Der Einsatz der Gesichtserkennung durch die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden erweist sich als echter „Spaltpilz“. Einige Nutzer der Technologie-Website des Datenanalyse- und Beratungsunternehmen GlobalData lehnen diesen Einsatzzweck ab.

In einer Umfrage von GlobalData, die zwischen dem 24. Januar und dem 7. Februar 2020 von 644 Lesern beantwortet wurde, gaben 53 Prozent der Befragten an, dass sie über den Einsatz von Gesichtserkennungstools durch die Polizei nicht glücklich sei, während sich 47 Prozent mit dem Einsatz durch solche Organisationen offenbar durchaus anfreunden können.

Vermutlich wird die EU ein Verbot des Einsatzes von Gesichtserkennungssoftware in Erwägung ziehen, bis die Technologie einen größeren Reifegrad erreicht hat. Ein Entwurf des betreffenden Weißbuchs, der erstmals im Januar 2020 auf der Nachrichtenwebsite EURACTIV veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Europäische Kommission ein vorübergehendes Verbot dieser Technologie in Erwägung zieht – und zwar keineswegs nur für Einsatz im Bereich der Strafverfolgung.

EU: Gesichtserkennung im öffentlichen Raum (vorerst) verbieten

In dem Papier wird vorgeschlagen, dass „die Verwendung der Gesichtserkennungstechnologie durch private oder öffentliche Akteure im öffentlichen Raum für einen bestimmten Zeitraum (z. B. drei bis fünf Jahre) verboten werden soll, während dessen eine solide Methodik zur Bewertung der Auswirkungen der Gesichtserkennung und mögliche Maßnahmen zum Risikomanagement identifiziert und entwickelt werden könnten“.

„Dies mag zwar extrem erscheinen, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Gesichtserkennung bereits von den Polizeikräften in ganz Europa eingesetzt wird, aber es spricht einiges dafür, dass die Technologie noch nicht ausgereift genug für eine regelmäßige Nutzung ist“, so Lucy Ingham, Redakteurin beim britischen Medienportal Verdict. „Ein unabhängiger Bericht über die Gesichtserkennungstechnologie, die von der (Londoner) Metropolitan Police zur Identifizierung potenzieller Verdächtiger eingesetzt wird, stellte beispielsweise fest, dass sie in 81 Prozent der Fälle ungenau war, obwohl die Met behauptete, dass die Fehlerquote nur 1 zu 1000 betrug.“

Seitdem hat die Met-Police angekündigt, dass sie die Technologie nun als Teil von Routineoperationen einsetzen wird, ein Schritt, den Silkie Carlo, Direktor von Big Brother Watch, als „eine enorme Ausweitung des Überwachungsstaates und eine ernsthafte Bedrohung für die bürgerlichen Freiheiten in Großbritannien“ bezeichnete.

„Die Polizeikräfte behaupten jedoch, dass die Technologie Verbrechen verhindert und die Privatsphäre nicht verletzt. Es gibt auch Probleme bei der Identifizierung farbiger Personen, wobei Tests der US-Regierung ergeben haben, dass selbst die genauesten Gesichtserkennungstechnologien Schwarze mindestens fünfmal häufiger falsch identifizieren als Weiße.

Innenminister Seehofer verwirft Referentenentwurf

Auch in Deutschland ist Gesichtserkennung im Einsatz. So finden die Ermittlungsbehörden bereits heute Hunderte mutmaßlicher Täter und Täterinnen per Gesichtserkennungsprogramm. Zehntausende Recherchen werden nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) pro Jahr durchgeführt, das sich über die Erfolgsquote jedoch ausschweigt. In Bayern, wo man sich als Vorreiter in Sachen Gesichtserkennung sieht, konnte das Landeskriminalamt (LKA) im vergangenen Jahr mit dieser Technologie 387 Straftäter dingfest machen nach 146 im Jahr zuvor.

Dennoch sorgt die Gesichtserkennung hierzulande für Kritik – so z. B. der Testlauf am Berliner Bahnhof Südkreuz. Im Januar 2020 wurde ein umstrittener Referentenentwurf zu einer „gesichtserkennenden Videoüberwachung“ durch Bundesinnenminister Horst Seehofer verworfen. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ mitteilt, hatte Seehofer entschieden, entgegen einem früheren Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz den Einsatz von Software zur Gesichtserkennung an sicherheitsrelevanten Orten doch nicht zu erlauben.

Fall Clearview AI sorgt in den USA für Wallung

In den USA sorgte kürzlich das Unternehmen Clearview („Technology to help solve the hardest crimes“) und seine riesige Bilddatenbank – die Rede ist von mehr als drei Milliarden Fotos von menschlichen Gesichtern – für mächtig Wirbel. Angeblich lassen sich mit Hilfe von der Clearview Millionen Menschen innerhalb weniger Sekunden erkennen.

Um seine Datenbank zu speisen, untersucht Clearview öffentlich zugängliche Seiten im Netz, darunter Netzwerke wie Facebook, Youtube, Twitter und Instagram. Eine Software lädt automatisch massenhaft Fotos herunter und analysiert anschließend die Aufnahmen. Findet das System Übereinstimmungen, liefert es weitere Fotos und persönliche Daten.

Einem Artikel in der New York Times zufolge bezahlen mehr als 600 Behörden für das Angebot von Clearview, darunter das FBI, das US-Heimatschutzministerium, Polizeidienststellen sowie kanadische Ermittler, die damit Sexualverbrechen und Kindesmissbrauch aufklären wollen. Laut NYT soll Clearview aber auch mit privaten Unternehmen zusammenarbeiten, was die Firma jedoch bestreitet.

Im Nachgang zu dem besagten Zeitungsartikel stellte das Unternehmen klar, dass die App für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sei. Die Suchmaschine von Clearview AI sei nur für Strafverfolgungsbehörden und ausgewählte Sicherheitsexperten als Ermittlungsinstrument verfügbar und ihre Ergebnisse enthalte nur öffentliche Informationen. „Wir sind uns jedoch bewusst, dass leistungsstarke Werkzeuge immer das Potenzial haben, missbraucht zu werden, unabhängig davon, wer sie benutzt, und wir nehmen die Bedrohung sehr ernst. Dementsprechend verfügt die Clearview-App über eingebaute Sicherheitsvorkehrungen, um sicherzustellen, dass diese geschulten Fachleute sie nur für den beabsichtigten Zweck verwenden: die Identifizierung von Tätern und Opfern von Verbrechen zu unterstützen.“

Autor: Jürgen Schreier

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