Den beruflichen Weg klären – Stress kompensieren, Resilienz steigern und Burn-out vorbeugen. Angebote dazu gibt es genug. Doch die Fülle überfordert schlicht. Dabei ist es ganz einfach: Erkenne dich selbst!
Klaus M. erkennt sich nicht mehr, als ihm eine Stelle als Führungskraft angeboten wird. Er sieht sich auf dem richtigen Weg, denn Beförderung bedeutet Karriere und mehr Gehalt. Also nimmt er an. Nach kurzer Zeit fragt er sich, ob er richtig entschieden hat. Liegt ihm die Aufgabe wirklich – was will er beruflich? Fragen, die er sich vorab nicht gestellt hat. So wie Klaus M. geht es vielen. Als Coach begleitet man oft Kunden, die die Auswirkungen einer für sie ungeeigneten Entscheidung spüren. Ihnen Selbstmanagement nahezubringen, kann die Lösung sein.
Buchhandel und Seminarmarkt quellen über mit Ratgebern und Trainingsangeboten zum Selbstmanagement. Eine unüberschaubare Menge an Tipps und Techniken verspricht Ihnen nicht weniger als das: Sie wissen, wie Sie ticken, was Sie wollen, halten Zeit und Stress im Griff, beugen dem Burn-out vor und stärken die eigene Widerstandskraft. Die Themen sind schwer voneinander zu trennen, greifen oft ineinander. Durch sinnvolles Zeitmanagement bewältigt man Stress. Das wiederum ist eine Voraussetzung, um Burn-out zu vermeiden. Resilienz als die Basis, also die seelische Widerstandskraft, meistert Krisen und Rückschläge. All das lässt sich trainieren. Doch wo fängt man an – und wie?
Der Bedarf ändert sich
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt in einer Weise, deren komplette Auswirkungen wir heute nicht abschätzen können. Durch die ständigen Veränderungen wachsen die Ansprüche. Menschen sollen schneller sein, flexibler und kompetenter entscheiden. Die Flut an Wissen, Informationen und Optionen wächst. Der zeitliche Druck durch eine schnellere Taktung und Real-Time-Medien steigt. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und mehr Verantwortung werden Mitarbeitern vieler Dienstleistungsbranchen zwar ermöglicht und damit wichtiger. Gleichzeitig steigt jedoch die Gefahr von Stress und Überforderung durch eine Always-on-Mentalität. Bei all dem fehlt die Möglichkeit, sich abzugrenzen. Klaus M. ist nicht bewusst, wie sehr ihm nach der beruflichen Veränderung der hohe zeitliche Einsatz zusetzen wird. Auf einmal bleibt aufgrund der vielen Überstunden weniger Zeit für die Familie. Er wird zunehmend unzufrieden, auch weil die Komplexität steigt.
Die Komplexität im Alltag nimmt in vielen Berufen zu. Dennoch sollen alle mithalten – gesund mithalten. Auch vor Kanzleien macht das nicht halt. Steuerberater und Rechtsanwälte müssen zum Beispiel neben ihrer fachlichen Expertise zunehmend IT-Kompetenz beweisen. Verstärkt wird Geschick verlangt, um Kunden nicht nur unternehmerisch zu beraten. Das verlangt mehr Selbstmanagement.
In Gesundheit investieren – Kosten vorbeugen
Wie der DAK-Gesundheitsbericht 2018 der Deutschen Angestellten-Krankenkasse belegt, liegen „psychische Erkrankungen mit einem Anteil von rund 16,7 Prozent hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Krankenstand wieder an zweiter Stelle“. Ein gut funktionierendes Selbstmanagement ist daher aus wirtschaftlicher Sicht ratsam. Mitarbeiter, die mit Burn-out-Diagnose für Monate ausfallen, kosten Unternehmen viel Geld. „Nach Angaben der AOK hat sich die Krankheitslast aufgrund von Burn-out-Diagnosen in den letzten zehn Jahren mehr als vervierfacht“, schreibt Statista auf seiner Website.
Dass Selbstmanagement der Depression vorbeugen kann und in der Burn-out-Prophylaxe hilfreich ist, fanden Wissenschaftler der Universität Lübeck heraus. In Kooperation mit Forschern aus sechs weiteren Universitäten in Deutschland und der Schweiz erzielten sie mit dem Online-Selbstmanagement-Programm deprexis nachweisbare Erfolge in der Behandlung von depressiven Symptomen. Auch laut einer von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGVU) in Auftrag gegebenen Studie lässt sich einschätzen, dass sich Investitionen in den Arbeits- und Gesundheitsschutz um mehr als das Doppelte rechnen.
Es lohnt sich, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren. Zum Beispiel, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter darin bestärken, sich die Fragen des Selbstmanagements zu stellen – siehe untenstehender Kasten –, und sie bei der Umsetzung des eigenen Selbstmanagements unterstützen. Selbstmanagement kann Depression vorbeugen und in der Burn-out-Prophylaxe hilfreich sein.
ERKENNE DICH SELBST – JETZT!
Selbstmanagement kann man ganz alleine starten – unkompliziert und sofort. Es braucht zu Beginn weder großartige Vorbereitung noch einen Coach oder ein Seminar. Sicher ist beides hilfreich, doch mit ein wenig Selbstreflexion kann man erst mal gut alleine starten. Es braucht lediglich etwas Zeit, sich selbst kennenzulernen – und Ehrlichkeit.
Beginnen Sie, sich selbstkritisch zu fragen:
Was ist mir wichtig und was macht mich aus?
Was motiviert mich?
Welche Ziele verfolge ich?
