Online-Shops - 25. Juni 2015

Umverteilung der Umsatzsteuer

Die Geschäftsabschlüsse der Online-Händler sind auf­grund der Viel­zahl der zu be­achten­den Vor­schrif­ten zu­weilen pro­ble­matisch. Wegen der Um­satz­steuer kommt es zu­neh­mend auch zu Be­triebs­prü­fungen.

Nicht selten sind Unternehmer überrascht, wenn ihnen der Betriebsprüfer Nachweise über Online-Geschäftsabschlüsse vorlegt, die im Prüfungszeitraum getätigt wurden, sowie gezielt Belege zur umsatz­steuerrechtlichen Behandlung fordert. Jeder im Online-Handel tätige Unternehmer sollte daher wissen, dass der Finanzverwaltung eine Vielzahl rechtlicher und auch tatsächlicher Mög­lich­keiten zur Verfügung steht, um die Geschäftsaktivitäten eines Online-Händlers zu über­wachen.

In der Regel greift der Betriebsprüfer auf folgende Quellen zurück:

  1. Das Finanzamt tätigt bei dem Online-Händler einen Testkauf, indem es anonym eine Ware online erwirbt und so die ordnungsgemäße steuerliche Abwicklung prüft. Jeder Um­satz­steuer­be­scheid unter Vorbehalt der Nachprüfung beinhaltet automatisch das Risiko solcher Testkäufe.
  2. Ein gewerblicher Kunde des Online-Händlers macht die Rechnung über den Online-Kauf steuermindernd als Betriebsausgabe geltend. Hier ist regelmäßig mit einer Kontrollmitteilung an das Betriebsstättenfinanzamt des Online-Händlers zu rechnen.
  3. Das Internet vergisst in der Regel nie, sodass der Betriebsprüfer über eine sogenannte Wayback-Maschine auch bereits alte und gelöschte Einträge über den Inhalt eines Online-Shops aufspüren und dokumentieren kann. Die Finanzverwaltung kann so auch über zu­rück­lie­gende Jahre verfolgen, welche Waren oder Dienstleistungen ein Online-Händler angeboten hat und wie Kaufpreiszahlungen abgewickelt wurden.
    Da der Online-Handel jedem Unternehmer die grenzenlose Möglichkeit eröffnet, seine Waren oder Dienstleistungen nahezu weltweit anzubieten, prüft das Finanzamt immer mehr auch den Bereich der innergemeinschaftlichen Lieferungen und Leistungen. Jeder Unternehmer, der im Bereich des Online-Handels grenzüberschreitend tätig ist, sollte daher vor allem auch mit den damit einhergehenden um­satz­steuer­lichen Besonderheiten vertraut sein, um unnötige Risiken und Diskussionen mit der Finanzverwaltung zu vermeiden.

Neuregelungen ab 2015

Seit dem 1. Januar 2015 gelten neue Regelungen für den innergemeinschaftlichen Online-Handel. Die EU ist bereits seit Jahren bemüht, die Anwendung der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften EU-weit zu vereinheitlichen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und eine steuerliche Gleichbehandlung herbeizuführen. Grundlage für diese Vereinheitlichung ist die sogenannte Mehrwertsteuerrichtlinie aus dem Jahr 2006, die bereits 2008 hinsichtlich des Orts der Dienst­leis­tung geändert wurde. Weitere Ausgestaltungen erfuhr die Mehrwertsteuerrichtlinie zuletzt im Jahr 2013 durch den Erlass von Durchführungsverordnungen als konkrete Vorgabe an den jeweiligen nationalen Gesetzgeber der einzelnen Mitgliedsstaaten, die neuen Inhalte der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland ist der Gesetzgeber diesen Vorgaben der EU durch das neue Umsatzsteuergesetz gefolgt, das am 3. Juli 2014 verabschiedet wurde und am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Dabei wurde der Leistungsort und damit der Be­steue­rungs­ort für gewisse Dienstleistungen an den Ort verschoben, an dem die Dienstleistung erbracht wird. Es gilt ab sofort das sogenannte Bestimmungslandprinzip mit den entsprechenden um­satz­steuer­lichen Besonderheiten, insbesondere auch in Form neuer Melde- und Er­klä­rungs­pflichten. Die neuen Regelungen betreffen zunächst die gesamte Tele­kom­mu­ni­ka­tions-, Rundfunk- und Fernsehbranche sowie nahezu alle Anbieter, die grenzüberschreitend digitale Dienstleistungen gegenüber Endverbrauchern anbieten. Nicht betroffen von den Neuregelungen sind damit alle Unternehmer, die nicht im Dienstleistungsverkehr tätig sind, sondern mit Waren handeln. Von den Neuregelungen ausgenommen sind ferner alle Unternehmer, die ihre Dienst­leis­tun­gen online nicht gegenüber Verbrauchern, sondern Gewerbetreibenden und so weiter erbringen, also im unternehmerischen Geschäftsverkehr tätig werden. Der Wortlaut der Mehr­wert­steuer­richt­linie regelt als Orientierungshilfe in Anhang II beispielhaft die Bereitstellung einer Website, die Bereitstellung oder Fernwartung von Software, aber auch das Anbieten von Musik, Filmen, E-Books oder Fernunterricht als von der Neuregelung betroffene Dienstleistungen. Da dieser Katalog sehr eng gefasst ist, hat der deutsche Gesetzgeber zudem sehr detaillierte Be­schrei­bun­gen der betroffenen Dienstleistungen in seine Verwaltungsregelung zur Anwendung des Umsatzsteuergesetzes aufgenommen und dort neben den in der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Dienstleistungen etwa noch das Anbieten von Suchmaschinen-Dienstleistungen, das Web-Radio und -Fernsehen, das breite Spektrum der Online-Versteigerungen und sonstige Internetdienstleistungen wie gewerbliche Internetforen aller Art, Partnerbörsen, Chatrooms, Nachrichtendienste und so weiter aufgenommen.

