V.), die gute und praxistaugliche Grundlagen vermitteln.

Zum Autor

Holger Bodmann

Steuerberater, Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator in Hannover. Er ist zudem Referent für das Deutsche Steuerberaterinstitut im Rahmen der Ausbildung von Fachberatern für Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung.

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