Welche Rolle spielen mobile Datenerfassungsgeräte im Zuge der industriellen Transformation? Eine Kurzumfrage unter verschiedenen Experten gibt Aufschluss über den aktuellen Entwicklungsstatus und zentrale Trends im Kontext von IoT (Internet der Dinge), Big Data & Co.

  • Um die steigende Menge von Daten im Produktionsumfeld verlässlich zu erfassen, werden leistungsstarke und robuste Geräte für den mobilen Einsatz benötigt.
  • Die Devices müssen den Anwendern ein rollenspezifisches und intuitives Nutzererlebnis bieten, um angenommen zu werden.
  • Auch bei kleineren Geräten kommt es zunehmend auf die Ergonomie und das Gewicht an, da sie über mehrere Stunden getragen und gehalten werden.
  • In Zukunft ist es nicht mehr der Mensch, der zu den Daten kommt, sondern die Daten kommen zum Menschen und erreichen ihn auf portablen Geräten mit vollem Funktionsumfang.

Mobile Datenerfassungsgeräte, kurz MDE, sind nützliche kleine Helfer, um prozessrelevante Daten exakt dort zu erfassen, wo sie entstehen, und bestenfalls in Echtzeit an angebundene ERP-, PP- oder ME-Systeme weiterzuleiten. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Doch herkömmliche, in der Praxis nach wie vor weit verbreitete Handscanner älterer Bauart stoßen angesichts der mit dem Konzept von „Industrie 4.0“ einhergehenden Anforderungen sowie aufgrund des exorbitant ansteigenden Datenvolumens an ihre Grenzen. „Mobile Datenerfassung mit Auto-ID-Techniken, wie etwa Barcode, 2D-Code, Data-Matrix-Code, RFID, NFC und Sensorik, sind bereits seit mehreren Jahrzehnten zentraler Bestandteil der Optimierung von Prozessen in Produktion und Logistik – und darüber hinaus“, sagt Peter Altes, Geschäftsführer des Industrieverbands für Automatische Datenerfassung, Identifikation (Auto-ID) und Mobile IT-Systeme (AIM-D e. V.), Lampertheim. „Geradezu als Enabling Technologies verstehen sich Auto-ID-Technologien im Prozess der Wertschöpfung auf dem Weg zu Industrie 4.0, dem Internet der Dinge, zur Smart Factory: Objekte jeglicher Art müssen miteinander kommunizieren, das heißt, sich wechselseitig identifizieren und authentifizieren.“ Dabei komme es stets auf den einzelnen (Teil-)Prozess an, ob optische Techniken (ORM: Optical Readable Media) oder elektronische Lösungen wie RFID zum Einsatz kommen. Essenziell sei in diesem Zusammenhang auch die Leistungsfähigkeit der verwendeten Software, nicht zuletzt im Hinblick auf Interoperabilität (OPC UA) und Sicherheit (Security by Design).

Tablets statt Handhelds verstärkt im Einsatz

Eric Yeh, Sales & Operations Director DACH (Deutschland, Österreich und Schweiz) bei der Getac Technology GmbH, Düsseldorf, beobachtet die derzeitige Entwicklung aus Herstellersicht: „Die Anforderungen an unsere Kunden aus der Industrie steigen ständig. In den letzten zwei Jahren ging es ganz besonders um die Umsetzung der Digitalisierung und Automatisierung in einem sehr hohen Maß. Man denke nur an IoT, Augmented Reality und Human-Machine-Interface-Anwendungen sowie Digital Twin. Es müssen immer mehr Daten erfasst, verarbeitet und kommuniziert werden, und das in einer möglichst hohen Geschwindigkeit. Dafür werden robuste mobile Geräte benötigt, die höchste Standards in Sachen Leistungsfähigkeit, Konnektivität und Funktionalität sowie Sicherheit und Anwendungskomfort garantieren.“

Auch Kristofer Steinsick, Prokurist und Leiter Tec-Center bei Pro-Logistik, Dortmund, betont den Faktor Ergonomie: „Android gilt inzwischen als das meistgenutzte Betriebssystem für mobile Geräte und steht im Zusammenspiel mit leistungsstarker Hardware für grafische und anwenderfreundliche Benutzeroberflächen. Ausgestattet mit Multi-Touch-Technologie, WLAN und leistungsstarken Prozessoren der neuesten Generation ist zum Beispiel unser pro-V-pad Classic ein idealer Touch-IPC für den Einsatz im industriellen Umfeld.“ Die Ansprüche in puncto Funktionalität bei gleichzeitiger Nutzerfreundlichkeit gehen allerdings noch weiter. Demnach sieht Steinsick einen Trend zu großformatigen Touch- Displays im 16:9-Format, Full- HD-Auflösung und skalierbaren Rechnerplattformen.