Welche Unternehmer sind betroffen?

Hervorzuheben ist, dass von den Neuregelungen nicht nur der unmittelbare Dienstleister, sondern auch der sogenannte Plattformbetreiber betroffen ist. Es besteht insoweit eine gesetzliche Vermutung, die der Plattformbetreiber nur dadurch entkräften kann, indem er anhand von Vertrag und Rechnung nachweist, dass er nicht an der Leistungskette teilnimmt, also nicht Erbringer der eigentlichen Dienstleistung ist. Ebenso wenig als Leistungserbringer angesehen werden reine Bezahldienste, über deren Online-Plattform die Zahlung der erworbenen Dienst­leis­tung abgewickelt wird. Ein besonderes Risiko besteht auch für sogenannte Klein­unter­nehmer, die die Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung für sich in Anspruch nehmen, da ihre Umsätze im Vorjahr 17.500 Euro und im laufenden Jahr 50.000 Euro nicht übersteigen. Nach Auffassung des EuGH gilt diese Befreiung nämlich nur für innerdeutsche Umsätze und nicht für Umsätze, die im europäischen Gemeinschaftsgebiet erwirtschaftet werden. Grenzüberschreitende Umsätze von Kleinunternehmern sind daher stets von den Neuregelungen betroffen, vor­aus­ge­setzt, die abgerechnete Leistung wird gegenüber Verbrauchern erbracht.
Für Unternehmer, die spezielle Dienstleistungen online gegenüber privaten Endkunden im EU-Ausland erbringen, fällt die Umsatzsteuer ab sofort nicht mehr in Deutschland, sondern im Heimatland des Endkunden an. Es gilt das Bestimmungslandprinzip, mit der Folge, dass der Unternehmer seine Dienstleistung nach § 3a Abs. 5 Umsatzsteuergesetz (UStG) dem im Wohn­sitz­staat des Verbrauchers gültigen Umsatzsteuersatz unterwerfen muss. Alle betroffenen Unter­nehmer müssen sich zudem in jedem EU-Mitgliedsstaat, aus dem ihre Dienstleistungen von privaten Endkunden abgerufen werden, umsatzsteuerrechtlich registrieren und dort ihren Erklärungspflichten nachkommen, was mit einem erheblichen Kosten- und Zeitaufwand ver­bun­den ist, da für das Rechnungswesen oftmals die unternehmensinterne Software angepasst werden muss. Eine Erleichterung sehen jedoch die Sonderregelungen der Europäischen Kom­mis­sion über den sogenannten Mini-One-Stop-Shop vor. Die Teilnahme an diesem System kann von deutschen Unternehmern online beantragt werden und ermöglicht die erleichterte Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer über das Bundeszentralamt für Steuern.

Video: Online-Handel

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Im Video erklärt Rechtsanwalt Arnd Lackner die umsatzsteuerlichen Besonderheiten im Online-Handel.

Zum Autor

Arnd Lackner

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht bei Wagner Rechtsanwälte, Saarbrücken

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