Die Bundessteuerberaterkammer, die Kammer der Wirtschaftstreuhänder Wien und die Treuhand-Kammer Zürich hatten letztes Wochenende zum sogenannten D – A – CH Steuer-Kongress 2015 nach Wien geladen. Seit 1992 wird die Veranstaltung alle zwei Jahre abgehalten, mit hochkarätigen Referenten aus Verwaltung, Hochschulen und Gerichten.
Die Veranstaltung fand statt im renommierten Interconti, ein von außen an die DDR- Plattenbauten erinnerndes Bauwerk. Innen aber sehr schön und stilvoll eingerichtet, mit einer Bar, welche immer noch den Glanz der 60er-Jahre ausstrahlt.
„To BEPS or not to BEPS“
In seiner Begrüßung des durch die Veranstaltung führenden Moderators Prof. Dr. Dr. Georg Kofler bedauerte es dieser, dass die am Eröffnungstag stattfindende Sonnenfinsternis in der äußerst straffen Programmplanung leider nicht berücksichtigt werden konnte. Nach weiteren kurzen Begrüßungen durch die Kammervertreter Becherer (BStBK), Hübner (Wirtschaftstreuhänder) und Dr. Gehriger (Treuhand-Kammer) ging es los mit dem Eröffnungsvortrag von Dr. Pross (Leiter der OECD-Steuerabteilung) mit dem vielversprechenden Titel „To BEPS or not to BEPS“. Allerdings wurde nicht Shakespeare gespielt. Es standen Maßnahmen gegen die sogenannte aggressive Steuerplanung auf dem Programm. Dazu hat die OECD mittlerweile Vereinbarungen mit 93 Ländern geschlossen, um einen automatischen Informationsaustausch zu erreichen. BEPS (Base Erosion and profit shiftig) ist ein wichtiges Projekt in diesem Zusammenhang. Die OECD möchte kein bashing, also einzelne Länder oder Unternehmen anprangern, sondern sie entwickelt Maßnahmen, welche die Staaten einzeln umsetzen sollten. In der G20-Konferenz am 9.-10.2.2015 in Istanbul haben die Länder Unterstützung zugesagt.
Case studies
Unter der Leitung von Dr. Gehringer folgte ein dreistündiger Workshop, in dem in case studies steueroptimierte Gestaltungen traditioneller Outbound- und Inbound-Investitionen erörtert wurden. Es wurden typische Holdingstrukturen diskutiert, welche durch den Einsatz von Finanzierungsgesellschaften, hybriden Finanzierungstrukturen, Lizenzverwertungsgesellschaften und Cash-Pooling die aggressive Steuerplanung ermöglichen. Allerdings ist kein Steuerpflichtiger verpflichtet einen Sachverhalt so zu gestalten, dass ein Steueranspruch entsteht. Der Steuerpflichtige kann Gestaltungen wählen, die eine geringe oder überhaupt keine Steuerbelastung nach sich ziehen. Bekanntes Beispiel dazu das u.a. von Google verwendete Rezept „Double Irish with a Dutch Sandwich“. Die Grenzen der Steuerplanung liegen bei Rechtsmissbrauch, Abschluss von Scheingeschäften, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. In den Augen der OECD ist weitergehend aggressive Steuerplanung gegeben, wenn Steuerminderung der Key Driver für die Steuerplanung ist, wenn Modelle bzw. Strukturen verwendet werden ohne genügende geschäftsmäßige Begründetheit, wenn für mobile Aktivitäten Tiefsteuerländer verwendet werden, wenn Qualifikationskonflikte, z.B. im Zusammenhang mit Hybriden, ausgenutzt werden und wenn alle nationalen und internationalen Steuerplanungsmöglichkeiten ausgenutzt werden, einschließlich Verrechnungspreisoptionen. Bemerkenswert, dass auch die Schweiz mit ihrer aktuellen Unternehmenssteuerreform III Maßnahmen gegen die aggressive Steuergestaltung plant. Dazu gehören beispielsweise die steuerliche Aufwertung auf Verkehrswerte (Step-Up) des unter dem Steuerprivileg geschaffenen Mehrwerts für Zwecke der kantonalen Besteuerung und die Schaffung sogenannter Lizenboxen, in denen Marketingrechte und nicht patentierte aber patentierbare IP-Rechte (intelectual property) gehalten werden. Die neuen Regeln werden allerdings frühestens per 1.1.2017 in Kraft treten können mit Wirkung frühestens zum 1.1.2019.
