DATEV hat sich mit einer crossfunktionalen Entwicklungseinheit, dem Cross Solution Center (XSC), auf die grüne Wiese gewagt. Eigenverantwortung, Flexibilität durch Arbeit in Dreimonatszyklen und Dynamik sind Motivation und Ziel zugleich. Passend dazu haben wir mit diesem Blogbeitrag auch ein Experiment gewagt und den XSC-Projektleiter Christos Christopulos von unserem Kunden, dem Steuerberater Martin Fürsattel (Kanzlei Fürsattel…

Martin Fürsattel: Das DATEV Cross Solution Center gibt es jetzt seit knapp einem Jahr. Was ist die Idee dahinter?

Christos Christopulos: Das Cross Solution Center, kurz XSC, ist ein interner Dienstleister, der das gesamte Unternehmen mit fest definierten Arbeitspaketen dabei unterstützt, Produkte und Lösungen schneller auf die Straße zu bringen. Die Anforderungen am Markt verändern sich ständig, deshalb ist es unser Ziel, darauf schnell und flexibel reagieren zu können. Unsere XSC-Antwort darauf lautet: selbstorganisierte und crossfunktionale Teams.

Sie haben crossfunktional angesprochen. Wie genau sieht die Aufstellung des XSC aus?

Der Kern unserer Abteilung sind eigenverantwortlich arbeitende Teams, die sogenannten Solution-Teams. Sie bestehen in der Regel aus acht Personen: sechs Online-Entwickler, ein Product Owner und ein Scrum Master.

Unterstützt werden die Solution-Teams durch das Empowerment-Team und das Support-Team. Diese beiden Einheiten halten den Entwicklerteams den Rücken frei und unterstützen sie bei der Umsetzung der übertragenen Aufgabenpakete.

Die Supporteinheit hat beispielsweise einen Security Engineer, der bei allen IT-Sicherheitsfragen als primärer Ansprechpartner zur Verfügung steht. Er wird nur zeitweise bei der Bearbeitung der Aufgabenpakete benötigt und ist damit kein fester Bestandteil der Solution-Teams. Er unterstützt die Teams flexibel, wenn seine Kompetenz benötigt wird.

Die Teams arbeiten in Quartalszyklen, das heißt nach drei Monaten wird das Projekt wieder in die Hauptabteilung übergeben. Das stelle ich mir sehr herausfordernd vor.

Das Bearbeiten von fest definierten Arbeitspaketen in einem Rhythmus von drei Monaten ist ein neues Vorgehen bei DATEV. Wir haben am Anfang intensiv überlegt, welches Zeitfenster für einen temporären Support optimal ist. Auf Basis der bestehenden Planung im Entwicklungsbereich haben wir entschieden, die Bearbeitungszeit für ein Arbeitspaket auf drei Monate festzulegen. Das Hauptziel des XSC ist es, Wert zu liefern und flexibel die Organisation zu unterstützen. Das erreichen wir mit diesen kurzen, definierten Zeiträumen. Innerhalb eines Quartals arbeiten wir in sogenannten Sprints. Ein Sprint entspricht zwei Wochen Entwicklungsarbeit. Nach zwei Wochen machen wir in einem Review mit der Auftraggebenden Einheit einen Kursabgleich und setzen Ziele für den nächsten Sprint. Nach den drei Arbeitsmonaten geht die erbrachte Leistung dann zurück zum internen Auftraggeber. Wichtig hierbei ist die enge Zusammenarbeit zwischen uns und unseren Auftraggebern, damit das fertige Aufgabenpaket nach der Bearbeitungsdauer reibungslos in die Linienorganisation übergeben werden kann.

Worin liegt aus ihrer Sicht der Nutzen des XSC für uns DATEV-Anwender und wie kann man diesen messen – wenn überhaupt?

Der Nutzen sowohl für die interne Organisation als auch für den Kunden sind Flexibilität und zugleich Geschwindigkeit. Wir können deutlich dynamischer auf Marktveränderungen reagieren. Sie als Kunde merken es beispielsweise, wenn bestehende Produkte angepasst werden, neue Entwicklungsvorhaben eine schnellere Marktreife erlangen oder bei gesetzlichen Änderungen eine Unterstützung von uns einfließt. Im Software-Entwicklungsbereich können stets neue Faktoren eintreten, die zeitnah berücksichtigt werden müssen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Teams im XSC können dazu variabel eingesetzt werden.

Sie haben das Thema Priorisierung angesprochen. Das Executive Committee, also die Geschäftsleitung, entscheidet, was das XSC bearbeitet. Haben Sie da ein Vetorecht?

