- 10. November 2014

Die Zahl des Tages und der Waffelschein

von Gastautor

90 Mrd. Euro, das war die Zahl des Tages beim 37. Deutschen Steuerberatertag in München. Genannt hatte sie Jürgen Fitschen, Ko-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG und offensichtlich bestens vorbereitet für sein Impulsreferat vor rund 1200 Steuerberatern und Steuerberaterinnen. Denn so groß ist demnach das Kreditvolumen von Steuerberatern bei dem Kreditinstitut. Fitschen gab sich überrascht, obwohl…

SteuerberatertagSteuerberater gelten gemeinhin zwar auch als Zahlenjongleure, aber das waren dann doch für manche ein paar Nullen zu viel, um sie im Geiste wegzustreichen. Und so war an so manchem Platz zu sehen, wie das Smartphone gezückt wurde. Wie viel Kreditvolumen entfällt denn dann auf einen Steuerberater? Sehr großzügig aufgerundet gibt es 90.000 in Deutschland, ließe sich also einfach berechnen, wenn Smartphones mit so vielen Nullen umgehen könnten. Können die meisten ohne Spezial-App aber anscheinend nicht. Also blieb wohl bei dem ein oder anderen nur die vage Ahnung, dass eine Millionen Euro Kredit nicht zu den eigenen Erfahrungen passt.

Über ganz andere Zahlen sprach Markus Söder, Bayerischer Finanzminister. Er wies erneut darauf hin, dass Selbstanzeigen in Steuerangelegenheiten vom kommenden Jahr an deutlich teurer werden. Es könne sich also lohnen, noch dieses Jahr genauer hinzuschauen, wo da noch ungeahnte Beträge auf fast vergessenen Konten liegen.

Passend dazu konnten sich die Teilnehmer im Ausstellungbereich an einem Stand schnell-porträtieren lassen – mit langer Nase. Aber das sahen die meisten erst, als ihr Porträt schon auf Papier gebannt war. Um den richtigen „Scharf-Sinn“ ging es bei einem anderen Aussteller. Hier waren die Teilnehmer bei einem Senf-Quiz gefordert. Wer es etwas süßer bevorzugte, tauschte seinen Waffelschein am Stand von TeleTax – vis-à-vis zum DATEV-Stand – gegen eine leckere heiße Waffel mit Kirschen, Nuss-Nougat-Creme oder Puderzucker ein.

Ob Herr Fitschen eine solche überreicht bekam, als er kurz am Stand der DATEV Hallo sagte, ist der Autorin nicht bekannt.

 Steuerbürger mit einem Bein im Gefängnis?

Aber es ging ja vor allem um ernste Angelegenheiten bei der Veranstaltung. Rudolf Mellinghoff, der Präsident des Bundesfinanzhofs, beschäftigte sich in seinem Grußwort unter anderem mit der selbstausgefüllten Steuererklärung. Er plädierte eindringlich dafür, dass die Verantwortung für die Richtigkeit eines Steuerbescheides nicht auf den Steuerbürger abgewälzt werden darf. Angesichts des Zustands des deutschen Steuerrechts wäre er überfordert. Anders ausgedrückt, er stünde dann immer mit einem Bein im Gefängnis, selbst wenn er steuerehrlich sein will.

Auch eine Maschine bzw. Software sollte hier nicht das letzte Wort haben, forderte Prof. Dieter Kempf in der Diskussionsrunde zum Thema „Steuern digital“. „Algorithmen können nicht alles“, sagte er. Obwohl oder gerade weil er Vorsitzender eines IT-Dienstleisters ist, sprach er sich dafür aus, dass beim Ausgleich zwischen deutschem Steuerrecht und gelebter Realität immer noch der Mensch als Entscheidungsträger gefragt sein muss.

Deshalb müsse auch der Amtsermittlungsgrundsatz erhalten bleiben, forderte Harald Elster, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands. Die durchaus begrüßenswerte Entwicklung hin zur digitalen Steuerverwaltung dürfe nicht zu einer schleichenden Überwälzung des Steuervollzugs auf die Steuerberater und ihre Mandanten führen. „Die Finanzverwaltung darf gerne die Zapfsäule für Self-Services öffnen, sie kann aber den Betrieb und die Verantwortung für die Tankstelle nicht komplett wegdelegieren.“

Alle müssen von der Digitalisierung profitieren

Zudem dürfe die Digitalisierung nicht über Gebühr zu Lasten des Berufsstandes und der Mandanten gehen, forderte Elster. Eine besondere Bedeutung komme dabei dem Ersetzenden Scannen zu. Bisweilen bestehe bei Unternehmen und ihren Beratern noch eine große Unsicherheit, ob sie die Papierbelege nach dem Scannen risikolos vernichten dürfen. Hier wäre es sehr hilfreich, wenn das Bundesministerium der Finanzen offiziell bestätigen würde, dass Belege, die entsprechend einer vorgegebenen Verfahrensdokumentation gescannt und bereit gehalten werden, für steuerliche Zwecke nicht mehr in Papierform aufbewahrt werden müssen.

Dagegen hätten wir von DATEV-Seite auch nichts einzuwenden.

Elster zeigte sich in München aber auch als Kämpfer gegen die kalte Progression. Bei Wolfgang Schäuble kam er damit nicht weit. Der Bundesfinanzminister berichtete in der Diskussion mit dem Verbandspräsidenten eher lapidar, dass er ja auch für einen Abbau der versteckten Steuererhöhung sei, aber die Länder hätten seinen entsprechenden Gesetzesvorschlag abblitzen lassen. In der Pressekonferenz wurde Elster deshalb etwas deutlicher: Aus der „kalten Progression könnte auch kalte Wut werden“, wenn sich hier nicht bald etwas bewege, drohte er.

Über die Autorin: 
Claudia Specht hat Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Medienkommunikation studiert. Vor ihrer Zeit bei DATEV war sie als Wirtschaftsjournalistin unterwegs. In der Pressestelle der Genossenschaft ist sie Ansprechpartnerin für Journalisten zu den Themenbereichen Wirtschaft, Mittelstand und Steuerberaterbranche – und sie fuchst sich gerne in immer wieder neue Themen ein. Der Gesetzgeber gibt ihr dafür regelmäßig Gelegenheit.

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