Auch Liechtenstein richtet seine Steuerpolitik neu aus. Es hat mit allen EU- und OECD-Staaten Abkommen zum automatischen Informationsaustausch geschlossen. Liberale und großzügige Regelungen ermöglichen dennoch eine Ertragsteuerbefreiung zu 100 % bei einer FL-Holding. Allerdings umfassende Nachversteuerung bei Ausscheiden aus der Gruppe, Reduktion der Beteiligungsquote, fünf Jahre nach Verlustverrechnung u.a.
Abschließend wurden die Unterschiede in der Holdingbesteuerung zwischen Ö, D, CH und FL anhand der Kriterien Abzugsfähigkeit von Kapitalverlusten auf inländische und ausländische Beteiligungen sowie Abschreibungen von inländischen und ausländischen Beteiligungen instruktiv erörtert. Allein Deutschland verhält sich bei der Abzugsfähigkeit durchgehend restriktiv.
Die ganz große Rechtsprechung
Die Nachmittagsveranstaltung hatte die ganz große Rechtsprechung zum Internationalen Steuerrecht zum Thema. Die höchsten Richter der drei Länder stellten länderspezifisch ausgewählte Gerichtsentscheidungen vor und sparten nicht an gegenseitiger Kritik.
Es begann Prof. Dr. Dietmar Gosch (Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof). Er beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob Verluste einer ausländischen Betriebstätte unter bestimmten Voraussetzungen bei der Muttergesellschaft abziehbar sind. Ein Verlustabzug ist in Deutschland grundsätzlich nicht möglich, da Deutschland nicht das Besteuerungsrecht hat. Ausnahmsweise kommt aus Gründen des Unionsrechts ein Verlustabzug in Betracht wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat als sogenannte finale Verluste steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind. Eine derartige „Finalität“ ist gegeben, wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen aber so gut wie ausgeschlossen ist und ein wider Erwarten dennoch erfolgter späterer Abzug im Inland verfahrensrechtlich noch nachvollzogen werden könnte.
Kontrovers wurde das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Hinzurechnung der Dauerschuldentgelte bei der inländischen Muttergesellschaft als Zinsschuldnerin einer belgischen Tochtergesellschaft diskutiert, da der Bundesfinanzhof im Gegensatz zu den höchsten Finanzgerichten in der Schweiz und Österreich das Konstrukt der virtuellen Organschaft nicht akzeptiert.
Die (Umsatz-)Besteuerung der Verpflegung auf einer Flusskreuzfahrt wurde in allen denkbaren Facetten beleuchtet und kontrovers diskutiert. Zu bedenken ist hier insbesondere nach Auffassung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs, dass es der Verkehrsauffassung entspricht, dass Kreuzfahrtleistungen die Verpflegung an Bord zwingend einschließt, wobei die zeitliche Lagerung der Mahlzeiten mit dem Reiseprogramm abgestimmt ist. Im Gegensatz zur herkömmlichen Pauschalreise ist bei einer mehrtägigen Kreuzfahrt – aus der Sicht der Durchschnittsverbraucher – die Vollpensionsverpflegung an Bord des Schiffes geradezu erforderlich, um die Schiffsreise konsumieren zu können. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Verpflegung als Nebenleistung zur Beförderungsleistung anzusehen ist und demnach nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Eine Fülle weiterer Urteile wurde von den obersten Richtern im Schnelldurchgang vorgestellt und erläutert. Im Gedächtnis haften geblieben sind der sogenannte Goldfinger-Fall (Nutzen des negativen Progressionsvorbehalts durch Beteiligung an ausländischem Goldhandel) und der Erwerb einer ausländischen (spanischen) Ferienimmobilie durch einen deutschen Steuerpflichtigen über eine spanische Kapitalgesellschaft.