Chance für einen sukzessiven Einstieg in die Automatisierung

Eine weitere Möglichkeit, Daten mobil zu erfassen und in Echtzeit für die weitere Verarbeitung zur Verfügung zu stellen, sind „intelligente“ Handschuhe. Unter dem Motto „For a smarter Workforce“ hat die Münchner Workaround GmbH (Pro-Glove) Anfang 2019 die zweite Generation von Mark auf den Markt gebracht. Gegenüber seinem Vorgänger soll sich der modifizierte Handschuh insbesondere durch eine größere Scan-Reichweite, schnellere Bildverarbeitung und eine verlängerte Laufzeit auszeichnen. Unterstützt wird ferner Bluetooth Low Energy (BLE). Auch Axel Schmidt, Senior Communication Manager bei dem Münchner Start-up, attestiert dem Menschen im Zusammenhang mit den neuen technologischen Möglichkeiten einen hohen Stellwert und merkt weiterhin an: „Die Themen Industrie 4.0 und Internet der Dinge entwachsen mehr und mehr den Kinderschuhen.

Und obwohl diese Entwicklungen spürbar im Markt angekommen sind, suchen viele Unternehmen eher nach sanften Lösungen als nach der vollkommenen Revolution. Verwundern kann dies kaum, denn kein verantwortungsvoll agierendes Unternehmen stellt von heute auf morgen alles auf den Kopf.“ Auch sei ein Zustand vollständiger Automation auf absehbare Zeit unrealistisch, weil etwa zu kurze Produktlebenszyklen oder die Vielzahl unterschiedlicher Produktvarianten im Weg stehen.

Rollenspezifisch und intuitiv

Geradewegs auf den Lebensalltag der Gesellschaft zugeschnitten sind zudem Anwendungen per Smartphone. So lassen sich mithilfe dieser Geräte selbst in komplexen Produktionsumgebungen relevante Kontroll- und Arbeitsschritte mobil erfassen, darunter auch Mengenrückmeldungen und Einstellungsparameter. Gleichzeitig ist eine Verwaltung und Steuerung der Fertigungsaufträge per App möglich. Sogenannte „Fiori Apps“ können aufgrund des Responsive-Designs sowohl auf Smartphones, Tablets und Scannern wie auch auf Terminals genutzt werden. Im Fokus steht ein vereinheitlichtes, rollenspezifisches und intuitives Nutzererlebnis über verschiedene Anwendungen hinweg. Wenngleich das Gros dieser Apps auf Managementanwendungen ausgelegt ist, existiert bereits eine Vielzahl an Applikationen, die den operativen Betriebsalltag unterstützen.

Vielfältige Optionen für die nahe Zukunft

Vor dem Hintergrund der Automatisierung und Digitalisierung ist also auch der Markt für mobile Datenerfassung spürbar in Bewegung. Doch in welche Richtung läuft die weitere Entwicklung und welche Determinanten haben entscheidenden Einfluss darauf? Dazu AIM-D-Geschäftsführer Peter Altes: „Die Herausforderungen für die Zukunft, adressieren über Interoperabilität und Sicherheit hinaus auch die Integration der Auto-ID-Anwendungen in heterogene Technologieumgebungen, zum Beispiel mit Sensorik, LPWAN (Low Power Wide Area Networks).“ Darüber hinaus dürfte die Einführung von 5G die Auto-ID-Märkte gleichermaßen mit Herausforderungen wie auch Chancen konfrontieren.

Eric Yeh hält auf Anfrage fest: „Jetzt und in der Zukunft zählen ein sehr hoher Robustheitsgrad und die Konnektivität für sichere, zuverlässige Echtzeitverbindungen. Die hohen Datenmengen erfordern sehr schnelle Rechenprozesse, die Geräte müssen also enorm leistungsfähig sein. Da sie ständig im mobilen Einsatz sind, sollten sie deshalb leicht und handlich sein und einen hohen Bedienkomfort bieten.“ Unabdingbar seien zudem ein unter schwierigen Bedingungen stets einwandfrei ablesbares Display mit Multitouch-Funktionen, eine möglichst lange Akkulaufzeit und eine hohe Temperaturbeständigkeit. Ähnlich sieht das Kristofer Steinsick, Prologistik, und bringt gleichzeitig die Sprachsteuerung ins Spiel: „Mit unseren sprachgestützten Dialogsystemen, die aus der Intralogistik bekannt und nicht mehr wegzudenken sind, fokussieren wir das Vorhaben, diese Technologie erfolgreich in weitere Industriesparten zu übertragen.“ Die Kombination aus Touch-Terminal und Spracherkennung ermögliche es, komplexe Softwarelösungen audiovisuell abzubilden und stetig zu verbessern.

Die Daten kommen zum Nutzer

Axel Schmidt von Workaround respektive Pro-Glove sieht zudem einen klaren Trend hin zu dezentralen Ansätzen, der durch immer weitreichendere Mobiltechnologien und Standards wie 5G zusätzlich verstärkt wird. „Die Daten kommen zum Nutzer und nicht andersherum. Wir sind davon überzeugt, dass sich in diesem Sog auch immer mehr industrielle Wearables ausbreiten werden. Smarte Handschuhe, intelligente Westen, aber auch tragbare Displays werden sicherlich eher die Regel als die Ausnahme werden.“ Dazu sei es allerdings notwendig, dass sämtliche Geräte um den Menschen herum konzipiert werden und auch angenehm zu tragen sind. Nicht zuletzt avancierten derlei Wearables zu einem Schlüsselfaktor in der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.

Autor: Sabine Vogel

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