„Wie wir zukünftig leben, lernen und lieben“ – was für ein toller Titel für einen Vortrag, fand ich. Das wollte ich mir anhören. Der Referent, Dr. Oliver Nickel von der SWELL GmbH, hat sich unter anderem auf High-Tech-Messen umgesehen und im Rahmen des diesjährigen Nürnberg Digital Festivals von Technologien berichtet, die die Kraft haben könnten,…
Der deutschen Politik stellt Dr. Nickel in dieser Hinsicht kein allzu gutes Zeugnis aus. Vor etwa zehn Jahren habe der spätere Bundeswirtschaftsminister Rösler sinngemäß gesagt: „Das Thema Digitalisierung ist enorm wichtig für Deutschland. Darum müssen wir uns kümmern.“ Seither seien diverse Wirtschaftsminister gekommen und gegangen und alle hätten sie dasselbe gesagt. Tatsächlich passiert sei nicht viel. Obwohl ganze Abordnungen deutscher Politiker alle Nase lang nach Estland flögen, um den dortigen Stand der Digitalisierung zu bestaunen, hinke Deutschland bei der Digitalisierung nach wie vor kräftig hinterher.
Sind wir innovativ?
In Deutschland gälten Firmen wie Bosch als innovativ, so Dr. Nickel. Bosch baue Sensoren, die beispielsweise in Autos eingebaut werden und aufzeichnen, wie schnell jemand fährt oder wie er beschleunigt und bremst. Versicherungen machten sich das zunutze, um ihren Kunden maßgeschneiderte Auto-Versicherungstarife anzubieten.
Ohne die Bedeutung der Bosch-Sensoren schmälern zu wollen: Andere Länder und Firmen seien da weiter. Viel weiter, findet Dr. Nickel. Als ein Beispiel nennt er das israelische Start-Up Noveto Systems. Das Hightech-Unternehmen habe einen Lautsprecher entwickelt, dessen akustische Signale nur von einer bestimmten Person in einem Raum hörbar seien. Ein 3-D-Sensor kalibriere sich auf diese Person und sende die Tonsignale des Lautsprechers exakt an die Stelle, an der sich der Kopf dieser Person befindet. Andere Personen im selben Raum hörten nichts.
Organe aus dem Drucker
Auch im Gesundheitssektor tue sich Erstaunliches. Dr. Nickel berichtet von Prellis Biologics aus San Francisco. Das Unternehmen ist in der Lage, mittels holografischem 3-D-Druckverfahren menschliches Gewebe herzustellen. Damit könnten Organe, beispielsweise Nieren oder Lebern produziert werden, die exakt auf den Bedarf der jeweiligen Patienten zugeschnitten sind. Dialysen, tägliche Insulin-Injektionen oder auch Wartelisten für Organspenden würden damit überflüssig.
Dr. Nickel nannte noch viele weitere Beispiele für neue Techniken, die das Leben, Lernen und Lieben verändern werden. Bei der einen oder anderen Erfindung könne man sich durchaus die Frage nach Sinn oder Moral stellen. Braucht die Menschheit tatsächlich einen Sex-Roboter, der den Dienst verweigern kann, wenn er sich unpässlich fühlt? Und wie gehen wir damit um, wenn eines Tages komplette Gehirninhalte eines Menschen in einem Computer gespeichert oder von Gehirn zu Gehirn übertragen werden können, wie es die „whole brain emulation“ verspricht? Möglicherweise müssen wir Kategorieen wie gut oder schlecht neu definieren. Tatsache ist: Viele Techniken gibt es bereits heute, weitere werden folgen. Wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen. Stattdessen werden wir darüber diskutieren müssen, wie wir mit den neuen Technologien umgehen. Auch in Deutschland.
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