Bruce Schneier hält die verschiedenen Ansätze, die Unternehmen und Gesundheitsorganisationen hinsichtlich einer App zum Covid-19-Tracing vorgebracht haben, für unwirksam und nutzlos.

Zu viele Falsch-Positive machen es schwer, echte Ansteckungen zu finden

Zum Einen würden die Apps eine enorme Zahl an Falsch-Positiven erfassen: Ansätze zum Contact Tracing erforderten eine exakte Definition zur Erfassung eines Kontakts mit einem erkrankten Menschen. Im Falle des von Apple und Google gemeinsam erarbeiteten Ansatzes wird beispielsweise jeder Smartphone-Besitzer als Kontakt erfasst, der sich für länger als 10 Minuten in einem Abstand von etwa zwei Metern zu einer an Covid-19 erkrankten Person aufgehalten hat. Dabei müsse eine solche App von einem 100%-igen Erkrankungsrisiko ausgehen.

Auch mit moderner Technologie seien aber GPS und Bluetooth schlicht zu ungenau, um jeden Kontakt zu erfassen. Auch sind solche Apps nicht in der Lage zu erkennen, ob die betroffenen Personen etwa während des Kontakts einen Mundschutz getragen haben, ob sie sich nur in benachbarten Räumen aufgehalten haben oder sonst durch eine Wand voneinander getrennt waren.

Zu viele tatsächliche Ansteckungen könnten nie durch Apps erfasst werden

Gleichzeitig gebe es auch eine enorme Zahl an Falsch-Negativen. Diese ergäben sich zum Einen durch die oben erwähnten Ungenauigkeiten in der Ortserfassung durch GPS und Bluetooth. Zum anderen können Erkrankungen, die nicht durch die App erfasst wurden, nicht berücksichtigt werden. Selbst in Örtlichkeiten wie Singapur, die eine hohe Netzabdeckung und Pro-Kopf-Smartphonedichte haben, läge die Nutzungsrate solcher Apps nicht höher als bei 20 %.

Außerdem sei zu bedenken, dass Erkrankungen auch außerhalb der von der App vorgegebenen Parameter erfolgen können: So können sich etwa Personen auch in einem Kontaktzeitraum von weniger als 10 Minuten oder in Abständen von etwas mehr als zwei Metern mit dem Coronavirus infizieren. Diese Personen sind dann durch diese Apps nicht erfasst und können weitere Personen anstecken.

Vertrauensverlust wiegt schwerer als das Fehlen einer nutzlosen App

Diese Vielzahl an Falsch-Positiv- und Falsch-Negativ-Meldungen machten aber jeden praktischen Nutzen solcher Contact-Tracing-Apps hinfällig, meint Schneier. „Nehmen wir an, Sie nehmen die App mit zum Lebensmitteleinkauf und sie macht Sie anschließend auf einen Kontakt aufmerksam. Was sollten Sie dann tun? Es ist nicht genau genug, dass Sie sich für zwei Wochen unter Quarantäne stellen müssten. Und ohne allgegenwärtige, preiswerte, schnelle und genaue Tests können Sie die Diagnose der App nicht bestätigen. Der Alarm ist also nutzlos“, schreibt Schneier. Und gleichzeitig könne man niemals auf Grundlage eines ausbleibenden App-Alarms davon ausgehen, dass man nicht infiziert sein könne.

Das Endergebnis sei eine App, die schlicht nicht funktioniere, erklärt Schneier. „Das hat nichts mit Datenschutzbedenken zu tun. Die Vorstellung, dass die Ermittlung von Kontaktpersonen mit einer App und nicht mit Gesundheitsexperten durchgeführt werden kann, ist einfach nur dumm“, fasst Schneier zusammen. Personen würden überwiegend schlechte Erfahrungen mit diesen Apps machen und diese naturgemäß in den Sozialen Medien teilen. Dadurch erhärte sich in der Öffentlichkeit das Verständnis, dass diesen Apps – und deren Urhebern – nicht zu vertrauen sei. „Dieser Vertrauensverlust ist noch schlimmer, als gar keine App zu haben“.

Gerade hinsichtlich des Datenschutzes waren sogenannte Contact-Tracing-Apps zuvor von mehreren Seiten stark kritisiert worden. So hatte der Chaos Computer Club in einem offenen Brief starke Bedenken geäußert, „da die anfallenden Daten hochsensibel und besonders zu schützen sind“. Auch Experten der gemeinnützigen Brookings Institution befürchten, dass die falsche Sicherheit, die Contact-Tracing-Apps vermittelten, potentiell desaströse Folgen haben könnte.

Autor: Sebastian Gerstl

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