Fahrradunfall mit dem Favoriten beim DATEV Challenge Roth - 20. Juli 2017

Die zwei Nothelferinnen

Ein Sturz sorgte in diesem Jahr in Roth für Aufsehen. Hilfe kam von zwei unserer Kolleginnen. Sie litten mit, als ein Traum platzte.

Dr. Ann Bondy und der Top-Favorit Nils Frommhold kennen sich nicht, als sie am Morgen des 9. Juli beim DATEV Challenge Roth starten. Doch beide haben dasselbe Ziel vor Augen: das Siegerpodest. Sie will als Altersklasseathletin dort stehen, er wie im Jahr 2015 als Sieger der Top-Athleten. Beide liegen nach dem Schwimmen sehr gut in der Zeit. Nils Frommhold behauptet lange seine einsame Position an der Spitze. Alles sieht nach einem Triumph aus. Doch dann ein Missgeschick: Als Nils Frommhold die Altersklasseathletin Dr. Ann Bondy überholen will, kommen sie sich nah – zu nah. Ihre Lenker verhaken sich. Sie stürzen. Schrecksekunde. Es ist das Aus. Die Enttäuschung ist groß. Bei beiden.

Während viele Nils Frommhold zur Hilfe eilen, bleibt die Neuseeländerin unbemerkt im Graben sitzen. Der Schock hält an. Sie braucht Zeit, bis sie das Helferzelt erreicht. „Als sie zu uns kam, dachten wir, sie sei schwerer verletzt, weil sie kaum laufen konnte.“ Lydia Staudinger erinnert sich noch gut an die Situation. Sie ist DATEV-Mitarbeiterin und seit vielen Jahren eine von 7.000 Helfern beim DATEV Challenge Roth. Seitdem hat sie schon viel erlebt in der „Wechselzone 2“ – dem Ort, an dem die Athleten von der Rad- auf die Laufstrecke wechseln. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Marita Rinnagl kümmert sie sich um die Athleten, die den Wettkampf vorzeitig beenden. Entweder weil sie einen Defekt am Rad haben, weil sie gestürzt sind oder weil sie nicht mehr können. Eine Athletin musste an diesem Tag alles auf einmal verkraften: Dr. Ann Bondy.

Dr. Ann Bondy war darnieder

Lydia Staudinger und Marita Rinnagl kümmern sich prompt. „Sie war am Anfang ziemlich darnieder“, erinnert sich Lydia Staudinger. „Sie hat ihre Arme immer angewinkelt, um uns zu erklären, dass jemand auf seinem Lenker liegend an ihr vorbeifahren wollte. Anschließend hat sie erzählt, dass sich nach dem Sturz alle um Nils gekümmert hätten. Erst dann haben wir langsam begriffen, dass es Nils Frommhold gewesen sein muss, mit dem sie sich mit dem Lenker verhakt hat.“ Nach ein paar Minuten konnten die Helferinnen Dr. Ann Bondy überzeugen, sie zu den Sanitätern zu bringen. „Marita hat sie untergehakt und gestützt, ich habe ihre Sachen genommen. Dann dachten wir eigentlich, sie sei versorgt und das Thema wäre vorbei.“

Marita Rinnagl hätte mitheulen können

Doch wie sich herausstellte, dauerte die Betreuung vier Stunden. Viel Zeit um mehr über die Athletin zu erfahren. „Ann kam extra mit einer Reisegruppe aus Neuseeland zum Challenge nach Roth“, so Marita Rinnagl. „Sie wollte mit 67 Jahren ihre letzte Langdistanz fahren. Und sie wollte gewinnen. Das hätte sie sicher auch geschafft, denn es gab nur zwei Frauen in ihrer Altersklasse. Das war ihr Traum und der ist geplatzt.“

Diese Geschichte ging den beiden Helferinnen nah. Normalerweise kommen die Athleten, holen ihre Fahrräder und Sportbeutel mit der Wechselkleidung und sind schnell wieder weg, weil sie so enttäuscht sind. „Ann wollte gar nicht mehr weg von uns. Und sie tat mir so leid. Ich hätte mitheulen können. Es war so bitter für sie, weil sie so siegessicher war“, sagt Marita Rinnagl.

Sie liefen langsam zu dritt zum Ziel

Sie und Lydia Staudinger halfen ihr über diesen Schock hinweg. Auch nach dem Gesundheitscheck bei den Sanitätern, als Dr. Ann Bondy ihr Handy haben wollte. „Sie wusste zwar, dass sie niemanden anrufen konnte, der zu ihr hätte kommen können, aber sie wollte ihr Handy“, erinnert sich Lydia Staudinger. Doch das lag in ihrem Beutel im Ziel. Der Leiter der „Wechselzone 2“ rief dort an und vereinbarte, dass die beiden Helferinnen den Beutel für sie holen durften. Als sie losgingen, wollte Dr. Ann Bondy mit – hinkend und von Krämpfen geplagt. Sie sagte, dass laufen gut für ihre Hüfte sei. So gingen die drei langsam gemeinsam zum Ziel.

Wunsch nach höherem Sinn

„Auf dem Weg hat sie dann sämtliche Leute an der Strecke angesprochen, einschließlich der Polizisten. Denn sie wollte immer wissen, wer denn jetzt gerade führt. Sie hoffte eines: Wenn ein Neuseeländer gewinnen würde, dann hätte das alles wenigstens etwas Gutes“, berichtet Marita Rinnagl. Doch auch dieser Traum sollte an diesem Tag nicht in Erfüllung gehen: Ihr Landsmann Terenzo Bozzone wurde nur Fünfter.

Marita Rinnagl erinnert sich: „Als ich Dr. Ann Bondy spät am Abend nochmal gesehen habe, saß sie auf der Laufstrecke an einen Laternenpfosten gelehnt. Sie hat geschlafen. Ich glaube, sie musste alles erstmal verarbeiten.“

“You were 100 percent awesome“

Ein paar Tage nach dem Wettkampf nahmen die beiden Helferinnen Kontakt zur 67-Jährigen auf. Sie wollten wissen, wie es ihr mittlerweile geht. „I am not home yet. I had to change my flights because my leg was so badly swollen. It was too dangerous to fly. I had to go to hospital.“ Dennoch bedankte sich Dr. Ann Bondy herzlich bei ihren beiden Helferinnen: „I have been telling everyone what lovely, kind people you are. I will never forget the way you looked after me. You were 100 percent awesome (…). You are always welcome at my home if you ever venture as far as New Zealand! Thank you again!“

Der DATEV Challenge Roth aus Helferperspektive:

Zur Autorin

Lisa Braunersreuther

Lisa Braunersreuther hat die Freude am Schreiben schon nach dem Abi entdeckt. Nach einem Jahr voller Praktika in Pressestellen und bei verschiedenen Medien startete sie als freie Mitarbeiterin im Journalismus durch. Sie arbeitete während ihres Studiums für Tageszeitungen, ein Internetfernsehen und für den Bayerischen Rundfunk. Nach ihrem Studium „Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation“ stieg sie bei ERGO Direkt ins Berufsleben ein. Nun freut sie sich seit Juni 2016 die vielfältigen DATEV-Medien mitgestalten zu können.

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