Während heute Güter meist von einem einzigen Logistikdienstleister transportiert werden, soll es in Zukunft fragmentierte, anbieter- und verkehrsträgerunabhängige Transporte geben. Zwei Projekt befassen sich mit dem „Physical Internet“ genannten Ansatz.

Die wachsende Zahl der weltweiten Gütertransporte und ihre Abwicklung auf meist ressourcenintensivem Weg stellt Umwelt und Gesellschaft vor immer größer werdende Herausforderungen. Während heute Güter über große Distanzen durch einzelne Transportdienstleister transportiert werden, wird es in Zukunft fragmentierte, anbieter- und verkehrsträgerunabhängige Transporte geben. Intelligente Behälter werden sich beispielsweise automatisch den effizientesten Weg durch Transportnetzwerke suchen.

„So wie eine E-Mail automatisch ihren Weg durch das Internet vom Sender zum Empfänger über mehrere Zwischenstationen nimmt, werden in Zukunft Güter selbständig ihren Weg durch Transportnetzwerke nehmen“, erklärt Sandra Stein von Fraunhofer Austria. „Dabei werden sie je nach Bedarf von Straße, Schiene und Wasserstraße, aber auch verschiedenen Lagerorten Gebrauch machen und stets den effizientesten Weg zum Empfänger wählen“, fügt sie hinzu.

Ehrgeiziges Konzept für Effizienz und Nachhaltigkeit in der Transportlogistik

Das Physical Internet ist derzeit wahrscheinlich das ehrgeizigste Konzept für Effizienz und Nachhaltigkeit in der Transportlogistik. Es steht für eine tiefgreifende Reorganisation des Güterverkehrs und der Logistik. Die 17 Partner des Leitprojekt „PhysICAL“ – Physical Internet through Cooperative Austrian Logistics – unter der Konsortialführung von Fraunhofer Austria wollen nun die für Österreich nötigen Grundlagen für eine flächendeckende Umsetzung des Physical Internet schaffen.

Unter anderem werden Anwendungsmöglichkeiten in vier verschiedenen Branchen entwickelt. So wird demonstriert, dass das Physical Internet der österreichischen Transportwirtschaft einen ökonomischen Vorteil und zugleich der Gesellschaft einen ökologischen und sozioökonomischen Nutzen bringt. Das Projekt wird im Rahmen des FTI-Programms Mobilität der Zukunft durch das Bundesministerium für Klimaschutz gefördert.

„Es freut mich, dass sich hier 17 österreichische Partner aus Transportwirtschaft und Logistik zusammengefunden haben, um das Physical Internet in der Praxis an vier konkreten Piloten in den nächsten vier Jahren zu erproben. Das Physical Internet verspricht nicht nur die Effizienz in der Logistik um bis zu 30 % zu verbessern, sondern auch gleichzeitig Staus, Emissionen und Energieverbrauch um mindestens 30 % zu reduzieren. Daher haben wir hier hohe Erwartungen in Bezug auf Erkenntnisse zur Gestaltung einer nachhaltigen Gütermobilität“, so Innovationsministerin Leonore Gewessler.

Die Holzlogistik wird smart

Bis es zu einem flächendeckenden Einsatz kommen kann, ist jedoch Entwicklungsarbeit nötig, wie zum Beispiel die Schaffung von offenen Informationssystemen wie Plattformen oder die Weiterentwicklung von intelligenten Transporteinheiten. Eine wichtige Grundlage ist auch ein kooperatives Vorgehen aller Stakeholder, was zu einem kompletten Umdenken bei allen Beteiligten führen muss.

Genau diese Schritte sind von den Partnern im Leitprojekt PhysICAL für die kommenden vier Jahre geplant. Kooperativ genutzte Transportgebinde werden beispielsweise für die Holzwirtschaft entwickelt. Diese sollen im Murtal und im Lungau zum Einsatz kommen und es dort durch eine smarte Holzlogistik ermöglichen, etwa 30.000 der derzeit 100.000 Tonnen Transportvolumen von der Straße auf die Bahn zu verlagern.

Ebenfalls ein intelligenter Behälter für Paketsendungen steht im Pilotprojekt in Graz im Mittelpunkt. Statt einer Vielzahl von Paketdienstleistern soll dort zukünftig eine neutrale Flotte Pakete in intelligenten Boxen an zentrale Standorte ausliefern, um den Verkehr im innerstädtischen Raum zu verringern und die Lebensqualität zu erhöhen.