Nein. Potenzielle Auftraggeber im Haus reichen Vorschläge für mögliche Arbeitspakete ein. Derzeit haben wir deutlich mehr Angebote als Teams. Für das nächste Quartal liegen uns zehn Aufträge vor. Wir können aber nur fünf bearbeiten. Die Priorisierung der Themen obliegt unserem Executive Committee, kurz ExCo, das nach Relevanz entscheidet, welche Pakete wir bearbeiten. Wichtige strategische Themen, wie gesetzliche Änderungen in unseren Produkten, stehen damit ganz oben und müssen schnell umgesetzt werden. Darüber hinaus unterstützen wir auch Innovationsprojekte, etwa im Bereich Blockchain.

Dass es mehr Arbeitspakete als Teams gibt, spricht dafür, dass das XSC seinen Job gut macht und die Organisation das auch sieht. Die Akzeptanz ist also da. Im Fokus steht die höhere Entwicklungsdynamik. Gelingt es, die Erwartungen zu erfüllen?

Ja. Das Fazit nach einem Jahr ist: wir liefern, was wir versprechen. Wir haben in dem Zeitraum schon sieben fertige Arbeitspakete abgegeben. Unsere Kunden können heute beispielsweise schon von den ausgelieferten Features im Bereich FiBU-Automatisierung profitieren. Unsere internen Auftraggeber sind sehr zufrieden, das zeigt sich auch daran, dass wir jede Menge Folgeaufträge von ihnen erhalten.

Ist das XSC auch Initiator für eine kulturelle Veränderung der DATEV?

Aus meiner Sicht entsteht Kultur von innen heraus, das kann man nicht beschließen, sondern man kann nur schrittweise Pflänzchen setzen, um die Leute zum Denken anzuregen. Wir sehen das XSC als Experimentierfläche für neue Ideen und neue Wege. Ein Beispiel ist der Corporate Learning Coach, den wir im XSC etabliert haben. Das ist ein Mitarbeiter, der alle XSCler gezielt im Bereich Weiterbildung und Lernen unterstützt. Er agiert situativ und identifiziert Lernbedarfe. Bevor die Teams neue Arbeitspakete übernehmen, prüft er beispielsweise, ob erforderliche Fähigkeiten vorhanden sind, damit sie loslegen können. Auf kurzem Dienstweg wird das Wissen in den einzelnen Bereichen aufgebaut. Meiner Meinung nach eignet sich die Rolle auch sehr gut für weitere Unternehmensbereiche.

Derzeit gibt es fünf Entwicklungsteams, zehn sollen es bis Ende des Jahres werden. Ein ziemlich ambitioniertes Ziel, wenn man auf den heutigen Arbeitsmarkt schaut. Wie ist der aktuelle Stand in Sachen Rekrutierung und die Verteilung zwischen internen und externen Mitarbeitern?

Wir haben aktuell 57 Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Die Zielsetzung lautet, dass wir eine Hälfte mit internen Bewerbern besetzen und die andere mit externen. Letzteres ist aber eine große Herausforderung. Der Entwicklermarkt ist hart umkämpft. Wir suchen gezielt Fullstack-Entwickler, also solche, die sowohl im Frontend als auch am Backend programmieren können. Das macht es nicht einfach, Potenziale für unsere Einheit zu finden. Daher arbeiten wir sehr eng mit unserem Recruiting zusammen, um neue Wege bei der Mitarbeitergewinnung zu gehen.

Ihr Fazit nach fast einem Jahr XSC?

Den Aufbau einer neuen agilen Organisationseinheit zu begleiten ist sehr spannend.

Wenn man nach einem Jahr eine Zwischenbilanz zieht ist es toll zu sehen, dass bereits erste entwickelte Bausteine an unsere Kunden ausgeliefert wurden. Zudem freuen wir uns sehr, dass unsere internen Auftraggeber mit uns zufrieden sind und weitere Themen an uns übergeben möchten. Die Teams und die Organisationsstruktur entwickeln sich und wachsen immer stärker zusammen. Die Kolleginnen und Kollegen im XSC haben viel Verantwortung und genießen das Vertrauen der agilen Führungskräfte. Diese Herangehensweise zahlt sich aus. Im XSC kann jeder Mitarbeiter an den strategischen Aufgabenstellungen mitarbeiten, dabei werden alle Themen auf Augenhöhe gelöst. Folglich haben wir beispielsweise die Ziele der Abteilung in mehreren Workshops gemeinsam mit allen Mitarbeitern erarbeitet. Wir haben noch einiges zu tun, aber freuen uns über den Weg, den wir bisher erfolgreich beschritten haben.

Martin Fürsattel: Vielen Dank für die offenen Worte und das interessante Gespräch, Herr Christopulos. Ich wünsche Ihnen mit dem XSC weiterhin viel Erfolg. Machen Sie weiter so!

Über den Autor:

Martin Fürsattel ist Diplom-Kaufmann und Steuerberater der Kanzlei Fürsattel & Collegen.

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