DATEV at GmbH
Am nächsten Tag durfte Herr Christian Weinzierl, Geschäftsführer der DATEV at GmbH, die Kongressteilnehmer begrüßen. Seit 2001 ist die DATEV eG in Österreich vertreten und Hauptsponsor des D-A-CH Steuerkongresses. Er hob das positive Umfeld des Wirtschaftsstandorts Österreich hervor und dankte Organisatoren und Teilnehmern. In den Pausen war der DATEV-Stand übrigens eine beliebte Anlaufstelle.
Die doppelte Nichtbesteuerung
Anschließend referierte Prof. Drüen über die Grundlagen und Vermeidung der internationalen doppelten Nichtbesteuerung. Die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ist aus deutscher Sicht kein Paradigmenwechsel. Gesetzlich enthält die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 2 Abgabenordnung seit 2010 als Ziele die „Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung“. Deutschland greift damit eine internationale Entwicklung auf. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag benennt die Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung als steuerpolitisches Ziel für die laufende Legislaturperiode. Die DBA dienen nicht mehr alleine der Verhinderung der von doppelter Besteuerung, sondern auch der Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung. Auf OECD-Ebene ist die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung seit dem Jahr 2000 ein Auslegungsziel. Das Ziel der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung deckt sich nicht mit der „Verhinderung von Steuerverkürzung“. Kongruenz besteht nur bei Steuerhinterziehung, während bei sogenannten „weißen Einkünften“ aufgrund legaler Handlungen (z.B. die Ausnutzung des Qualifikationskonflikts) das Ziel der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung über die Verhinderung von Steuerverkürzung hinausgeht. Dem neuen Ziel der doppelten Nichtbesteuerung dienen die Subject-to-tax-Klauseln (oder auf gut Deutsch: „Rückfallklauseln“). Deren Funktion besteht darin, dass sie die Freistellung der Einkünfte in einem Vertragsstaat davon abhängig machen, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht tatsächlich ausübt, die Einkünfte also tatsächlich besteuert. Subject-to-tax-Klauseln als Instrument zur Vermeidung doppelten Nichtbesteuerung führen nach Auffassung von Prof. Drüen „zu einer Aufhebung der nationalen Steuerfreiheit“. Deutschland nimmt für sich das Recht auf die Beurteilung und das Zurückdrehen ausländischer Lenkungszwecke in Anspruch. Das wird zu Gegenmaßnahmen anderer Staaten führen. In Zukunft wird der Streit über die nationale Lenkungskultur des Steuerrechts nicht nur auf der Bühne des europäischen Beihilferechts, sondern auf auch auf der des Völkervertragsrechts ausgetragen.
Probleme aus der DBA-Praxis
Spitzenvertreter der Steuerverwaltungen aus D-A-CH und FL stellten zum Abschluss der Veranstaltung unter der Moderation von Prof. Lang Probleme aus der aktuellen DBA-Praxis vor. Im Fokus der Finanzverwaltungen stehen seit jeher die verschiedenen Formen der gemeinnützigen Stiftung, deren steuerliche Anerkennung und Behandlung von den Ländern durchaus unterschiedlich gesehen werden. Weitere Diskussionspunkte waren die Zweitwohnsitzproblematik bei Grenzgängern, länderübergreifende Vertriebstochtergesellschaften, der Internethandel, Rentenzahlungen über die Grenze und die sogenannte Verständigungsvereinbarung.
Eldorado für den internationalen Steuerrechtler
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Veranstaltung sich mit beeindruckenden Referenten und komplexen Themen als Eldorado für den am internationalen Steuerrecht interessierten Praktiker (und Theoretiker) präsentiert hat. Nicht umsonst ist das DATEV magazin bei solchen Veranstaltungen dabei. So haben wir schon viele Referenten also Autoren gewinnen können, die spannend und qualifiziert für den Berufsstand schreiben.
Fotos: Robert Herbst