Offene Transportmanagement-Plattform soll entstehen

Digitale Plattformen bilden dagegen den Schwerpunkt der anderen zwei Pilotprojekte: das erste reale Handelshaus der virtuellen Welt wird es produzierenden KMU ermöglichen, am -Commerce teilzunehmen. Durch das gemeinsame Abwickeln von Lagerung, Transporten und IT-Lösungen wird ein erfolgreicher Vertrieb über E-Commerce von der Unternehmensgröße unabhängig.

Der vierte Pilot sieht die Entwicklung einer offenen Transportmanagement-Plattform vor. Diese soll die Buchung eines intermodalen Transports so sehr vereinfachen, dass dieser mit wenigen Klicks durchgeführt werden kann.

Das Projekt „PhysICAL“ wird im Rahmen des FTI-Programms Mobilität der Zukunft durch das Bundesministerium für Klimaschutz gefördert und von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG abgewickelt. Projektpartner sind das AIT Austrian Institute of Technology, Prime Mobility & Consulting GmbH, doppler E. Doppler & Co GmbH, 4PL Intermodal GmbH, Schrack Technik GmbH, Steiermarkbahn Transport und Logistik GmbH, Wiener Lokalbahn Cargo GmbH, A1 digital International GmbH, bitsfabrik GmbH, Cargo-Center-Graz Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG, niceshops GmbH, Pro Danube Management GmbH, Project-S Global.Web.Shop GmbH & Co KG, Technische Universität Graz, Variocube GmbH, Stranzinger Logistik Service GmbH.

ePIcenter erkundet Physical Internet andere Technologien

Auch hierzulande ist das Physical Internet neben weiteren logistischen Zukunftstechnologie ein großes Thema. Gemeinsam mit über 30 europäischen und weltweiten Partnern hat die Logistik-Initiative Hamburg Management GmbH – eine von der Behörde für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg sowie dem Logistik-Initiative Hamburg e.V. getragene Gesellschaft – das Projekt „ePIcenter – enhanced physical internet-compatible earth-friendly transportation answer“ gestartet.

Neben der LIHH und dem Hafen Antwerpen als Projektkoordinator sind Projektpartner wie Panasonic, DHL, der Duisburger Hafen und Anheuser-Busch Inbev mit an Bord. Das Projekt wird durch das europäische Programm Horizon 2020 kofinanziert und hat eine Projektlaufzeit von 42 Monaten.

Die Partner werden im Rahmen des Projekts praktikable Toolsets und Lösungen erarbeiten, die die durch zunehmende Länge, Komplexität und Verwundbarkeit der globalen Lieferketten verursachten Herausforderungen in Chancen wandeln. Ziel wird die Ermöglichung eines nahtlosen Warentransports sein, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf den technologischen und betrieblichen Möglichkeiten liegt, die das Konzept des Physical Internets, die synchromodale Logistik und andere disruptive Technologien wie Hyperloop, Industry 4.0 und autonome Fahrzeuge bieten.

Das Projekt ePIcenter hat dabei eine globale Reichweite mit einer Reihe von groß angelegten Demonstratoren auf den wichtigsten Schifffahrtsrouten von Europa nach Kanada und den USA sowie auf neuen Handelsrouten wie der Nordostpassage und der neuen Seidenstraße.

LIHH bindet externe Stakeholder ein

Technologie-Innovatoren und Umweltexperten arbeiten zusammen, um neue Lösungen zu entwickeln, die die Effizienz und Nachhaltigkeit globaler Lieferketten erhöhen. Mit ergebnisorientierten Feldversuchen und der Zusammenarbeit mit einigen der ehrgeizigsten Akteure im Handels- und Logistiksektor verpflichtet sich das ePIcenter-Projekt, Lösungen mit greifbaren Wirkungen auf die nachhaltige Logistikkette der Zukunft zu schaffen.

Die Logistik-Initiative Hamburg fungiert im Rahmen des Projekts in einer unterstützenden Rolle, indem sie insbesondere externe Stakeholder einbindet, die entwickelten Toolsets hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit und Marktakzeptanz kritisch prüft, bei der Dissemination von Projektergebnissen unterstützt und ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus bereits abgeschlossenen Projekten mit den Projektpartnern teilt.

„Dieses Projekt unterstützt in hervorragender Weise unser Ziel, Hamburg als innovative Logistikregion weiter zu profilieren und ergänzt unser Projektportfolio um ein sehr spannendes internationales Vorhaben.“ so Carmen Schmidt, Geschäftsführerin bei der Logistik-Initiative Hamburg. „Der Know-how-Austausch mit Unternehmen und Institutionen auf globaler Ebene ist ein großer Mehrwert, von dem auch unser regionales Netzwerk profitieren wird.“

Autor: Jürgen Schreier

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