Welche Schritte und Maßnahmen muss ich ergreifen?
Wo liegen meine Stärken? Worin bin ich gut?
Wo liegen meine Schwächen?
Was macht mich glücklich? Wo liegt meine Leidenschaft?
Was stresst mich und was raubt mir Energie?
Was kann ich ändern?
Wo lade ich Akkus auf?
Was tut mir gut?
Wie organisiere ich mich am besten?
Führen Sie einige Wochen oder Monate ein Tagebuch, in das Sie Ihre Beobachtungen notieren. Bitten Sie vertraute Personen um Feedback, bitten Sie um Fremdeinschätzung. Dabei sollte eine gute Selbstkenntnis herauskommen, mit der Sie Alltagsprobleme lösen können. Denn genau darum geht es beim Selbstmanagement: sich so gut kennen, dass man im Alltag die Optionen wählen kann, die zu einem passen. Um Entscheidungen zu treffen, die einem guttun.
Was heißt Selbstmanagement?
Auch wenn es oft in einem Atemzug genannt wird, Selbstmanagement unterscheidet sich vom Zeitmanagement.
Das Zeitmanagement liefert Tipps und Techniken, um wichtige und notwendige Dinge nicht nur effektiv, sondern auch effizient zu erledigen. Hier geht es darum, mit vielen Aufgaben zu jonglieren, wechselnd zu priorisieren sowie Störungen und Zeitfresser zu eliminieren. Ab Seite 11 schreiben wir darüber.
Das Selbstmanagement geht weit darüber hinaus. Es ist die Grundlage für ein reflektiertes und im wörtlichen Sinne selbstbewusstes Leben. Durch erfolgreiches Selbstmanagement führt man ein Leben, das zufrieden macht. Man nimmt die berufliche und persönliche Entwicklung selbst in die Hand.
Im Selbstmanagement reflektiert man verschiedene Aspekte seiner Persönlichkeit:
- Stärken und Schwächen: Worin bin ich gut und was liegt mir weniger?
- Stressoren und Ressourcen: Was stresst mich und wo lade ich Akkus auf?
- Motivatoren und Werte: Was treibt mich an und was ist mir wichtig?
Daraus lassen sich dann individuelle Ziele und Maßnahmen für ein zufriedenstellendes Privat- und Berufsleben formulieren.
Zusammengefasst bedeutet Selbstmanagement, sich selbst zu erkennen – und danach zu handeln. Ziel ist es, die berufliche und private Entwicklung eigenständig zu bestimmen, zumindest mitzugestalten.
Wer braucht Selbstmanagement?
Markt Twain hat mal gesagt: „Wer nicht weiß, wohin er will, der darf sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt.“ In diesem Sinne wissen die meisten Menschen erschreckend wenig über sich und darüber, was sie wollen. Wer kann auf Kommando seine drei wichtigsten Werte benennen? Wer kann die Frage nach den eigenen Stärken und Schwächen sofort beantworten? Eine Frage, die Personaler übrigens gerne stellen. Und wer ist sich wirklich bewusst, was ihn konkret stresst? Viele fühlen sich oft erst mal nur diffus unwohl, wie Klaus M. Klar ist ihm nicht, ob ihm die Aufgabe als Führungskraft wirklich liegt. Will er weniger operativ arbeiten und stattdessen eher strategisch? Er muss sich von der spannenden Projektarbeit verabschieden, dafür plötzlich unliebsame Entscheidungen verkünden; zudem selbst welche treffen, unter anderem mit Mitarbeitern Kritikgespräche führen. Es widerstrebt ihm, im Meeting die Moderatorenrolle zu übernehmen. Ebenso wenig will er Unpünktlichkeit und Fehlverhalten rügen oder gar sanktionieren. Die Konsequenzen sind unangenehm: Er fühlt sich gestresst, wird schnell ungeduldig, auch ungerecht den Mitarbeitern und seiner Familie gegenüber. Sein Team reagiert irritiert – Kommunikation und Zusammenarbeit leiden. Ihn beschleicht das Gefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Präventiv handeln
Selbstmanagement hilft, dass solch eine Situation erst gar nicht passiert: Man entscheidet und priorisiert leichter, trennt Wichtiges von Unwichtigem, Illusion von Realität. Man delegiert schneller, weil sofort klar ist, wenn einem die Aufgabe nicht liegt. So ist man ehrlicher und authentischer. Es muss keine Fassade aufrechterhalten werden. Klar und schnell kann entscheiden, wer sich an den eigenen Werten, Motivatoren und Zielen orientiert. Das ist besonders wichtig für alle, die viel Verantwortung tragen, Führungsaufgaben innehaben, einem straffen Zeitplan folgen oder stressanfällig sind. Für Klaus M. klärt sich im Coaching die Frage, ob er bereit ist, sich die für Führungskräfte notwendigen Fähigkeiten und Verhaltensweisen anzutrainieren. Die Lösung ist einfach: raus aus der Führungsrolle, zurück in die Linie, in eine verantwortungsvolle, interessante Projektarbeit. Seitdem ist er wieder zufrieden, ausgeglichen und erfolgreich.
Fazit
Selbstmanagement bringt keine Egoisten hervor. Natürlich müssen nach wie vor Ziele und Vorgaben anderer berücksichtigt werden. Doch es hilft, sich über Auswirkungen und Konsequenzen der eigenen Entscheidung schnell klar zu werden. So kann man schnell für sich richtig reagieren. Selbstmanagement ist wie ein stabiles, tragfähiges Fundament für ein Haus. Andere wichtige Techniken wie Zeitmanagement, Stressbewältigung und Resilienz bauen darauf auf.