Viele Unternehmen wollen künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um effizienter oder kundenfreundlicher zu werden. Um KI erfolgreich einzusetzen, muss über folgende Punkte Klarheit bestehen: Wie funktionieren KI-Algorithmen? Was können sie leisten und wo liegen ihre Grenzen?

Die Bezeichnung künstliche Intelligenz ist schlecht gewählt. Der Name und die zugehörigen Assoziationen führen zu zahlreichen Missverständnissen. Dazu gehört der Irrtum, dass es zwischen dem, was bisher in der Informatik erreicht wurde, und dem, was gerade als KI bezeichnet wird, einen grundlegenden Unterschied gibt.
Können Maschinen intelligent sein?

Dies ist nicht der Fall, denn typische Algorithmen und sogenannte Lernalgorithmen sind nicht deutlich voneinander abgegrenzt. Die Informatik verfügt, wie jede andere Wissenschaft, über eine Grenze zwischen gelösten und ungelösten Problemen, die sich ständig verschiebt. Alles, was wir als gelöst einordnen, sind Dinge, die automatisiert und über einen Algorithmus erledigt werden können. Das Übrige können wir noch nicht automatisieren. Diese Dinge können nur Menschen erledigen – und zwar mit Intelligenz.

Es geht nicht darum, intelligente Maschinen zu entwickeln; das ist ja schon ein Widerspruch in sich. Die Intelligenz, die wir einem Programm oder Produkt zuschreiben, ist in Wirklichkeit die Intelligenz der menschlichen Entwicklerinnen und Entwickler. Daran ist also überhaupt nichts künstlich.

Außerdem müssen wir begreifen, dass unsere Tätigkeiten durch KI zunehmend automatisiert werden. Bei diesem Prozess werden bessere Tools entwickelt, mit deren Hilfe wir unsere Produktivität und unseren Wohlstand steigern können. Jedes Mal, wenn neue Tools die Arbeitsweise der Menschen verändern und die Produktivität erhöhen, gibt es Befürchtungen, dass Arbeitgeber einen Teil der Beschäftigten oder gar alle ersetzen. Tatsächlich passiert dies aber nur selten. In der Vergangenheit hat Technologie keine Arbeitsplätze vernichtet. Diesmal ist es nicht anders. Nur die Art des Arbeitens verändert sich.

Neueste Fortschritte bei der Mustererkennung

Die größten Fortschritte im Bereich KI wurden in der letzten Zeit bei der Mustererkennung erzielt. Deutlich wird das beispielsweise an Schachprogrammen. Im Jahr 1997 waren Schachcomputer bereits dem Menschen überlegen – zum Beispiel beim Duell Kasparow gegen Deep Blue. Innerhalb weniger Jahre wurden sie so gut, dass sie die besten menschlichen Schachspieler bei Weitem übertrafen. Ein Computer kann über mehrere Züge hinweg alle Möglichkeiten vorausberechnen und dann den optimalen Zug auswählen. Diese Brute-Force-Suchtechnik wird heute durch clevere Heuristik und Datenbanken ergänzt, ist aber im Wesentlichen noch immer die Methode, die in führenden, modernen Schachprogrammen, wie Stockfish oder Komodo, eingesetzt wird.

Durch jüngste Fortschritte in der Mustererkennung gelingt es Programmen wie AlphaZero von DeepMind allerdings, Stockfish zu schlagen – wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Das Spannende daran: Beim Schreiben des Kernprogramms dachte man eigentlich gar nicht an Schach. Das Programm ist so allgemein gehalten, dass es mehrere Spiele spielen kann – genau wie wir Menschen eben. Es muss nur die Regeln kennen und wissen, wie gewertet wird. Nachdem es dann mehrere Millionen Mal gegen sich selbst gespielt hat, wird es zum Überflieger.

Das Faszinierende daran (neben dem Gewinnen) ist die allgemeine Anwendbarkeit, die den Entwicklungsaufwand für ähnliche Anwendungen künftig verringern wird. Das ist die Produktivitätssteigerung der heutigen Mustererkennung auf der Grundlage künstlicher Intelligenz.

KI-basierte Mustererkennung stößt an Grenzen

Algorithmen zur Mustererkennung sind recht allgemein gehalten und können für viele Probleme als Lösungsgrundlage dienen. Es ist aber beispielsweise fraglich, ob autonomes Fahren mittels KI in absehbarer Zeit möglich sein wird. Wahrscheinlich werden sich die Forscher auf Lösungen wie Kollisionsvermeidung verlegen. Ein solches Programm lässt sich leicht entwickeln und ist sehr nützlich.

Die meisten unserer Arbeitsplätze werden nicht von Aufgaben im Bereich der Mustererkennung dominiert und dürften daher sicher sein. Mit der zunehmenden Verbreitung besserer Mustererkennungstools wird sich unsere Produktivität weiter erhöhen – parallel zu Fortschritten bei der Suchmethode. Muster in Daten lassen sich schneller auffinden, algorithmische Regeln für viele Geschäftsprozesse schneller erstellen.

Es gibt jedoch kognitive Aufgaben, mit denen die KI heute noch ihre Probleme hat. Spiele wie Schach sind zwar komplex, haben jedoch einfache und feste Regeln. Die Probleme, die uns bei der Arbeit begegnen, sind aber sehr vielfältig. Ein Beispiel: Die Gesamtkomplexität eines Gerichtsverfahrens passt nicht in einen Vektor oder ein Array. Und selbst wenn, dann sind die Regeln des juristischen Taktierens und die abstrakten Ziele extrem schwer zu greifen. Die Schlüsseltechnik der Mustererkennung durch Brute-Force-Methoden ist bei solchen Problemen eher nutzlos.

Hier stößt KI an ihre Grenzen, was sich auch nicht durch Rechenleistung und intelligentere Architekturen ändern wird. Es ist daher mit einer gewissen Ernüchterung zu rechnen, wenn sich die KI-Akteure allmählich der inhärenten Grenzen dieser Technik bewusst werden.

Intelligent Empowerment: KI für die richtigen Aufgaben nutzen

Wer KI heute nutzen will, muss wissen, was sie kann und was nicht. Menschliche Aufgaben, die in erster Linie auf Mustererkennung basieren, sind absolut geeignet für KI-Lösungen.

Die meisten Jobs und Workflows bestehen aber aus einer bunten Mischung von Wahrnehmungsaufgaben und tiefer gehenden kognitiven Entscheidungen. Wenn wir die Produktivität steigern wollen, müssen wir unsere Arbeit entsprechend aufschlüsseln und KI-Tools für die jeweiligen Aufgaben entwickeln. Diesen Ansatz bezeichnen wir als Intelligent Empowerment. Unter keinen Umständen dürfen wir den Fehler machen, einen zu umfangreichen Workflow durch KI-Algorithmen ersetzen zu wollen.

Das menschliche Urteilsvermögen ist immer noch der mit Abstand beste Ansatz für viele Aufgaben im Business-Umfeld. Wenn wir KI vornehmlich dort nutzen, wo sie am meisten leisten kann, bringt sie uns den größten Gewinn. Gleichzeitig setzen wir Menschen ihren Kompetenzen entsprechend optimal ein, so dass sie zufriedener sind.

Autor: David Johnston

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